27. Oktober 2015

J. S. Bach – C. P. E. Bach: Magnificats

In der Musikgeschichte sind oft jene Zeitabschnitte von speziellem Interesse, die den Wechsel zwischen zwei Stilepochen markieren. Das gilt in besonderem Maße für den Übergang vom Barockzeitalter zur Frühklassik. Nicht nur das ästhetische Empfinden, sondern überhaupt das Selbstverständnis der Komponisten änderte sich in dieser Phase grundlegend. Bestand bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein die primäre Funktion von Musik noch in der Verherrlichung Gottes und der göttlichen Ordnung, so galt in der Folgezeit zunehmend der einzelne Mensch als Bezugspunkt.

Diesen Prozeß kann man anschaulich an Johann Sebastian Bach und seinem zweitältesten Sohn Carl Philipp Emanuel nachvollziehen. Wie die zahlreichen theologischen Bücher im Nachlaß Johann Sebastians zeigen, gründete sich die Geisteswelt des Thomaskantors auf einen orthodoxen Protestantismus, wonach der Künstler vor allem ein Diener Gottes (und der Obrigkeit) zu sein hatte. Carl Philipp Emanuel hingegen kam schon früh mit den Ideen der Aufklärung in Berührung und entwickelte offensichtlich ein distanzierteres Verhältnis zum christlichen Glauben. Nicht religiöse Erbauung, sondern allgemein die emotionale Bewegung des Menschen stand für ihn im Mittelpunkt. »Mich deucht, die Musik müsse vornemlich das Herz rühren«, heißt es denn auch in seiner Autobiographie von 1773. Vor diesem Hintergrund lassen sich die auf dieser CD enthaltenen Magnificat-Vertonungen der beiden Komponisten auf verschiedenen Ebenen miteinander vergleichen: zum einen in rein musikalischer, zum anderen in geistesgeschichlicher Hinsicht.

Das Magnificat zitiert einen Lobgesang Marias aus dem Lukas-Evangelium (I, 46-55) und wurde in seiner lateinischen Fassung bei Vespergottesdiensten an hohen Festtagen aufgeführt. Johann Sebastian Bach schrieb seine Vertonung zunächst in einer ersten Fassung in Es-Dur (BWV 243a) für das Weihnachtsfest 1723. Zwischen 1728 und 1731 fertigte er dann die hier eingespielte Version an, indem er die Instrumentation leicht abänderte und das Werk nach D-Dur transponierte.

Bachs Komposition besticht zunächst durch ihre Vielfältigkeit. Der Magnificat-Text ist insofern dankbar zu verarbeiten, als die einzelnen Verse von recht unterschiedlichem Inhalt sind und beispielsweise unmittelbar hintereinander von der Barmherzigkeit (»Misericodia«, Nr. 6) und der Gewalt (»Potentia«, Nr. 7) Gottes künden. So hat ein Komponist hier die Möglichkeit, auf engem Raum alle nur denkbaren Ausdrucksmittel zu verwenden. Bach setzt die einzelnen Textpassagen mit großem Einfühlungsvermögen um, wobei er mehrere zentrale Begriffe tonmalerisch hervorhebt. Auffallend sind in diesem Zusammenhang etwa das Wort »Deposuit« (»Er stieß hinab«, Nr. 8), dem eine energisch herausfahrende Figur unterlegt ist, oder der Abschnitt »Omnes generationes« (»alle Generationen«, Nr. 4), wo eine komprimierte, wogende Chorfuge die sich immer weiter fortpflanzende Menschheit illustriert.

Überhaupt sind die Chorsätze - wie meistens bei Bach - von einer beeindruckenden satztechnischen Dichte. Diese Dichte verkörpert nicht nur die Ästhetik jener Zeit, sondern soll zugleich die barocke Vorstellung vom göttlichen Weltgefüge abbilden, in dem alles nach einem höheren Plan zusammenwirkt. Dabei ist es für den Stil Johann Sebastian Bachs bezeichnend, daß der komplexe Tonsatz nie akademisch-spröde wirkt, sondern immer auch von einer mitreißenden Klanglichkeit ist.

Das Magnificat Carl Philipp Emanuel Bachs entstand 1749 und wurde nach Auskunft eines Thomasschülers noch zu Lebzeiten Johann Sebastians - also bis Mitte 1750 - zu einem Marienfest in Leipzig aufgeführt. Der 35jährige Komponist, der bis zu dieser Zeit kaum eigene Erfahrungen mit Vokalmusik gesammelt hatte, gestattete sich einige unüberhörbare Anleihen beim Magnificat seines Vaters. So sind die Abschnitte »Fecit potentiam« und »Deposuit« in beiden Vertonungen melodisch fast deckungsgleich. Doch obwohl Carl Philipp Emanuel manche Motive und Gestaltungsmuster übernahm, zeugen Ausdrucksgehalt und Satztextur von einem deutlich unterschiedlichen Stil. Exemplarisch für die Unterschiede zwischen beiden Werken wie für ihre Gemeinsamkeiten sind die jeweiligen Eröffnungssätze: In beiden Fällen gibt es eine strahlende, von Sechzehntelläufen geprägte Orchestereinleitung mit Streichern, Pauken, Holz- und Blechbläsern. Das in diesem ersten Vers zentrale Wort »Magnificat« wird darauf beide Male vom vollen Chor fanfarenartig - bei fast identischem Rhythmus - herausgestellt.

Während allerdings Johann Sebastian eine komplexe polyphone Struktur aufbaut, in der Gesangs- und Instrumentalstimmen nahezu gleichberechtigt ineinandergreifen, herrscht bei seinem Sohn ein homophon vorwärtsdrängender Duktus vor. Die Gesangsparts erscheinen als kompakter Block, dem das Orchester kaum als ebenbürtiger Dialogpartner, sondern vor allem als klangliches Fundament gegenübersteht. Wie der Eröffnungschor war wohl auch die Schlußfuge »Sicut erat« als Reminiszenz an den Vater gedacht; indessen zeugt dieser etwas langatmige Chorsatz nicht von besonderer Inspiration. Insgesamt gesehen stehen die Chöre hinter den (auch quantitativ bestimmenden) solistischen Gesangsnummern mit ihrem lyrischen, leicht opernhaften Einschlag zurück. Dabei erscheinen die Arien und das Duett »Deposuit potentes« in ihrem Ausdruck überaus differenziert und sorgfältig ausgearbeitet. Das Gefälle zwischen Chören und Solonummern im Magnificat des jüngeren Bach verdeutlicht beispielhaft den Wandel im Musik- und Weltverständnis jener Zeit: Nicht mehr das imaginierte Universum bewegt die Menschen am Ende des Barockzeitalters, sondern der neue Geist der Empfindsamkeit.

Quelle: Tobias Möller, im Booklet

El Greco: Entkleidung Christi, 1590-95, Öl auf Leinwand, 165 x 99 cm,
 Alte Pinakothek, München

TRACKLIST

J. S. BACH · C. P. E. BACH: MAGNIFICAT 

Johann Sebastian Bach     
(1685 - 1750)     

Magnificat in D major, BWV 243   

01 1. Magnificat anima mea (Chorus)                   3'14   
02 2. Et exsultavit spiritus meus (Soprano II)        2'35   
03 3. Ouia respexit humilitatem (Soprano I)           2'23   
04 4. Omnes generationes (Chorus)                     1'23   
05 5. Ouia fecit mihi magna (Bass)                    2'12   
06 6. Et misericordia (Alto, Tenor)                   3'58   
07 7. Fecit potentiam (Chorus)                        1'47   
08 8. Deposuit potentes (Tenor)                       2'26   
09 9. Esurientes implevit bonis (Alto)                3'14   
10 10. Suscepit Israel (Soprano I,Soprano II, Alto)   1'57   
11 11. Sicut locutus est (Chorus)                     1'31   
12 12. Gloria Patri (Chorus)                          1'56   

Carl Philipp Emanuel Bach     
(1714 - 1788)     

Magnificat Wq. 215     

13 1. Magnificat anima mea (Chorus)                   3'03   
14 2. Oula respexit humilitatem (Soprano)             6'15   
15 3. Ouia fecit mihi magna (Tenor)                   4'27   
16 4. Et misericordia (Chorus)                        5'24   
17 5. Fecit potentiam (Bass)                          4'25   
18 6. Deposuit potentes (Tenor, Contralto)            6'38   
19 7. Suscepit Israel (Contralto)                     4'18   
20 8. Gloria Patri (Chorus)                           1'58   
21 9. Sicut erat (Chorus)                             6'17   

                                         Total time: 77'27   
Soloists:

BWV 243: Walter Gampert, Soprano I;   
Peter Hinterreiter, Soprano II; 
Andreas Stein, Alto; 
Theo Altmeyer, Tenor;     
Siegmund Nimsgern, Bass Baritone     

Wq. 215: Elly Ameling, Soprano; 
Maureen Lehane, Contralto; 
Theo Altmeyer, Tenor;   
Roland Hermann, Bass     
TÖLZER KNABENCHOR     
COLLEGIUM AUREUM     

Recorded at Lenggries, July 1966 (Wq. 215) 
Mastering: Dr. B. Bernfeld 
Series Manager. Dr. Chr. Eisert 
Front Cover: Alte Pinakothek, München · El Greco (1541-1614): "Undressing of Christ" 
(P) + (C) 1995

Originalzeichnung Arthur Rimbaud

ARTHUR RIMBAUD · LE BATEAU IVRE
PAUL CELAN · DAS TRUNKENE SCHIFF
Comme je descendais des Fleuves impassibles,
Je ne me sentis plus guidé par les haleurs :
Des Peaux-Rouges criards les avaient pris pour cibles
Les ayant cloués nus aux poteaux de couleurs.

J'étais insoucieux de tous les équipages,
Porteur de blés flamands ou de cotons anglais.
Quand avec mes haleurs ont fini ces tapages
Les Fleuves m'ont laissé descendre où je voulais.

Dans les clapotements furieux des marées,
Moi, l'autre hiver, plus sourd que les cerveaux d'enfants,
Je courus! Et les Péninsules démarrées
N'ont pas subi tohu-bohus plus triomphants.

La tempête a béni mes éveils maritimes.
Plus léger qu'un bouchon j'ai dansé sur les flots
Qu'on appelle rouleurs éternels de victimes,
Dix muts, sans regretter l'œil niais des falots!

Plus douce qu'aux enfants la chair des pommes sûres,
L'eau verte pénétra ma coque de sapin
Et des taches de vins bleus et des vomissures
Me lava, dispersant gouvernail et grappin.

Et dès lors, je me suis baigné dans le Poème
De la Mer, infusé d'astres, et lactescent,
Dévorant les azurs verts; où, flottaison blême
Et ravie, un noyé pensif parfois descend;

Où, teignant tout à coup les bleuités, délires
Et rhythmes lents sous les rutilements du jour,
Plus fortes que l'alcool, plus vastes que nos lyres,
Fermentent les rousseurs amères de l'amour!

Je sais les cieux crevant en éclairs, et les trombes
Et les ressacs et les courants: je sais le soir,
L'Aube exaltée ainsi qu'un peuple de colombes,
Et j'ai vu quelquefois ce que l'homme a cru voir!

J'ai vu le soleil bas, taché d'horreurs mystiques,
Illuminant de longs figements violets,
Pareils à des acteurs de drames très-antiques
Les flots roulant au loin leurs frissons de volets!

J'ai rêvé la nuit verte aux neiges éblouies,
Baiser montant aux yeux des mers avec lenteurs,
La circulation des sèves inouïes,
Et l'éveil jaune et bleu des phosphores chanteurs!

J'ai suivi, des mois pleins, pareille aux vacheries
Hystériques, la houle à l'assaut des récifs,
Sans songer que les pieds lumineux des Maries
Pussent forcer le mufle aux Océans poussifs!

J'ai heurté, savez-vous, d'incroyables Florides
Mêlant aux fleurs des yeux de panthères à peaux
D'hommes! Des arcs-en-ciel tendus comme des brides
Sous l'horizon des mers, à de glauques troupeaux!

J'ai vu fermenter les marais énormes, nasses
Où pourrit dans les joncs tout un Léviathan!
Des écroulements d'eaux au milieu des bonaces,
Et les lointains vers les gouffres cataractant!

Glaciers, soleils d'argent, flots nacreux, cieux de braises!
Échouages hideux au fond des golfes bruns
Où les serpents géants dévorés des punaises
Choient, des arbres tordus, avec de noirs parfums!

J'aurais voulu montrer aux enfants ces dorades
Du flot bleu, ces poissons d'or, ces poissons chantants.
- Des écumes de fleurs ont bercé mes dérades
Et d'ineffables vents m'ont ailé par instants.

Parfois, martyr lassé des pôles et des zones,
La mer dont le sanglot faisait mon roulis doux
Montait vers moi ses fleurs d'ombre aux ventouses jaunes
Et je restais, ainsi qu'une femme à genoux ...

Presque île, ballotant sur mes bords les querelles
Et les fientes d'oiseaux clabaudeurs aux yeux blonds.
Et je voguais, lorsqu'à travers mes liens frêles
Des noyés descendaient dormir, à reculons!

Or moi, bateau perdu sous les cheveux des anses,
Jeté par l'ouragan dans l'éther sans oiseau,
Moi dont les Monitors et les voiliers des Hanses
N'auraient pas repêché la carcasse ivre d'eau;

Libre, fumant, monté de brumes violettes,
Moi qui trouais le ciel rougeoyant comme un mur
Qui porte, confiture exquise aux bons poètes,
Des lichens de soleil et des morves d'azur,

Qui courais, taché de lunules électriques,
Planche folle, escorté des hippocampes noirs,
Quand les juillets faisaient crouler à coups de triques
Les cieux ultramarins aux ardents entonnoirs;

Moi qui tremblais, sentant geindre à cinquante lieues
Le rut des Béhémots et les Maelstroms épais,
Fileur éternel des immobilités bleues,
Je regrette l'Europe aux anciens parapets!

J'ai vu des archipels sidéraux! et des îles
Dont les cieux délirants sont ouverts au vogueur:
- Est-ce en ces nuits sans fond que tu dors et t'exiles,
Million d'oiseaux d'or, ô future Vigueur? -

Mais, vrai, j'ai trop pleuré! Les Aubes sont navrantes.
Toute lune est atroce et tout soleil amer:
L'âcre amour m'a gonflé de torpeurs enivrantes.
Ô que ma quille éclate! Ô que j'aille à la mer!

Si je désire une eau d'Europe, c'est la flache
Noire et froide où vers le crépuscule embaumè
Un enfant accroupi plein de tristesses, lâche
Un bateau frêle comme un papillon de mai.

Je ne puis plus, baigné de vos langueurs, ô lames,
Enlever leur sillage aux porteurs de cotons,
Ni traverser l'orgueil des drapeaux et des flammes,
Ni nager sous les yeux horribles des pontons.
Hinab glitt ich die Flüsse, von träger Flut getragen,
da fühlte ich: es zogen die Treidler mich nicht mehr.
Sie waren, von Indianern ans Marterholz geschlagen,
ein Ziel an buntem Pfahle, Gejohle um sich her.

Ich scherte mich den Teufel um Männer und um Frachten;
wars flämisch Korn, wars Wolle, mir war es einerlei.
Vorbei war der Spektakel, den sie am Ufer machten,
hinunter gings die Flüsse, wohin, das stand mir frei.

Derweil die Tide tobte und klatschte an den Dämmen,
flog ich, und es war Winter, wie Kinderhirne stumpf,
dahin. Und wär es möglich, daß jemals Inseln schwämmen,
kein solcher Gischt umbraust' sie, kein ähnlicher Triumph.

Ein leichter Korken, tanzt ich dahin auf steiler Welle:
die erste Meerfahrt haben die Stürme benedeit.
Von solcher Welle heißt es, sie töte und sie fälle -
Die albernen Laternen der Häfen blieben weit!

So süß kann Kindermündern kein grüner Apfel schmecken,
wie mir das Wasser schmeckte, das grün durchs Holz mir drang.
Rein wuschs mich vom Gespeie und von den Blauweinflecken,
fort schleudert es das Steuer, der Draggen barst und sank.

Des Meers Gedicht! Jetzt konnt ich mich frei darin ergehen,
Grünhimmel trank ich, Sterne, taucht ein in milchigen Strahl
und konnt die Wasserleichen zur Tiefe gehen sehen:
ein Treibgut, das versonnen und selig war und fahl.

Die Rhythmen und Delirien, das Blau im rauchigen Schleier,
verfärbt sind sie im Nu hier, versengt sind sie, verzehrt:
so brannte noch kein Branntwein, kein Lied und keine Leier,
wie hier das bittre Rostrot der Liebe brennt und gärt!

Ich weiß, wie Himmel bersten, ich kenn die Dämmerungen,
die Strömung und die Dünung, die Woge, die sich bäumt,
die Früh - verzückt wie Tauben, die sich emporgeschwungen,
und manchmal sah mein Auge, was Menschenauge träumt.

Ich sah die Sonne hängen - mystisch geflecktes Grauen,
und violett, geronnen, Leuchtstreifen, endlos weit,
und sah die Fluten schaufeln und groß die Bülme bauen,
ein Schauspiel sah ich spielen, das alt war wie die Zeit!

Im Traum sah ich die Schneenacht, die grüne, sich erheben:
ein Kuß stieg zu den Augen der Meeres-Au empor.
Ein Kreisen wars von Säften, ein unerhörtes Weben,
und blau und gelb erwachte der singende Phosphor!

Ich folgt und folgt der Horde von wildgewordnen Kühen:
der See, die Klippen stürmte, folgt ich auf ihrem Ritt.
Vergessen wart ihr, Füße der leuchtenden Marien:
hier keuchten Meeresmäuler - sie schloß kein Heiligentritt!

Wißt ihr, ich lief auf Land auf, wie ihrs nicht schaut im Traume:
Des Menschenpanthers Augen - den Blumen beigesellt!
Ich sah im weitgespannten, im Regenbogenzaume
flutgrün die Herden ziehen am Grund der Meereswelt.

Ich sah, wie's in den Sümpfen, den Riesenreusen, gärte,
darin den Leviathan, verwesend zwischen Tang.
Und Wasserstürze sah ich, wo sich die Stille mehrte,
und schaute, wie die Ferne zur Tiefe niedersank!

Sah Gletscher, Silbersonnen, Gluthimmel, Perlmuttfluten,
den braunen Golf, wo greulich ein Wrack beim andern steht,
und sah die Riesenschlange, ein Fraß der Wanzenbruten,
vom Krüppelbaume fallen, von schwarzem Duft umweht!

Wo seid ihr, Kinderaugen, zu schaun die Herrlichkeiten!
Das Schuppengold der Welle, den Goldfisch, der da singt!
- Dies schaumumblühte Driften, dies Zwischen-Blumen-Gleiten!
Der Wind, der Wind unsäglich, der meine Fahrt beschwingt!

Und litt ich Pein, der Pole und Wendekreise müde,
so schluchzt' es in den Wassern, ich schlingerte dahin,
mit gelbem Saugnapf tauchte empor die Schattenblüte -
ein Weib, so blieb ich liegen, ein Weib auf Weibesknien.

Gewölle und Gezänke hab ich an Bord genommen,
ich war das Vogel-Eiland - blond äugte, was da flog.
Ich trieb mit loser Spante, ich schwamm und ward durchschwommen:
ein Leichnam um den andern, der rücklings schlafwärts zog.

Und ich - verstrickt, verloren im Haar geheimer Buchten,
hinauf ins Vogellose geworfen vom Orkan:
sie fahren nicht, die Klipper, die Koggen, die mich suchten,
des wassertrunknen Rumpfes nimmt sich kein Schlepptau an.

Frei war ich und ich rauchte, von Nebelblau bestiegen,
ich stieß durch Feuerhimme!, ich stieß sie alle ein,
und was den Dichtern mundet, das fühlt ich auf mir liegen:
es waren Sonnenflechten, es war azurner Schleim.

Ich - mondgefleckt, elektrisch: die tollgewordne Planke!
Seepferdchen kam in Scharen und war mein schwarzer Troß.
Ihr Himmel blau und tiefblau, ich sah euch alle wanken,
ich sah, wie euch der Juli durch Glutentrichter goß!

Der Behemoth, der Mahlstrom durchstöhnte jene Breiten,
ich spürte beider Brunstlaut - ein Schauder ging durch mich,
ich schwamm und schwamm durch blaue, durch Regungslosigkeiten
- Europa, deine Wehren, die alten misse ich!

Und ich sah Inselsterne, sah Archipele ragen,
darüber Fieberhimmel - das Tor der Wanderschaft!
- Hats dich dorthin, ins Nächtige und Nächtigste verschlagen,
du goldnes Vogeltausend, du künftige, du Kraft?

Doch wahr, genug des Weinens! Der Morgen muß enttäuschen.
Ob Nacht-, ob Taggestirne, keins, das nicht bitter wär:
ich schwoll von herber Liebe, erstarrt in Liebesräuschen -
o du mein Kiel, zersplittre! Und über mir sei, Meer!

Und gäb es in Europa ein Wasser, das mich lockte,
so wärs ein schwarzer Tümpel, kalt, in der Dämmernis,
an dem dann eins der Kinder, voll Traurigkeiten, hockte
und Boote, falterschwache, und Schiffchen segeln ließ'.

Wen du umschmiegt hast, Woge, um den ist es geschehen,
der zieht nicht hinter Frachtern und Baumwollträgern her!
Nie komm ich da vorüber, wo sich die Fahnen blähen,
und wo die Brücken glotzen, da schwimm ich nimmermehr!

Henri Fantin-Latour: Tischecke, 1872, Öl auf Leinwand, 160 x 225 cm,
Musée d'Orsay, Paris ·
Sitzend, von links nach rechts: Paul Verlaine, Arthur Rimbaud,
Léon Valade, Ernest d'Hervilly, Camille Pelletan
 Stehend: Pierre Elzéar, Emile Blémont, Jean Aicard.

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CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 31 MB
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Reposted on April 25, 2019

Dem Infopaket liegt ein deutsch-französischer Text über Arthur Rimbaud bei (© Dieter Koller)