29. Dezember 2017

Franz Liszt: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2, Totentanz, Ungarische Fantasie

Franz Liszt - Ein Begründer des modernen Klavierspiels

Carl Czerny – Der erste Lehrmeister

Im November 1820 stellte Adam Liszt seinen 9-jährigen Sohn Ferenc das erste Mal in einem Konzert in Ödenburg der Öffentlichkeit vor. Franz Liszt spielte das Klavierkonzert Es-Dur von Ferdinand Ries und improvisierte über vorgegebene Themen. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt erst 3 Jahre bei seinem Vater Klavierunterricht erhalten hatte, war der Erfolg bei diesem und einem folgenden Konzert beim Fürsten Esterházy in Preßburg so durchschlagend, dass ihm ein Stipendium in Aussicht gestellt wurde. Somit übersiedelte sein Vater 1822 mit ihm nach Wien, um bei Johann Nepomuk Hummel Unterricht zu nehmen. Wegen zu hoher finanzieller Forderungen Hummels, der als Schüler Mozarts übrigens eine andere Tradition des Klavierspiels als Czerny verkörperte, landete Liszt aber schließlich beim Beethoven-Schüler Czerny, der ab Mai 1822 für 14 Monate sein Lehrer wurde. Bei Czerny wurden die technischen Grundlagen vermittelt und vor allem auch Blattspielen und Improvisation gepflegt, sodass Liszt bald auch imstande war schwierige Kompositionen öffentlich prima vista vorzutragen.

Czerny selbst war von 1800 bis 1803 Schüler Beethovens und stellt somit ein Bindeglied in der Tradition pianistischer Ausbildung zwischen diesem und seinem berühmtesten Schüler dar. Neben Liszt sind als Schüler Czernys Theodor Kullak und vor allem Theodor Leschetitzky, der selbst Begründer einer eigenen Tradition wurde, zu nennen. „Czerny unterrichtete nicht nach vorgegebenen Grundsätzen, sondern war der Ansicht, in der Praxis könne es keine allgemeingültige Lehrmethode geben. Das ging seiner Ansicht nach bis zu den Fingersätzen für die nach Breite, Größe und Form verschiedenen Hände. Jedes Musikstück musste danach der entsprechenden Hand angepasst werden…. Wenn Liszt und Leschetitzky weitergaben was sie von Czerny empfingen, ist Czerny wohl als der Schöpfer des modernen Klavierspiels zu betrachten.“

In der Folge wurde dann ab 1824 in Paris Liszt wieder von seinem Vater unterrichtet. Mehr und mehr lernte er aber in den kommenden Jahren seine Verantwortung als Autodidakt wahrzunehmen. Und zwar nicht nur in klaviertechnischer Hinsicht, sondern auch was Allgemeinbildung betraf: Homer, Plato, Byron, Lamartine und andere gehörten zur täglichen Lektüre.

Franz Liszt in einer zeitgenössischen Karikatur
Die Entwicklung der Klaviertechnik bis Liszt

Die Entwicklung des Klavierspiels ist in besonderer Weise am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert mit kompositorischen Neuerungen wie auch der damit in wechselseitiger Beziehung stehenden Entwicklung des Instruments verknüpft. So baute etwa Erard 1796 seinen ersten Hammerflügel mit einer weiter verbesserten englischen Mechanik. Ein Instrument dieser Konstruktion wurde 1803 auch ein Geschenk an Beethoven, wobei die nunmehr geschaffene „doppelte Auslösung – double échappement“ als später von Herz 1840 weiterentwickelte Repetitionsmechanik in der Folge für die Virtuosenliteratur der Romantik eine unerlässliche Bedingung wurde. Ein Prozess notwendiger Entwicklungen des Klavierbaus für die jetzt geforderten technischen Probleme, welcher um 1880 im Wesentlichen abgeschlossen war, sodass seit dieser Zeit das Klavier trotz verschiedener Klangideale in der Konstruktion nahezu unverändert blieb.

Schon die Klavierwerke Beethovens, aber noch viel mehr die Klavierwerke der Romantik verlangten sukzessive eine neue Technik. Die ältere Technik mit ruhiger Hand und primären Fingerspiel erwies sich immer weniger adäquat. Vielmehr wurden die Finger zunehmend als Endglieder des Arms verstanden und zur Gewichtsübertragung usw. eingesetzt. Eine Entwicklung die viel später ihre theoretische Aufarbeitung bei Breithaupt in seiner „Grundlage des Gewichtsspiels“ erfuhr. Während nach Ph.E. Bach primäres Fingerspiel mit relativ stark gebeugtem Finger üblich war, weist etwa Kalkbrenner bereits 1830 darauf hin, dass man mit dem fleischigen Teil des Fingers spielen müsse, also mit der Fläche statt mit der Spitze des vordersten Fingerglieds, was später als Polstertechnik definiert wurde. Nur so könne man auf dem Pianoforte einen runden und warmen Ton erzeugen.

Über Beethovens Schüler Czerny und seine Schüler Liszt und Leschetitzky wird in der Folge die Richtung des Klavierspiels im 19. Jh. vorgegeben, wobei andere Traditionen wie etwa Mozart-Hummel sowie die Tradition Chopins weitere Anteile lieferten. Czernys Etüdenwerk geht zwar von der Fingertechnik aus, vor allem unter dem Aspekt der Ausdauer, Geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit, in späteren Jahren jedoch schon darüber hinaus. So schreibt er in seiner Klavierschule 1846 im Kapitel „Von dem Vortrage“, dass gewisse Musik auch die Kraft des Arms benötige. In seinem Spätwerk Opus 821, erschienen 1853 (also etwa zeitgleich mit den 6 Paganini-Etüden Liszts) welches eigentlich die Zusammenfassung aller bis etwa 1850 üblicher Bewegungsformen darstellt, finden wir Repetitonstechnik, Sprünge, Akkordtechnik usw., die sich nur noch mit Beteiligung des Arms bewältigen lassen.

Josef Danhauser: Liszt am Flügel, 1840. Alte Nationalgalerie, Berlin
 [Quelle und Bildbeschreibung]
Nach Wien wird in der Folge ab den 1830er Jahren Paris die Wirkungsstätte bedeutender Virtuosen der Zeit. Neben Kalkbrenner und Thalberg wirkt als Ausnahmeerscheinung und Antipode Liszts Chopin. Chopin kannte wie kein anderer die klanglichen Möglichkeiten das Klaviers, wobei sich sein Klaviersatz primär nach den Obertonmöglichkeiten des Instruments gerichtet hat. Somit kommt durch ihn der Pedaltechnik auch mit Halb- und Viertelpedalen eine besondere Bedeutung zu. Wenn man Klanggestaltung und Artikulation als Ergebnis der Anschlagstechnik versteht, so kommt ihm aufgrund seines enormen Differenzierungswillens und den daraus resultierenden Spielanweisungen wie leggierissimo, leggierissimo e legatissimo, ben legato, jeu perlé usw, teilweise auch aus der Gesangstechnik (parlando, portamento) auch in technischer Hinsicht große Bedeutung zu. Charakteristisch für ihn die Geschmeidigkeit des Bewegungsablaufes, bei der das Handgelenk sozusagen als „Atmungsorgan“ fungiert.

Das Klavierwerk Liszts in seiner Bedeutung für Neuerungen der Technik

Neuerungen im Klaviersatz erzwingen für Liszt und jene, die seine Werke spielen, neue technische Notwendigkeiten. Wie also eine sich organisch verändernde Technik aus den Veränderungen im Instrumentenbau resultiert, so nunmehr verstärkt aus den Werken selbst, wobei Liszt jeweils primär aus der geistigen wie auch akustischen Vorstellung intuitiv neue Bewegungsformen schafft. Nur einmal und zwar viel später 1868 in den 3 Bänden seiner technischen Studien versucht er sozusagen exemplarisch die inzwischen längst gängigen Spielformen zu katalogisieren und dem Lernenden ein Übungsmaterial zur Verfügung zu stellen.
1868 unternahm Liszt mit seinem Theologielehrer Antonio Solfanelli eine Reise nach Grottamare an der Adria-Küste, wo er nicht nur täglich theologische Texte las, sondern auch seine 3 Bände der Technischen Studien begann, die sozusagen ein Brevier darstellen, eine Substrat dessen, was sich an Schwierigkeiten in seinen Werken findet. Liszt hatte während der Arbeit kein Klavier zur Verfügung, notierte auch nur einen kleinen Teil, der Rest entstand im Kopf und wurde mit Ergänzungen 2 Jahre später fertiggestellt. Die Übungen stellen dabei vor allem auch geistige und vorstellungsmäßige Herausforderungen: Zum Beispiel werden Tonleitern – abwechselnd rechts und links gespielt – verlangt oder aber Arpeggios werden zu Tonleitern, wenn sie aus diesen – rechts und links versetzt gespielt – entstanden sind. Übungen, die für das Ohr wie auch Entspannung sowie Anpassung an die Tastatur höchste Anforderungen stellen.

Hubert von Herkomer: Franz Liszt am Klavier.
Schwarze Kreide und Tinte auf Papier, 69 x 97 cm.
Neue Fingersatzvarianten und Aufteilungen bringen nicht nur eine Fortsetzung der Überlegungen Czernys mit sich, was den anschlagsmäßigen Ausgleich der 5 Finger mit ihren ursprünglich sehr unterschiedlichen Qualitäten anlangt, ebenso neue Möglichkeiten, was Geschwindigkeit betrifft, sondern auch vor allem im Bereich der Dynamik durch Integrierung von Masse und Geschwindigkeit des Arms.

Werfen wir nun einen Blick vom Substrat zum Klaviersatz selbst mit seinen unzähligen Neuerungen: Aufbauend auf die satztechnischen Mittel der Wiener Klassik stößt Liszt in Paris zuerst auf Kalkbrenner und seine neuartigen Spielformen: Das Übereinandergreifen der Hände in vielen Varianten sowie ausgeprägte Sprungtechnik. Ziemlich früh übernimmt Liszt auch den damals aufkommenden Brauch, die Melodie in die Tenorlage zu versetzen. Damit entstehen mit der sogenannten Daumenmelodie, wobei der Daumen auch abwechselnd links und rechts zum Einsatz kommt, neue Varianten der Umspielung. In der Folge wird abwechselnd die Melodie auch oktaviert eingesetzt, etwa in der Bearbeitung des Ave Maria von Schubert.

Auch was die Geläufigkeitstechnik anlangt, verlangt Liszt aufgrund der vorgeschriebenen Geschwindigkeit Neuerungen, und zwar den Verzicht auf den Daumenuntersatz in Skalen und die jeweilige Fingerfolge 1 bis 5 im schnellsten Tempo.

Somit kommt nun dem Armschwung eine viel größere Bedeutung zu als der Fingerbewegung. Eine Spielweise, die übrigens später Busoni in seiner Klavierübung in 10 Bänden in allen Varianten – sprich Verzicht auf den Daumenuntersatz – einfordert. Durch den Armschwung in seinen verschiedenen Formen wird zwangsläufig somit der Fingersatz revolutioniert.

Das Ineinandergreifen beider Hände in Läufen und auch in Oktaven ermöglicht sozusagen eine doppelte Geschwindigkeit, indem 2 Bewegungsabläufe synchron aber zeitversetzt parallel ablaufen. Zusätzlich wird durch die Integrierung des Armes auch in Läufen eine gesteigerte Dynamik ermöglicht.

Louis Held: Franz Liszt in seinem Arbeitszimmer in Weimar, um 1884.
 [Quelle]
Die Spieltechnik erreicht somit neue Dimensionen in Hinblick auf Tempo, Dynamik und Verwendung aller Register des Klaviers, wobei für Liszt mit zunehmenden Alter das Klavier immer mehr als Vermittler ganzheitlicher poetischer, literarischer und weltanschaulicher Ideen wird, was vom Interpreten den ganzen Menschen einfordert und die Technik immer mehr als Ergebnis eines geistigen Prozesses versteht. Während Liszt noch in der Pariser Zeit in den 1830er Jahren selbst für ein tägliches Üben ausschließlich von technischem Material plädiert, wird für ihn in der Folge Technik immer mehr gleichbedeutend mit Ausdruckfähigkeit.

Liszt als Lehrer in der Überlieferung von August Göllerich

Wenden wir uns abschließend noch kurz den in gewisser Weise auch kuriosen Tagebuchaufzeichnungen von August Göllerich zu, der uns über den Unterricht von Liszt aus den Jahren 1884-1886 berichtet. Ob Göllerich seine Aufzeichnungen im Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung verfasst hat, ist ungewiss. Jedenfalls war er sich der Bedeutung der Situation bewusst, zumal es sich beim Schülerkreis aus den letzten Lebensjahren fast ausschließlich um konzertierende Pianisten handelte, wie etwa Sophie Menter, Emil v. Sauer und Moritz v. Rosenthal. Nachdem Liszt selbst in seinem Denken und seiner Übungsweise vom primär mechanistischen Ansatz zu einer ausschließlich von der Vorstellung geleiteten Spielweise übergegangen ist, hat diese auch seinen Niederschlag im Unterricht gefunden. Und nachdem man auch von einer Entwicklung innerhalb eines Pädagogenlebens ausgehen sollte, kommen somit seinen Statements am Lebensende besondere Bedeutung zu.

„Die Belehrungen, die Liszt seinen Schülern erteilte, sind aufschlussreich. Mehrfach begegnen wir etwa seinem Vorschlag, den 4. Finger auf den Obertasten zu benützen. Liszt wurde einmal gefragt, ob man wohl auch den 3. Finger nehmen dürfe, worauf er entgegnete, er nehme ihn selbst oft, doch habe er ja eigentlich nicht Klavierspielen gelernt… Viele seiner Anweisungen sind mit sarkastischen Anweisungen durchsetzt. Zuweilen macht er sich auch über seine eigenen Klavierwerke und sein Klavierspiel lustig.“

Franz Hanfstaengl: Franz Liszt am Klavier. Pigmentdruck, circa 1869.
Die bilderreiche Sprache, die faktisch nur auf Interpretation und Gestaltung reflektiert, kann nicht nur beispielhaft sein in der Strenge der Beurteilung, sondern auch in der Fähigkeit, Kritik in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, wobei die Hoffnung der Schüler, vom Meister vor allem technische Anweisungen zu erhalten, durchwegs nicht erfüllt wurde.

Ohne näher auf die konkrete Unterrichtssituation einzugehen, abschließend 2 Unterrichtschilderungen Göllerichs mit Beispielen für die sehr bilderreiche Sprache, die in wenigen Worten – oft auch erheiternd – zu veranschaulichen in der Lage ist, was unter Umständen in einer operationalisierten Form modernistischer Pädagogik nicht möglich erscheint. Ja, es scheint so zu sein, nur wer wie Liszt ohne Rücksicht in seinen Anforderungen an sich selbst agiert, findet diese Stringenz in Wortwahl und Ansprüchen, welche die Kunst einfordert, normal.

Beispiel 1: Weimar, Juni 1884, Chopin. Nocturne c-Moll:

Die erste Dame spielte das Thema am Beginn ungeheuer sentimental und zerrissen, worauf sich der Meister setzte und in weiter, breiter Weise spielte. Das Fräulein wiegte sich in ihrem Spiel immer hin und her, worauf der Meister sagte, halten sie sich ganz ruhig, Kind. Dann kam er auf das moderne Zerreißen aller Themen zu sprechen und sagte: “Pfui Teufel, das ist schon gegen allen Anstand… ja, das sind die Priesterinnen der Kunst, die wollen Chopin einmal zur Geltung bringen. Ja meinen sie denn, das hat vor ihnen noch niemand gespielt? Nur nicht diese äußerliche Verinnerlichung…. Zu Ihnen kann man sagen, wie zu Ophelia - gehen sie in ein Kloster, gehen sie in ein Konservatorium.“ Zur zweiten Dame sagte er bei der gleichen Stelle: “Das kann ich Ihnen nicht zeigen, das muss Ihnen Ihr eigenes Gefühl eingeben, das kann Ihnen nicht einmal ein Herr Professor zeigen, der ich wohl nicht bin.“

Beispiel 2: Weimar, Juni 1885, Liszt: Aus den Transzendenten Etüden: Nr. 7, Eroika mit August Göllerich als Schüler

Anfang sehr energisch und fest. An der Stelle, wo das Thema mit den Oktaven kommt sagte er: “Nicht so lustig und wie zum Tanze, sondern tüchtig dreinhauen, die Kerle sollen einmal ordentlich geohrfeigt werden. Sie haben das ganze Stück nicht männlich, sondern etwas fräuleinhaft gespielt.“ Unter anderem sagte der Meister dann folgendes: „Diese Geschichte erzähle ich gerne. Der Wiener Komiker Blasel gastierte in Genf und auch sonst im Auslande. Als er zurückkam, fragten ihn seine Freunde, was er alles gelernt habe und er antwortete: gelernt hab ich nichts, aber arrogant bin ich geworden.“

Quelle: Gottfried Hemetsberger, auf seinem Portal www.hemetsberger-piano.com (Auszüge)


Track 7: Piano Concerto No. 2 A major - II. Quasi adagio


TRACKLIST


Franz Liszt: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2


Klavierkonzert Nr.1 Es-Dur S 124

[01] I   Allegro maestoso                5.42
[02] II  Quasi adagio                    4.5l
[03] III Allegretto vivace               4.14
[04] IV  Allegro marziale animato        4.08

[05] Totentanz S 126                    14:58

Klavierkonzert Nr.2 A-Dur S 125

[06] I   Allegro maestoso                3.55
[07] II  Quasi adagio                    3.11
[08] III Allegretto vivace               6.13
[09] IV  Allegro marziale animato        2.52
[10] V   Allegretto vivace               4.15
[11] VI  Allegro marziale animato        1.36

[12] Ungarische Fantasie S 123          14.28

                    Gesamte Spieldauer: 70.21

Klavier: Georges Cziffra
Orchestre de Paris
Dirigent: György Cziffra Jr

That's Classic (P) 1987 
(C) 



Historisch-Musische Anagrammatik


- III -

Verwürfelt man die Buchstaben eines Wortes oder eines Satzes so geschickt, daß sich ein anderes Wort oder ein anderer Satz ergibt, so spricht man von (sinnvollen) Anagrammen. ALS ist ein Anagramm von LAS, ein Satzbeispiel ist die Deutung der Pilatusfrage auf den anwesenden Christus: Aus QUID EST VERITAS? entsteht EST VIR QUI ADEST!

Als weitere Beispiele seien dargeboten:

Hölderlin in der Höll, Mantel und mental
Vorlesung und Verlosung, Akzente und Azteken,
Modena, Adenom, Daemon, Domaen’,
Nomade und Monade,

Kaiser und Karies, Peron und Opern,
Adolf Hitler und Folter-Hilda‚
Alboin, Albion und Albino,
Eiland und Daniel, Insel, Linse, Niels, Sielen und senil,
Baku, Kaub und Kuba, Israel, Salier und Relais, Texas und Sexta,
Turan‚ Natur, Unart und Unrat, Theodor und Herodot,
Tierleben und Leibrente, Ella und alle, Stella im Stalle, Hella in der Halle,
Bella auf dem Balle...

Aus EINS macht SENI SEIN, und NIKSE ist KEINS.


Auch MINIMAX und MAXIMIN weisen dieselben Buchstaben auf. Eine Firma prägte einst für ihren Naßlöscher den einprägsamen Werbespruch

Feuer breitet sich nicht aus,
Hast du MINIMAX im Haus.

Stefan George (1868 bis 1933), dieser Träger eines Traumes. von Weihe, Höhe und Ferne (so sein Verehrer Friedrich Gundolf), der Verächter der Masse, des Weibes und alles Fremden, zog den Münchener Schüler Maximilian K. in seinen Kreis und besang ihn unter dem Namen Maximin als Inkarnation des Göttlichen. Damals entstand im amüsierten Kreis der Kollegen, die nicht zum Kreis der geistigen Elite gehörten, der vergnügte Zweizeiler (George schrieb fast alles klein, außer (Gott und - vielleicht — Sich.)

frauen breiten sich nicht aus,
hast du MAXIMIN im haus.

Schon den »Geschwistergöttern«‚ dem Pharaonenpaar PTOLEMAIOS (II.) und ARSINOE (II.) schmeichelten die alexandrinischen Hellenisten durch die Anagramme APO MELITOS (= von Honig) und ION 'ERAS (= Veilchen der Hera). Ein französisches Prachtexemplar ist REVOLUTION FRANCAISE, sie sollte vom votierten Konsul Napoleon Bonaparte beendet werden — UN CORSE VOTÉ LA FINIRA —, bis er gestürzt wurde und Frankreich wieder seinen König wollte — LA FRANCE VEUT SON ROII — (II für Y, damals schrieb man ROY).

- IV -

Zu den Anagrammen gehören auch die Schüttelreime. Sie sind allerdings mehr fürs Ohr als fürs Auge geschaffen, so die reizenden Verse auf Johann Peter Eckermann, den Gesprächsempfänger von Goethes Exzellenz in deren letzten Lebensjahren (und durch ihre Munifizenz Doktor gar), welcher als Hütejunge in Winsen an der Luhe begonnen hatte:

Kein Windeshauch die LUHE REGT,
Ganz Winsen sich zur RUHE LEGT,
Da hebt Gemuh, GeMECKER AN,
Die Herde heim treibt ECKERMAN(n).

Dieses Reimemeisterstück stammt von dem Verleger und Goethesammler Anton Kippenberg (1874 bis 1950), der sich als nom de plume aus seines Namens Buchstaben Benno Papentrigk gebosselt hat. Sein Freund und Schüttelrivale, der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder (1878 bis 1947), veranagrimmassierte sich in Lewi P. Rindmehl. Beide versuchten den kürzesten Schüttelreim zu finden (du bist Buddhist — ik war Vikar) — der eine wurde verfaßt von dem einen, der andere von dem anderen (es kann aber auch umgekehrt gewesen sein).

Alexander Moszkowski schrieb den Buddhisten-Reim seinem Redaktionskollegen Gustav Hochstetter zu. Eine andere Kurzschüttelei (Latente Talente) brachte Kuno Graf Hardenberg in »Die Cigarettendose« 1924 (fast) zum ersten Mal; Fr. Theodor Vischer hatte bereits 1879 in seinem Roman »Auch Einer« den Schwaben Talent, aber latent zugesprochen.

Die erste Einzelschrift voller Schüttelreime erschien gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, zwei Techniker waren die Verfasser, Dr.-Ing. Rudolf Skutsch (gest. 1929) und sein Chemiker-Vetter Dr. Hans Gradenwitz (gest. 1932), beide zur Sippe der schlesischen Fraenkel-Pinkus gehörig - sie verschränkten ihre Vor-namen zu dem des Autors Harun Dolfs.

Recht (aber zu Unrecht) gehässig klingt Gundolfs (schwacher) Schüttelreim auf den Grafen Hermann Keyserling (1880 bis 1946):

Als Gottes Atem leiser ging,
Schuf er den Grafen Keyserling.

Gundolf stammte aus Darmstadt, und dort hatte der Philosoph Keyserling die »Schule der Weisheit« gegründet (in welcher der Weg zur Vollendung gezeigt werden sollte), und die Zeitschrift »Der Leuchter« herausgegeben.

Die Strafe für seine Häme folgte Gund auf den Versen (wie Julius Stettenheim gewitzelt hätte) - Keyserling antwortete, nicht erschüttert und nicht schüttelnd:

Dann ward sein Atem noch geringer und er schuf Friedrich Gundelfinger.

Gundolf, von dem sich Meister Stefan George trennte, als der Jünger heiratete, wollte seine Herkunft als schlichter Gundelfinger (so hieß sein Vater, Mathematikprofessor an der technischen Hochschule Darmstadt) am liebsten vor sich und aller Welt verbergen - daher traf in Keyserlings Antwort ins Mark, ja tiefer noch, bis in die, ja wie ein Biß in die Gene.

Kurt Tucholsky (1890 bis 1935, Selbstmord im Exil) konnte den Grafen wegen seines gestelzten Gehabes auch nicht leiden (K. gehörte zu den Menschen, die nicht »ich«, sondern stets »ich persönlich« sagen), er nannte ihn unfein den Darmstädter Armleuchter und antwortete auf die Frage Der Weg zur Vollendung? mit dem Hinweis: Den Gang entlang, letzte Tür links.

Von all solchen Anekdoten gibt es Varianten, so auch hier: Nicht Gundolf, sondern Artur Schnabel habe Gottes Atem leiser gehen lassen, und Keyserlings Gegengeschüttel sei gewesen:

Am Anfang war auch Schnabel nur
Das Ende einer Nabelschnur.

Der Pianist Artur Schnabel (1882 bis 1951) lehrte bis 1933 an der Berliner Musikhochschule und ging dann in die Emigration.

Ein absonderlicher Satz (aus dem Jahre 1967) von Manfred Hanke, dem Erforscher der Schüttelreimlinge und ihrer Absonderungen, sei hier im Hinblick auf das vorige und das nächste Kapitel nicht unterdrückt, sondern eingerückt:

Der Schüttelreim pflegt zu verblüffen, er weist den Weg zu einer neuen Lesart — ähnliches geschieht im uralten Magischen Quadrat.

- V -

In früheren Zeiten verschlüsselten manche Gelehrte den Kernsatz ihrer Entdeckung und veröffentlichten das Anagramm, um sich die Priorität zu sichern, noch bevor ihre Arbeit erschienen war.

Am wenigsten Mühe gab sich (mit Recht) der Oxforder Professor für Geometrie Robert Hooke (er erfand übrigens eine Kreisteilmaschine); er ließ 1679 in den »Philosophical tracts and collections«, London, vierzehn Buchstaben in alphabetischer Folge einrücken:

C E III N O SSS TT U V

Richtig gestellt, ergeben sie den Hookeschen Satz über die Elastizität
UT TENSIO SIC VIS.

Genau so ging der Verfasser des abenteuerlichen Simplizissimus vor — er nannte sich
A C EEE FF G HH II LL MM NN OO RR SSS T UU

Erst 1837 entdeckte man, daß Christoffel von Grimmelshausen dahinter steckt. (In der »Continuatio« von 1669 schlüpfte er in das perfekte Anagramm German Schleifheim von Sulsfort.)

Galilei plagte sich mehr -: er teilte am 11. Dezember 1610 dem Brieffreund Kepler die Entdeckung der Venusphasen in dem rätselhaften Satz mit: HAEC IMMATURA A ME IAM FRUSTRA LEGUNTUR O.Y. Dies anagrammatische Enigma zu lösen ist wirklich nicht leicht, Galilei hatte darin den Hexameter verborgen CYNTHIAE FIGURAS AEMULATUR MATER AMORUM.

Da gerade von astronomischen Dingen die Rede ist (es gibt übrigens auch ein Galileisches Anagramm über seine Entdeckung des Saturnrings), sollte man hier Gauß nicht vergessen. Er hat bekanntlich unter vielem anderen Bedeutenden die Bahn der (den Sternsuchern verloren gegangenen) Ceres berechnet, so daß dieser erstentdeckte Planetoid von Gaußens väterlichem Freund Wilhelm Olbers (1758 bis 1840) am 1. Januar 1802 wiedergefunden werden konnte. Drei Monate später stöberte Olbers den zweiten Planetoiden auf, die Pallas. Sie zeichnet sich (darin mancher Diva gleich) durch große Exzentrizität und starke Neigung der Bahn aus und ist deswegen sehr durch die großen Planeten beeinflußbar. Gauß hat sich intensiv mit der Pallas-Bewegung beschäftigt und veröffentlichte sein wichtigstes Ergebnis 1812 (dem Jahr, in dem Europa gebannt und gespannt auf Napoleons Zug nach Moskau starrte) in folgender einfacher, wenn auch nicht verständlicher Form:

1111000100101001

Sein Kommentar zu diesen Ziffern (in den Göttinger Gelehrten Anzeigen Nr. 67) schloß: Aus Gründen legen wir es [ein Resultat von höchstem Interesse] hier in folgender Chiffre nieder, wozu wir zu seiner Zeit den Schlüssel geben werden. Aber er hat ihn niemals herausgerückt - und die Botschaft ist erst vor einigen Dekaden ent-ziffert worden, und das, obwohl man wußte, was sie bedeutet. Denn Gauß schrieb am 5. Mai 1812 an Bessel, sie enthalte den Satz, daß der Quotient der mittleren Bewegungen von Jupiter und Pallas um den festen rationalen Wert 7 / 18 hin- und herschwankt, daß also hier eine Libration besteht. Das Interesse der Knobler an Gaußens dyadischem Rätsel [Lösung: 7/(8) = 18/(9); (8) = Pallas-, (9) = Jupiter-Umlauf] ist minimal (das soll heißen praktisch gleich Null), wohl aus Mangel an Sachkenntnissen - wer weiß schon auf Anhieb, daß das den Kreuzworträtselern nicht präsente Wort Libration kein Druckfehler für Leibration ist, auch weder etwas mit Befreiung noch mit Buchzuteilung zu tun hat, sondern ganz einfach Schwankung bedeutet (libra die Waage)? Reizvoller erscheint es ihnen offenbar, sich mit einem Monstrum zu beschäftigen, das in Shakespeares »Liebes Leid und Lust« (V, 1) der Bauernclown Costard dem Pagen Moth verwirft: … du bist um einen Kopf kürzer als

HONORIFICABILITUDINITATIBUS.


Briten und Deutsche, welche um die letzte Jahrhundertwende die Theorie verfochten, Shakespeares (1564 bis 1616) Werke stammten in Wirklichkeit von Francis Bacon, Baron Verulam, Viscount Saint Albans (1561 bis 1626), fanden eine Bestätigung dafür in obigem Dreizehnsilber. Dieser sei ein Anagramm, man könne aus ihm, ohne einen Buchstaben hinzuzufügen oder wegzulassen, den Satz bilden HI LUDI F. BACONIS NATI TUITI ORBI (Diese Spiele, von F. Bacon geschaffen, sind für die Welt bewahrt). Sir E. Durning-Lawrence hat 1910 darüber ein Buch unter dem Titel »Baconis Shakespeare« veröffentlicht; aber die Profikryptologen W.F. und E.S. Friedmann haben seine und anderer Deutungen als unzureichend bezeichnet (»Shakespeare’s ciphers examined«, 1957), auch die von Ignatius Loyola Donnelly (»The Great
Cryptogram«‚ 1887).

Donnelly (1831 bis 1901) war in den sechziger, siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nordamerikanischer Politiker (Kongreßmitglied, dann Senator von Minnesota), später warf sich dieser hochintelligente und einfallsreiche Mann auf das (angebliche) Shakespearerätsel (eines der Werke Bacons heißt »Nova Atlantis«) und die (angebliche) Atlantis (»Atlantis‚ the antediluvian world«, 1882); der Sogenannte Delphinrücken im Azorengebiet sei das abgesunkene Land, von dem Platon erzählt hat.

Wie lange mag es wohl gedauert haben, bis man aus den Trilliarden von Umstellungsmöglichkeiten obigen sinnvollen Satz herausgefunden hat? (Frage eines Naiven.)

Da hatte es sich Edwin Bormann, der sein Lebelang an dem Shakespeare-Bacon-Geheimnis herumbohrende Mann, da hatte Edwin (um 1900) es sich leichter gemacht. Er schrieb das Wort rückwärts, teilte ab in SUBITAT IN ID UTILI BACIFIRON OH und las: Drin erscheint plötzlich dem Geschickten Bacifiron, ach! Und das Rätselwort sei eine Abkürzung von BAconis CIFrati IRONice und das folgende OH bedeute nicht ach, sondern Opus Hoc, und alles beides heiße: das ist ein Werk des schelmisch chiffrierten Bacon.

Wer dem Latein nicht traut, kann’s auch auf englisch haben - man braucht dazu nur die ersten elf Buchstaben, richtig abgeteilt, erst vorwärts, dann rückwärts zu lesen HONOR IF I CAB - BAC IF I RON OH, frei übersetzt: Ehre gewinne ich, wenn ich zurücklaufe; und BACOH = BACO = BACON nennt den wahren Verfasser.

Doch abgesehen von dem Umstand, daß dieser Dativus pluralis monstruosus des schelmisch aufgeblasenen Wortes honorificabilitudo nicht nur bei Shakespeare vorkommt, sondern zum Gelächter des ungelehrten Publikums auch in Narrenszenen zeitgenössischer Autoren - die über solchen Künsteleien brütenden Künste—Laienbrüder unterschätzen sämtlich die fast unglaublich große Macht Seiner Majestät des Zufalls.

Dieser Kobold, dieser »Clown im Zirkus der Möglichkeiten«, dieser »Genickbruch der Wahrscheinlichkeit« (Carl Ludwig Schleich,1859 bis 1922) hat einen Alchimisten im Berlin Friedrichs des Großen zweimal das (preußische) Große Los gewinnen lassen, sorgte in diesem Jahrhundert dafür, daß der Hauptgewinn der Hamburger Staatslotterie zweimal auf dieselbe Nummer (eine Palindromzahl) fiel, und machte 1977 die Gewinnzahlen des bundesdeutschen Lottos gleich denen des niederländischen eine Woche vorher (die Wahrscheinlichkeit ist kleiner als 1 zu 100 Trillionen) - und er hat es auch gefügt, daß im englischen Text der Holy Bible im 46. Psalm das 46. Wort, vom Anfang an gezählt, shake und das 46. Wort, vom Ende aus gezahlt, spear heißt.

Für diejenigen, welche die Authorized King James Version of the Holy Bible nicht zur Hand haben, seien hier die einschlägigen Verse abgedruckt:

Psalm 46,3.

Though the waters thereof roar and be troubled, though the mountains shake with the swelling thereof.

Psalm 46, 9.

He maketh wars to cease unto the end of the earth; he breaketh the bow, and cutteth the spear in sunder; he burneth the chariot in the fire.

Dieses Wirken des Zufalls (oder sind solche Streiche acts of God oder acts of Old Iniquity, »Faust II«‚ Vers 7122?) müßte doch jedem Kryptognosten als sicherer Beweis dafür gelten, daß der Schwan von Avon dieses Psalms Verfasser ist, wenn nicht des ganzen Psalters (oder gar des Alten Testaments) - als verdienter Ausgleich dafür, daß die unter seinem Namen segelnden Werke von Bacon geschrieben worden sind oder von Edward de Vere, dem 17. Earl von Oxford, oder von William Stanley, dem 6. Earl von Derby, oder von Christopher Marlowe oder dem 5. Earl von Rutland oder von Sir Walter Raleigh oder gar von H. M. the Queen bessönlich.

- VI -

Ferner steht fest, daß man aus geeigneten Buchstabenansammlungen mehr sinnvolle Wörter und Sätze zusammensetzen kann, als unsere Schulweisheit sich träumt. Besser: als wir rein gefühlsmäßig anzunehmen geneigt sind. Denn leider ist die Schulweisheit längst vergessen oder mit Lust verdrängt, daß sich aus n verschiedenen Buchstaben n!
= 1 . 2 . 3 . 4 . … . (n - 2) . (n - 1) . n Permutationen bilden lassen -.

Das Kürzel n!, ausgesprochen n Fakultät, stammt von Kramp (»Eléments d’Arithmétique universelle«, Cologne 1808).

- und daß die Fakultäten einem Potenzgesetz gehorchen, also mit wachsendem n schnell auf schwindelnde Höhen schnellen. Unter den Illionen von Möglichkeiten finden sich gar nicht so selten auch einigermaßen sinnvolle Aussagen.

Paradestücke für unsere These sind die sechs Sätzchen, die Rektor Jablonski in Lissa aus DOMUS LESCINIA umgestellt hat, als dort Stanislaus Leszinski weilte, und Franz Dülbergs (1873 bis 1934) Gedicht »Radieschen«., 1932 zum 50. Geburtstag Alfred Richard Meyers (= Munkepunke) zusammengezaubert, mit 83 Verschüttelungen des Wortes Radieschen (Chinas Rede, Erdachse in, Dracheneis, Riesendach ...). Solche Menschen, in deren Hirn sich die Satzmaterie in Wortmolekule auflöst, welche dann in Letternatome dissoziieren, schlüpfen gern aus ihrer Haut in eine selbstgewürfelte, Franz Dülberg in das treffliche Pseudonym Erzfragbündl; Arouet l(e) J(eune) hat sich für immer in Voltaire verwandelt (arouer heißt rädernl), der bulgarische Maler Pincas (1885 bis 1930) in den Franzosen Pascin.

Sind derartige Anagramme Symbole für Spaltungen der Seele, die sich nach neuen Formen sehnt? Ausflüge ins Kalifat Dschinnistan oder in die Spaltrepublik Schizothymian? (Heine hat seine ersten gedruckten Gedichte — im »Hamburger Wächter« Nr. 17, 1817 — mit SY. FREUDHOLD RIESENHARF gezeichnet, = Harry Heine, Dusseldorff.) Oder handelt es sich bei ihnen um eine besonders gravierende Art eitler Selbstbespiegelung? Kann man ihren Grad an der Anzahl der Pseudonyme messen? Der »Lolita«-Verfasser Vladimir Nabokov, der sich (in »Ada und Ardov« 1969) als Baron Klim Avidov porträtiert hat, zeigt in seinen Romanen auch sonst eine Vorliebe für anagrammatische Namen. Meister im Modeln des eigenen Namens war Arno Schmidt (gest. 1979): Chr. M. Stadion, Dr. Mac Intosh, St. A. Richmond, D. Martin Ochs, Moni Raditsch, oder, um, schmidtzusagen fä-cul-tatief, etwas aus der Mannichphaltichcoit seines genitanalsphärischen Fäka-buhl-Ars zu bringen: Roman Schidt und Timon d’Arsch.

Ob du auch kläglich dich vermummest/
anagrammatisch mich verdummest …

A. Kippenberg

Genug davon!


Quelle: Abschnitte 3 bis 6 des Kapitel 2 aus: Helmut Kracke: Mathe-musische Knobelisken. Tüfteleien für Tüftler und Laien. 2. Auflage. Ferdinand Dümmler, Bonn, 1983. [Dümmlerbuch 4711]. ISBN 3-427-4711 2-8 Zitiert wurden die Seiten 42 bis 48



Auch dieses neueste Buch für ›Stunden der Muße und der Muse‹ von H. KRACKE wendet sich an Geistes- und Naturwissenschaftler sowie an sprachlich und mathematisch interessierte Laien. Es ist in besonderem Maße für Lehrer geeignet zur Anreicherung und Au?ockerung des Unterrichts.

H. KRACKE macht Mathematiker, Natur- und Ingenieurwissenschaftler mit den Kuriositäten der Sprache und Dichtung, Geisteswissenschaftler mit Merkwürdigkeiten der Mathematik vertraut. Allermeist genügen die mathematischen Kenntnisse der Schule, um die zahlreich dargebotenen Schätze zu heben.

Die Rezensenten sind begeistert: ›Ein amüsantes und doch wissenschaftlich exaktes Werk fiir inhaltsreiche Kurzweil suchende Zeitgenossen‹, ›beinahe unerklärlich, wie ein einzelner Mensch ein so umfangreiches Material sammeln, sichten, ordnen und in die vorliegende Form bringen kann‹, ›ein ausschweifend-faszinierender, breit zu empfehlender Wälzer‹, ›gekonnte Darstellung der Mathematik in ihrer kulturgeschichtiichen Bedeutung, bewundernswert der stets traumwandlerisch sichere Griff in die Zitatenkiste, im höchsten Maß amüsant die unerschöpfliche Vielfalt der Wortspiele - und das alles, ohne irgendwie den Rahmen der Ernsthaftigkeit zu verlassen‹.


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