15. Februar 2010

Brahms: Klavierquartette ... und ein Jugendwerk von Mahler

Zwischen September und Oktober 1861 vollendete Brahms seine ersten beiden Quartette für Klavier und Streicher. Das erste Quartett, das am 16. November mit Clara Schumann am Klavier in Hamburg uraufgeführt wurde, beginnt mit einem aus drei Themen in freier Form bestehenden Allegro, dem ein Intermezzo folgt, das in die geheimnisvolle Welt der Nacht zu gehören scheint. Der langsame Satz, liedhaft und breit, bleibt "robust, gar heroisch, fast orchestral" (F. R. Tranchefort) im Ausdruck, und ein Rondo "alla zingarese", das Joseph Joachim begeisterte, beendet das Werk mit seinem eloquenten Rhythmus.

Wenn dem ersten Quartett augenblicklich Erfolg beschieden war, so gilt das nicht für das zweite, das manche etwas langweilig fanden. Die Schatten von Haydn und Schubert durchziehen dieses Werk, dessen Poco adagio, wie Joachim sagte, vieldeutige Emotionen in sich birgt. Wie das vorherige Quartett schließt es - mit weniger markantem Rhythmus - mit einem Rondo im ungarischen Stil.

Das 1856 skizzierte und mehrere Male überarbeitete dritte Quartett für Klavier und Streicher wurde 1875 vollendet und im Februar 1876 mit dem Komponisten am Klavier uraufgeführt. Dieses dichte und düstere Stück, das so lange in Arbeit war, entstand aus der leidenschaftlichen und unglücklichen Liebe, die Brahms mit Clara Schumann verband. Brahms soll einem Freund anvertraut haben, bei der Komposition des ersten Satzes habe er an einen Menschen gedacht, der als letzten Ausweg aus seiner Verzweiflung nur die Möglichkeit sieht, sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Düster und geheimnisvoll geht das Scherzo einem wunderbaren Andante, wo das Violoncello eine lange Phrase voller Zärtlichkeit singt, und einem Finale Poco allegretto mit Variationen voran.

Johannes Brahms, Photographie, Visitformat, o. O., 1853, 6,3 x 10,3 cm, Bildmaße: 5,7 x 9,0 cm Quelle: Brahmsinstitut an der Kunsthochschule Lübeck, Digitales Archiv.
1876, zu Beginn seines Studiums am Wiener Konservatorium, begann Gustav Mahler, damals sechzehn Jahre alt, mit der Komposition eines Quartetts für Klavier und Streicher, von dem er nur einen Satz vollendete und die ersten Takte des Scherzos skizzierte. Als junger Musiker mit wenig Erfahrung, der seinen eigenen Stil noch nicht gefunden, aber bereits sein Talent bewiesen halle, schuf er hier ein elegisches Stück, das glückliche Episoden enthält, die einen Hauch Expressionismus erkennen lassen.

Quelle: Adélaide de Place, im Booklet (Übersetzung: Anne Weber)

Weitere interessante Texte finden Sie auf der Homepage des Altenberg Trio Wien

z.B. Brahms: Kommentar zum 2. Klavierquartett - Kommentar zum 3. Klavierquartett (beide von Claus-Christian Schuster).

Weitere Links zu Johannes Brahms habe ich anläßlich seiner Streichsextette veröffentlicht.

TRACKLIST

CD l                                              76.25  

Johannes Brahms
1833-1897

Piano Quartet No.l in G minor/g-moll/en sol mineur, Op.25 
1 I   Allegro                                     14.18
2 II  Intermezzo. Allegro (ma non troppo)          8.49  
3 III Andante con moto                            10.18  
4 IV  Rondo alla Zingarese. Presto                 8.35  


Piano Quartet No.3 in C minor/c-moll/en ut mineur, Op.60
5 I   Allegro non troppo                          11.14  
6 II  Scherzo. Allegro                             4.23  
7 III Andante                                      9.31  
8 IV  Finale. Allegro comodo                       9.11  


CD 2                                              60.36

Johannes Brahms 1833-1897
Piano Quartet No.2 in A major/A-dur/en la majeur, Op.26
1 I   Allegro non troppo                          16.32
2 II  Poco adagio                                 11.43
3 III Scherzo: Poco allegro                       10.54
4 IV  Finale: Allegro                             10.04

Gustav Mahler
1860-1911

5 Piano Quartet Movement                          11.18 


Domus
Krysia Osostowicz - violin
Timothy Boulton - viola
Richard Lester - cello
Susan Tomes - piano


Recording St Barnabas Church, Woodside Park, London,
VII.1987 & IV.1988
Producer Andrew Keener
Balance engineer Mike Hatch
Cover image: Henri Le Sidaner : "Le dimanche", detail; Musee de Douai
® 1988  This compilation ® &: © 1999
DDD

Henri Le Sidaner (1862-1939): "Le dimanche", detail; Musee de Douai

Eine eigene, stille Magie
Zu Lebzeiten bekannt, doch dann vergessen: Die Kunstsammlungen Chemnitz feiern die Wiederentdeckung des Malers Henri Le Sidaner.

Zu Lebzeiten war der französische Maler Henri Le Sidaner populär. Marcel Proust lässt in seinem epochalen Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" Gäste eines Hotels über die aktuelle Kunst diskutieren. Während eine Madame Legrandin Claude Monet für "ein Genie" hält, beharrt ein "berühmter Rechtsanwalt aus geadelter Familie" darauf: "Sie werden mir gleichwohl gestatten, ihm Le Sidaner noch vorzuziehen."

Nicht einmal so viel Erwähnung ist Le Sidaner (1862 bis 1939) den meisten Kunsthistorikern von heute wert. Kaum ein Band zum Thema Impressionismus oder Symbolismus – Le Sidaner war in beiden Kunstrichtungen zu Hause – erwähnt seinen Namen oder zeigt seine Werke. Zu Unrecht, wie Kuratorin Karin Sagner von den Kunstsammlungen Chemnitz meint. "Le Sidaner erweiterte die Lichtmalerei des Impressionismus durch einen magisch-poetischen Aspekt und stand zugleich dem Symbolismus nahe", schreibt sie im Katalog der Ausstellung, die den großen Unbekannten des Impressionismus aus dem Dunkel der Vergangenheit befreien soll.

Henri Le Sidaner: Le Table de Pierre Gerberoy, 1920

Henri Le Sidaner wurde 1862 auf Mauritius geboren. Er studierte ab 1882 für kurze Zeit an der Pariser École nationale des Beaux-Arts. War es zunächst der Impressionismus, der ihn faszinierte, so schloss er sich in den 1890er Jahren den Symbolisten an. Beide Richtungen finden in seinen Bildern zu einer stimmigen, sehr persönlichen Synthese.

Seine Gemälde von sonnendurchfluteten Gärten, von strahlenden Kathedralen oder dem gleißenden Licht Venedigs weisen ihn als ausgezeichneten Vertreter impressionistischer Malerei aus. Aber eine wahre Offenbarung sind die stillen, in gedämpften Farben gehaltenen Ansichten von einsamen Häusern, die ruhigen Menschendarstellungen – da entfaltet Le Sidaners Kunst eine ganz eigene stille Magie.

Quelle: Petra Bosetti, „Eine eigene, stille Magie“, in Art. Das Kunstmagazin. 15.06.2009

Die im Artikel erwähnte Ausstellung war schon letzten September; der Katalog ist hier erhältlich. Eine Werkliste des Künstlers ist hier.



Hörbeispiel
CD 1, Track 6: Klavierquartett Nr 3 c-moll op 60 - II Scherzo Allegro





CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 48 MB
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Reposted on July 19, 2014

Im Infopack befinden sich auch ein zweites Hörbeispiel sowie weitere Bilder von Le Sidaner.

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