8. November 2019

George Gershwin: Rhapsody in Blue

Mit "Rhapsody in Blue" wollte George Gershwin den Amerikanern musikalisch eine eigene nationale Identität verleihen. Und mithilfe der Musik auch alle ethnischen und kulturellen Barrieren überwinden. Nicht zuletzt begründete der Komponist mit der "Rhapsody" auch seinen eigenen Weltruhm. Am 12. Februar 1924 wurde das Stück uraufgeführt.

"Das erste Solo in der Klarinette - das ist ein Aufruf." So beschreibt der Pianist Denis Matsuev den Beginn der "Rhapsody in Blue". Der signalhafte Aufstieg in der Klarinette fesselt die Zuhörer auf Anhieb. Bei der Uraufführung der "Rhapsody" in der New Yorker Aeolien Hall tobte das Publikum. Das Konzert vom 12. Februar 1924 schrieb Geschichte. George Gershwin hatte den Amerikanern ein Stück echte amerikanische Musik geschrieben. In ihr spiegelt sich auch das Leben im Schmelztiegel New York wieder, findet Denis Matsuev: "Das erste Thema assoziiere ich mit Amerika. Ich sehe gleich New York, die Freiheitsstatue, Manhattan, Jazzclubs, Birdland, Bluenotes, Jazz. Das ist ein Symbol von New York, von Amerika. Und alle anderen Themen, die es da gibt, sind mit fröhlichen Motiven verbunden. Es ist die Rhapsodie der Freude, die Rhapsodie des Glücks. Sie ist so optimistisch, so lebensbejahend."

Zunächst wollte Gershwin sie "American Rhapsody" nennen. Der Vorschlag "Rhapsody in Blue" kam von seinem Bruder Ira, mit dem er viel als Textdichter zusammenarbeitete. Der Name spielt auf die "Blue Notes" an, ein wichtiges Merkmal der Jazzmusik. Gershwin baut sie in seine Musik ebenso ein wie die für den Blues so charakteristischen, swingenden Rhythmen. Jazz steht für Freiheit. Kein Wunder, dass Gershwin sich für die Form der Rhapsodie entschied. Denn sie enthält kein vorgegebenes Schema, der Komponist ist total frei. "Mir gefällt der rhapsodische Stil, er ist so frei und lässt der Interpretation viel Raum", sagt Denis Matsuev. "Die 'Rhapsody in Blue‘ ist das Symbol für amerikanische Kultur und amerikanische klassische Musik, die mit Jazz vermischt ist. Jeder kennt die 'Rhapsody in Blue': sie ist Popmusik, Jazz und klassische Musik in einem - einfach alles und das ist genial."

George Gershwin (1898-1937)
In Auftrag gegeben hatte die "Rhapsody in Blue" der Bandleader Paul Whiteman. Er führte mit seinem Orchester gerne Stücke im Jazz-Stil auf, auch wenn sich diese Musik doch deutlich von dem originalen Jazz der Afroamerikaner unterschied. Whiteman schwebte eine Synthese von europäischer Kunstmusik und afroamerikanischem Jazz vor. Als er Gershwin um ein entsprechendes Stück für Klavier und Orchester bat, zögerte der Komponist. Gershwin hatte bisher vor allem Musik für Musicals geschrieben. Jazz hingegen war für ihn musikalisches Neuland. Whiteman half der Entscheidung nach, indem er Gershwins neue Komposition, von der noch keine Note existierte, kurzerhand in der Zeitung ankündigte – zusammen mit dem Datum der Uraufführung. Gershwin blieb keine Wahl. Innerhalb von drei Wochen schrieb er seine "Rhapsody in Blue".

"Eine Mischung. Natürlich ist es vorrangig klassische Musik. Gershwin gehört zu den klassischen amerikanischen Komponisten. Er ist eine Legende. Aber die 'Rhapsody' zählt ebenso zu den Jazz-Standardstücken. Ich spiele oft meine selbst komponierte Improvisation darüber. Beim echten Jazz schreibt man die Noten ja nicht auf. Jazz entsteht spontan. Natürlich kann man Jazz auch nach Noten spielen. Aber dann ist es kein echter Jazz. Die Rhapsody in Blue ist ein toller Jazz-Standard, ein fantastisches Thema. Aber erst wenn man darüber improvisiert, ist es wirklich Jazz."

Die "Rhapsody in Blue" enthält drei große Kadenzen für das Klavier. Bei der Uraufführung spielte Gershwin selbst den Solopart. Die Orchestrierung stammt nicht von ihm, sondern von Whitemans Arrangeur Ferde Grofé. Im Orchester spielen auch Instrumente mit, die man sonst eher in einer Big Band findet, wie beispielsweise das Saxophon. Einige Themen spielt das Orchester auch allein – ohne Klavier. Wie beispielsweise das lyrische Thema, das ein wenig an Rachmaninow erinnert.

Die Uraufführung der "Rhapsody in Blue" war ein großer Erfolg. Rachmaninow saß damals übrigens auch im Publikum. Bis heute hat die "Rhapsody" nichts von ihrer Faszination verloren. Denis Matsuev hat sie bereits mehr als 100 Mal im Konzert gespielt. Für ihn ist die Coda am Schluss immer wieder ein Höhepunkt: "Beim Schlussthema in der Coda kommt der Vulkan zum Ausbruch. Das kommt bei Publikum sehr gut an."

Quelle: Susanna Felix, am 12.02.2019 in BR Klassik

George Gershwin am Klavier

TRACKLIST

George Gershwin 
(1898-1937)

Rhapsody In Blue & Other Works


[1] Rhapsody in Blue (Originalfassung)      13:45
    Orchestrierung: Grofé
    Klavier: Wayne Marshall
    City of London Sinfonia
    
    Klavierkonzert F-Dur                    
[2] I.   Allegro                            14:00
[3] II.  Adagio - Andante con moto          13:11
    Trompete: Howard Snell
[4] III. Allegro agitato                     7:07
    Klavier: Daniel Blumenthal
    
[5] Ein Amerikaner in Paris                 18:39
    English Chamber Orchestra
    Stuart Bedford
    
[6] Cuban Overture                           9:44
    Saint Louis Symphony Orchestra
    Felix Slatkin
    
                        Gesamte Spieldauer: 76:36               
(P) 1997 
(C) 2003            


Ovid: Diana und Aktäon

Rembrandt: Das Bad der Diana mit Aktäon und Kallisto, um 1635,
Öl auf Leinwand, 168 x 93 cm, Museum Wasserburg Anholt
Publius Ovidius NasoMetamorphosen
Metamorphoseon LibriLiber Tertius, 138 - 252
AktäonDie Göttin im Bade
Prima nepos inter tot res tibi, Cadme, secundas
causa fuit luctus, alienaque cornua fronti
addita vosque canes satiatae sanguine erili.
at bene si quaeras, Fortunae crimen in illo,
non scelus invenies: quod enim scelus error habebat?

Mons erat infectus variarum caede ferarum:
iamque dies medius rerum contraxerat umbras
et sol ex aequo meta distabat utraque,
cum iuvenis placido per devia lustra vagantes
participes operum conpellat Hyantius ore:

‘lina madent‚ comites‚ ferrumque cruore ferarum,
fortunamque dies habuit satis; altera lucem
cum croceis invecta rotis Aurora reducet,
propositum repetemus opus; nunc Phoebus utraque
distat idem terra finditque vaporibus arva.
sistite opus praesens nodosaque tollite lina!’
iussa viri faciunt intermittuntque laborem.

Vallis erat piceis et acuta densa cupressu,
nomine Gargaphie, succinctae sacra Dianae,
cuius in extremo est antrum nemorale recessu,
arte laboratum nulla: simulaverat artem
ingenio natura suo; nam pumice vivo
et levibus tofis nativum duxerat arcum.
fons sonat a dextra tenui perlucidus unda,
margine gramineo patulos succinctus hiatus.
hic dea silvarum venatu fessa solebat
virgineos artus liquido perfundere rore.
quo postquam subiit, nympharum tradidit uni
armigerae iaculum pharetramque arcusque retentos;
altera depositae subiecit bracchia pallae,
vincla duae pedibus demunt; nam doctior illis
Ismenis Crocale sparsos per colla capillos
conligit in nodum, quamvis erat ipsa solutis.
excipiunt laticem Nepheleque Hyaleque Rhanisque
et Psecas et Phiale funduntque capacibus urnis.
Inmitten von so viel Glück gab dein Enkel dir, Kadmos, den
ersten Grund zur Trauer, dazu das fremde Geweih, das ihm auf
die Stirn gesetzt wurde, und ihr Hunde, gesättigt am Blut des
Gebieters. Doch erwägt man es wohl, dann findet man dabei nur Fortunas
Schuld, keinen Frevel, denn welche Sünde war’s, sich zu verirren?

Der Berg war schon gerötet vom Blut verschiedenen Wildes,
schon hatte die Mitte des Tages die Schatten der Dinge zusammen-
gezogen und die Sonne war gleich weit entfernt von beiden Enden
ihrer Bahn, als der böotische Jüngling den im Dickicht umher-
streifenden Gefährten des Weidwerks mit freundlicher Stimme zurief:

»Netze und Eisen triefen vom Blut der Tiere, ihr Freunde; Glück genug
brachte der Tag. Morgen, wenn auf ihrem safranfarbenen Wagen Aurora
wieder das Licht bringt, gehen wir, wie beschlossen, aufs Neue ans Werk.
Jetzt aber, da Phöbus von Morgen- und Abendland gleich weit entfernt ist
und durch seine Glut den Boden rissig werden läßt, macht eurem jetzigen
Tun ein Ende und holt die geknoteten Netze!«
Die Männer befolgen das Gebot und stellen die Arbeit ein.

Da war ein Tal, von Fichten und spitzen Zypressen beschattet,
Gargaphie mit Namen, der Diana im kurzen Jagdgewand
heilig. Im entlegensten Dickicht des Waldes ist dort eine Höhle,
nicht künstlich geschaffen: künstliche Bildung täuschte die ein-
fallsreiche Natur vor, denn sie hatte aus unbehauenem Bimsstein
und leichtem Tuff ein gewachsenes Gewölbe gebildet. Zur
Rechten rieselt eine Quelle, nicht reich an Wasser, aber ganz klar,
deren breites Becken ein Rasenrand einfaßt. Hier pflegte die
Göttin der Wälder, von der Jagd ermüdet, ihre jungfräulichen
Glieder mit schimmernden Tropfen zu netzen. Sobald sie dahin
gelangte, übergab sie ihrer Waffenträgerin, einer der Nymphen,
Spieß und Köcher samt dem entspannten Bogen. Eine andere
fing mit den Armen das abgeworfne Gewand auf, zwei lösen die
Riemen am Fuß, während, geschickter als jene, Krokale, die
Tochter des Ismenos, das den Nacken umwallende Haar in
einen Knoten faßt — sie selbst trägt es allerdings offen. Nephele
aber und Hyale und Rhyanis und Psekas und Phiale schöpfen
das Naß und gießen es dann aus weiten Gefäßen.

Tizian: Diana und Actäon, 1556-1559,
Öl auf Leinwand, 184 x 202 cm, National Galleries of Scottland
Dumque ibi perluitur solita Titania lympha,
ecce nepos Cadmi dilata parte laborum
per nemus ignotum non certis passibus errans
pervenit in lucum: sic illum fata ferebant.
qui simul intravit rorantia fontibus antra,
sicut erant‚ viso nudae sua pectora nymphae
percussere viro subitisque ululatibus omne
inplevere nemus circumfusaeque Dianam
corporibus texere suis; tamen altior illis
ipsa dea est colloque tenus supereminet omnis.
qui color infectis adversi solis ab ictu
nubibus esse solet aut purpureae aurorae,
is fuit in vultu visae sine veste Dianae.
quae, quamquam comitum turba stipata suarum,
in latus obliquum tamen adstitit oraque retro
flexit et, ut vellet promptas habuisse sagittas,
quas habuit, sic hausit aquas vultumque virilem
perfudit spargensque comas ultricibus undis
addidit haec cladis praenuntia verba futurae:
‘nunc tibi me posito visam velamine narres,
si poteris narrare, licet.’ nec plura minata
dat sparso capiti vivacis cornua cervi,
dat spatium collo summasque cacuminat aures,
cum pedibusque manus‚ cum longis bracchia mutat
cruribus et velat maculoso vellere corpus.
additus et pavor est. fugit Autonoeius heros
et se tam celerem cursu miratur in ipso.
ut vero vultus et cornua vidit in unda‚
‘me miserum!’ dicturus erat: vox nulla secuta est.
ingemuit: vox illa fuit, lacrimaeque per ora
non sua fluxerunt; mens tantum pristina mansit.
quid faciat? repetatne domum et regalia tecta
an lateat silvis? timor hoc, pudor inpedit illud.
Diana erfrischt sich eben im vertrauten Bad, doch siehe, der
Enkel des Kadmos — er hat zum Teil sein Tagwerk verschoben
und durchstreift ungewissen Schritts den unbekannten Wald —
gerät in jenen Hain! So wollte es sein Verhängnis. Sobald er die
Grotte betrat, die die Quelle befeuchtet, schlugen die
Nymphen, nackt wie sie waren, beim Anblick des Mannes
sich an die Brust, erfüllten zugleich mit kläglichem Schreien
den ganzen Wald, umringten Diana und deckten sie mit
ihren Leibern. Allein, höher gewachsen als sie ist die Göttin
selbst; um Haupteslänge überragt sie alle.
Die Röte, die Wolken färbt im Licht der Abendsonne oder der
purpurnen Aurora, die überzog Dianas Antlitz, weil man ohne
Gewand sie erblickte. So dicht sie auch die Schar ihrer
Gefährtinnen umringte, drehte sich sich doch zur Seite und
wandte das Gesicht ab. Wie gerne hätte sie nun die Pfeile zur
Hand gehabt, die sie hatte! So aber schöpfte sie Wasser und
spritzte es dem Mann ins Angesicht, und während sie auch
sein Haar mit dem rächenden Naß netzte, fügte sie
folgende Worte hinzu, Vorboten künftigen Unheils: »Jetzt
magst du erzählen, daß du mich ohne Schleier gesehn hast, wenn
du’s noch erzählen kannstl« Ohne weiter zu drohen, gibt sie sei-
nem feuchten Haupt das Geweih des langlebenden Hirsches,
gibt Länge dem Hals und läßt die Ohren ganz oben sich spitzen,
verwandelt die Hände in Füße, in schlanke Läufe die Arme und
hüllt in geflecktes Fell seinen Leib. Furchtsamkeit bekam er
dazu. Es flieht Aktäon, der Held, und daß er so flink ist, wun-
dert ihn eben beim Lauf. Als er im Spiegel des Wassers sein
Gesicht und das Geweih erblickte, wollte er »Ich Unseligerl«
rufen, doch es folgte kein Wort, er stöhnte nur. Das war nun
seine Stimme, und Tränen strömten über die Züge, die nicht die
seinen waren; nur Empfindung blieb ihm wie früher. Was soll er
tun? Soll er nach Hause, zur Königsburg sich begeben oder sich
bergen im Wald? Dies verbietet die Furcht und jenes die Scham.

Tizian: Der Tod des Actäon, 1559-1575,
Öl auf Leinwand, 178 x 198 cm, National Gallery, London
Dum dubitat, videre canes; primique, Melampus
Ichnobatesque sagax latratu signa dedere,
Gnosius Ichnobates, Spartana gente Melampus.
inde ruunt alii rapida velocius aura,
Pamphagus et Dorceus et Oribasus, Arcades omnes,
Nebrophonusque valens et trux cum Laelape Theron
et pedibus Pterelas et naribus utilis Agre,
Hylaeusque ferox nuper percussus ab apro
deque lupo concepta Nape pecudesque secuta
Poemenis et natis comitata Harpyia duobus,
et substricta gerens Sicyonius ilia Ladon,
et Dromas et Canache Sticteque et Tigris et Alce
et niveis Leucon et villis Asbolus atris
praevalidusque Lacon et cursu fortis Aello
et Thous et Cyprio velox cum fratre Lycisce
et nigram medio frontem distinctus ab albo
Harpalos et Melaneus hirsutaque corpore Lachne
et patre Dictaeo, sed matre Laconide nati
Labros et Agriodus et acutae vocis Hylactor
quosque referre mora est. ea turba cupidine praedae
per rupes scopulosque adituque carentia saxa,
quaque est difficilis quaque est via nulla, sequuntur.
ille fugit: per quae fuerat loca saepe secutus,
heu, famulos fugit ipse suos! clamare libebat
‘Actaeon ego sum, dominum cognoscite vestrum!’
verba animo desunt; resonat latratibus aether.

Prima Melanchaetes in tergo vulnera fecit,
proxima Therodamas, Oresitrophus haesit in armo
(tardius exierant, sed per compendia montis
anticipata via est); dominum retinentibus illis,
cetera turba coit confertque in corpore dentes.
iam loca vulneribus desunt; gemit ille, sonumque‚
etsi non hominis, quem non tamen edere possit
cervus‚ habet maestisque replet iuga nota querellis
et genibus pronis supplex similisque roganti
circumfert tacitos tamquam sua bracchia vultus.
at comites rapidum solitis hortatibus agmen
ignari instigant oculisque Actaeona quaerunt
et velut absentem certatim Actaeona clamant
(ad nomen caput ille refert) et abesse queruntur,
nec capere oblatae segnem spectacula praedae.
vellet abesse quidem, sed adest: velletque videre,
non etiam sentire canum fera facta suorum.
undique circumstant, mersisque in corpore rostris
dilacerant falsi dominum sub imagine cervi.

Nec nisi finita per plurima vulnera vita
ira pharetratae fertur satiata Dianae.
Während er noch schwankte, erblickten ihn seine Hunde, und
als erste gaben bellend Schwarzfuß Laut und Spürnase mit der
feinen Witterung. Spürnase stammte aus Kreta, Schwarzfuß war
von spartanischer Rasse. Gleich stürmen, schnell wie der Wind,
noch andre herbei: Allesfresser, Scharfauge, Bergsteiger — Arka-
dier alle —, Hirschkalbwürger, der starke, und mit Windsbraut
der schreckliche Hetzer, Flügelschlag, gut als Renner wie Fangab
als Spürhund, Waldmann, der wilde, vom Eber kürzlich ver-
wundet, Försterin — von einem Wolfe gezeugt —, und Hirtin, die
Schafen einst folgte, von zwei Jungen begleitet Harpyie, mit
schmächtigen Weichen Ladon aus Sikyon, Läufer und Kläffer
und Schecke und Tiger und Kraftvoll, dann mit hellen Zotteln
Schneeweißchen, Kohlschwarz mit dunklen, Spartakus, bären-
stark, Wirbelwind, unermüdlich im Laufe, Blitz und die schnelle
Wölfin mit ihrem Bruder aus Zypern, Packan mit dem weißen
Fleck mitten auf der schwarzen Stirn, Finsterling auch und
Flock, ganz struppig am Leibe, und — der Vater ein Kreter, die
Mutter aus Sparta — Meerwolf und Reißzahn und Blaff mit seiner
durchdringenden Stimme, dazu andere, deren Erwähnung
nur aufhält. Dieser Schwarm folgt voller Gier nach Beute über
Berg und Tal und Klippen und unzugängliche Felsen, da wo der
Weg beschwerlich ist und da, wo es keinen mehr gibt. Aktäon
flieht durch Gelände, durch das er so oft den Spuren des Wilds
gefolgt war. Ach, er flieht vor den eigenen Helfern! Gern wollte
er rufen: »Aktäon bin ich, erkennt doch euren Herrn!« Doch dem
Wünsche fehlen die Worte, es widerhallt vom Bellen der Äther.

Zuerst verletzte ihn Schwarzhaar im Rücken, dann Wildfang,
Bergbursche biß sich am Bug fest. Die waren später losgerannt,
doch hatten sie im Bergwald den Weg abgekürzt und Vorsprung
gewonnen. Während diese ihren Herrn festhalten, sammelt sich
die übrige Meute und gräbt ihm die Zähne in den Leib; schon fehlt es
an Raum für neue Wunden. Aktäon seufzt — der Laut, den er ausstößt,
ist zwar nicht menschlich, doch so, wie ein Hirsch nie schreien könnte
— und erfüllt mit Wehklagen das bekannte Gebirge, sinkt vorwärts auf
die Knie nieder, gleich einem, der demütig um Schutz fleht, und läßt
seine Blicke schweifen, als wären es bittende Hände. Aber seine Gefährten
treiben die rasende Meute mit den üblichen Rufen ahnungslos
an, halten Ausschau nach Aktäon, und, als wäre er fern, rufen sie
um die Wette Aktäon. Er wendet bei seinem Namen das Haupt.
Sie klagen, daß er nicht da sei, daß er, verspätet, das Schauspiel
des Fanges nicht mit ihnen teile. Da wünscht er zwar, fern zu
sein, doch er ist da! Er möchte nur sehen, nicht spüren das wilde
Treiben der eigenen Hunde! Von allen Seiten umdrängen sie ihn,
schlagen ihr scharfes Gebiß in seinen Leib und zerreißen ihren
Herrn in der trügerischen Erscheinung eines Hirsches.

Erst, als unter zahllosen Wunden sein Leben endete, war, so
sagt man, der Zorn der köchertragenden Diana gestillt.

Pieter van Liesebetten: Diana und Actäon, 1656-1660,
Kupferstich nach Tizian aus der Folge "Theatrum Pictorium", 21 x 31 cm.
Quelle: Ovid: Metamorphosen. Lateinisch-deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Gerhard Fink. Albatros, Mannheim 2010. ISBN 978-3-491-96280-4. Seiten 128-135


In der Kammermusikkammer ist gelegentlich auch Platz für großes Orchester:

Sergei Rachmaninow: Klavierkonzerte (Peter Rösel, Berliner Sinfonie-Orchester, Kurt Sanderling). | Italienische Dichter des Mittelalters, übertragen von Karl Vossler. 

Franz Liszt: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2, Totentanz, Ungarische Fantasie. | Historisch-Musische Anagrammatik von Helmut Kracke, und Bilder von Minimax. "Am Anfang war auch Schnabel nur / Das Ende einer Nabelschnur."

Chopin: Klavierkonzerte Nr. 1 und 2 (Alexis Weissenberg, 1967), | Erwin Panofsky: Interpretatio Christiana: "Antoninus Pius wurde in St. Peter verwandelt, Herkules zur Fortitudo, Phaedra zur Jungfrau Maria".

Mozart / Mendelssohn: Violinkonzerte mit Jascha Heifetz. | Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Maskenspiel der Genien: "Es ist eine traurige, aber unbestreitbare Tatsache, daß die Welt dem Phänomen Österreich mit tiefem Unwissen gegenübersteht."



CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Pictures) 4 MB
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