8. Oktober 2008

Dinu Lipatti spielt Chopin, Bach, Mozart, Scarlatti

Kein Pianist des 20. Jahrhunderts hat seine Zeitgenossen so fasziniert wie der 1950 jung verstorbene Dinu Lipatti. Seine Musikerkollegen brachten ihm ehrfürchtige Bewunderung entgegen, und sprachen in poetischen Worten von der "göttlichen Geistigkeit" (so Francis Poulenc) seines Klavierspiels. Sein dramatischer, letztendlich erfolgloser, Kampf gegen die Leukämie (mit beträchtlicher finanzieller Unterstützung durch u. a. Yehudi Menuhin, Igor Strawinsky, Charles Münch) war auch ein Wettlauf seiner Musik mit dem Tod:

"Eile wäre angebracht gewesen, auf Schallplatte zu bannen, was noch realisierbar war. Aber stattdessen forderte er Geduld. Vier Jahre veranschlagte er für Beethovens Es-Dur-Konzert, und an dem Tschaikowsky-Konzert, dem Schlachtroß aller Pianisten, wollte er mindestens noch drei Jahren arbeiten. Ihm genügte es nicht, ein Werk zu kennen; er brauchte das Gefühl, jede Note zu verstehen; was er seinen Schülern mit den Worten umschrieb: Es ist nicht nur wichtig, daß Sie die Komposition lieben. Drängen Sie nicht, denn das Stück muß Sie ebenfalls lieben." (Wolfgang Lempfried, in PianoForte. Zeitschrift für Klaviere und Flügel, Jg. 1 (1991), Heft 1, S. 26-35.)

Im Juli 1950, als es ihm seit einiger Zeit besser ging, entstanden Lipattis letzte Studioaufnahmen in Genf. Die folgenden zwei Wochen hat der damalige Produzent Walter Legge so beschrieben:

"Allein die Produktion der Chopin-Walzer nahm neun Tage in Anspruch - täglich drei bis sieben Stunden. Abgesehen von allen aufnahmetechnischen Problemen setzte Lipatti sich vornehmlich mit dem Aspekt auseinander, daß Chopins Walzer - anders als seine Etüden oder die Preludes - nicht ein geschlossenes Ganzes bilden, sondern nur durch den Titel und den Rhythmus zusammengehören. Er wollte die Unterschiede zwischen den einzelnen Walzern herausarbeiten und zeigen, daß Chopin sie in verschiedenen Schaffensperioden komponiert hatte. Nach sieben Sitzungen beschlossen wir, daß es für unsere Ohren nunmehr erholsam sei, Abstand vom Walzer-Rhythmus zu gewinnen, und wir begannen mit Bach. An diesem Abend spielte Lipatti die Bearbeitung des Flöten-Siciliano und wandte sich schließlich (und nicht zum letzten Mal) dem Choral 'Jesu bleibet meine Freude' zu. Am nächsten Tag produzierten wir Bachs B-Dur-Partita und beendeten sie noch vor dem Mittagessen. Abends dann nahmen wir die Mozart-Sonate auf. Es war Lipattis erste Mozart-Einspielung, aber sie war - vielleicht gerade deswegen - von einer unvergleichlichen Intensität. Die Phrasen nahmen menschliche Züge an und entwickelten sich vor dem geistigen Auge zu regelrechten Opern. Um zehn Uhr waren wir soweit fertig, aber für Lipatti gab es kein Halten mehr: Zum Leidwesen der Techniker, die erschöpft und müde waren, wollte er unbedingt noch die übrigen Walzer aufnehmen ..." (zitiert nach Lempfried).

Disk 1 Track 9: Frédéric Chopin: Valse in a minor Op. 34 No 2


TRACKLIST

DINU LIPATTI: PIANO FAVOURITES

CD 1                                                            64:06

FRÉDÉRIC CHOPIN (1810-1849)

01. Waltz No.4 in F Op.34 No.3 (Valse brillante)                02:12
02. Waltz No.5 in A flat Op.42 (Grande Valse)                   03:39
03. Waltz No.6 in D flat Op.64 (Minute Waltz)                   01:45
04. Waltz No.9 in A flat Op.69 No.1 (L'adieu)                   04:23
05. Waltz No.7 in C sharp minor Op.64 No.2                      03:06
06. Waltz No.11 in G flat Op.70 No.1                            01:56
07. Waltz No.10 in B minor Op.69 No.2                           03:32
08. Waltz No.14 in E minor Op.posth.                            02:43
09. Waltz No.3 in A minor Op.34 (Valse brillante)               04:49
10. Waltz No.8 in A flat Op.64 No.3                             02:53
11. Waltz No.12 in F minor \ A flat Op.70                       02:42
12. Waltz No.13 in D flat Op.70 No.3                            02:32
13. Waltz No.1 in E flat Op.18 (Grande Valse brillante)         04:36
14. Waltz No.2 in A flat Op.34 (Valse brillante)                04:32
15. Barcarolle in F sharp Op.60                                 08:29
16. Nocturne No.2 in D flat Op.27                               05:45
17. Mazurka No.3 in C sharp minor Op.50                         04:21

CD 2                                                            43:45

JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750)

Partita N. 1 in B flat major BWV 825

01. 1 - Prelude                                                 01:43
02. 2 - Allemande                                               02:39
03. 3 - Courante                                                02:50
04. 4 - Sarabande                                               05:08
05. 5 - Menuets I et II                                         02:29
06. 6 - Gigue                                                   02:21

07. Chorale Prelude "Nun komm', der Heiden Heiland"
(arr. Busoni) BWV 599                                       04:04

08. Chorale Prelude "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ"
(arr. Busoni) BWV 639                                       02:59

DOMENICO SCARLATTI (1685-1757)

09  Sonata in E major K380                                      02:39
10  Sonata in d minor K 9 "Pastorale"                           03:15

WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756-1791)

Piano Sonata in a minor KV 310

11  1 - Allegro maestoso                                        04:09
12  2 - Andante cantabile con espressione                       06:25
13  3 - Presto                                                  02:55


DINU LIPATTI, piano

ADD   
Recordings: 1947 (CD 1, 16 & CD 2, 11-12), 1948 (CD 1, 15) & 1950
(P) & (C) 2002
Cover Photo: Hulton Getty, Agenzia Laura Ronchi.


Disk 2 Track 2: J. S. Bach: Partita in B flat major BWV 825, No 2, Allemande


Dinu Lipatti, ein Werk des Bilderbeissers lordkepel

Linktipps:

Der von mir zitierte Artikel von Wolfgang Lempfried ist auch als ganzes sehr lesenswert. Herr Lempfried ist Klavierlehrer in Köln und betreibt die Homepage KölnKlavier, die lesenswerte Texte, u.a. über "Komponisten, Virtuosen & Skandale" bietet.

Der Bilderbeisser hat eine eigene graphische Technik entwickelt, Porträts zu verfremden bzw. deutlich zu machen, was ihm auch bei Dinu Lipatti gelungen ist (mit posthumen Grüßen an seinen Stiefvater Hans Joachim Storz).

Das Coverfoto konnte ich diesmal unter den 600.000 Bildern der Sammlung Getty Images (ehemals Hulton Archive) nicht identifizieren. Vielleicht hat einer meiner Followers mehr Glück, hier ist der Link. Ich habe aber eine Geschichte des Hulton|Archive angefunden.

Reposted on April 13, 2014

CD Info (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 20 MB
1fichier - Filepost - Depositfiles - Adrive

Unzip the x29.rar and read the file "Download Links.txt" for links to the FLAC+CUE+LOG files

2 Kommentare:

  1. THE CHAIRMAN: Schade, Nemo, irgendwie ist mein langer Kommentar von gestern im virtuellen Raum verloren gegangen. Danke & Glückwunsch also nochmals zu diesem Post - Lipatti ist ein grosser früher Meister. Kannst Du neben der EMI CLASSICS CD Bach Scarlatti, die ich selbst besitze, und dieser Comp. noch weiteres empfehlen? Und zu einem weiteren Meister (E. Kissin nannte ihn in der letzten FAS "einen Gott"): ich habe noch etwas von Artur Schnabel hören können - wo udn wie sollte ich anfangen? Thx + beste Gruesse: TC

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  2. Von Schnabel wird in diesem Blog noch etwas kommen: In circa 10 Tagen, kleinere Klavierwerke von Beethoven.

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