29. Juni 2009

"Nach der Züffer undt Buechstaben" - Das Klosterneuburger Lautenbuch (Hubert Hoffmann, Laute)


Codex Claustroneoburgensis 1255 ist eine in mehreren Handschriften verfasste Tabulatursammlung für elf-chörige Barocklaute aus der damals im Bau befindlichen herrschaftlichen Klosterresidenz des kulturbegeisterten Kaisers Karl VI. (1685-1740). Dieses «Klosterneuburger Lautenbuch», dessen Inhalt erst infolge der Übertragung des ganzen Buchs 2006 ans Tageslicht gebracht wurde, enthält etwa 120 Arien, Lamenti, Tänze, Variationssätze und Präludien aus der Blütezeit der barocken Lautenkunst: exemplarische Werke französischer, italienischer, deutscher und österreichischer Meister aus dem späten 17. wie auch frühem 18. Jahrhundert, zum großen Teil nur aus dieser Quelle bekannt. Ein bisher unbekanntes Werk des kaiserlichen Hofkomponisten Giuseppe Porsile (ca.1672-1750) - dessen Lautenwerke sonst fast gänzlich verschwunden sind -, sowie ebenso unbekannte Variationssätze über das Lied «Die güldene Freiheit» von Kaiser Leopold I. (1640-1705) befinden sich im Codex.

Abgesehen von einigen unfertigen Skizzen, die vermutlich durch spätere Spieler auf freie Seiten des Buchs hinzugefügt wurden, weisen die durchgehend hohe Kunstfertigkeit, der weitgespannte musikalische Ausdruck sowie die feinsinnige Komplexität der Werke auf einen bzw. mehrere virtuose Lautenisten hin, die außerordentlich große Kenntnisse des Repertoires der damaligen Zeit besaßen. Die in deutscher Sprache verfassten musikalischen Anmerkungen sowie die Anwesenheit von Werken der Wiener Lautenisten Johann Anton Losy (1645-1721), Ferdinand Ignaz Hinterleithner (ca. 1659-1710) und des Hofkomponisten Giuseppe Porsiie (borselli) deuten auf einen virtuosen Lautenisten des Wiener Raums hin, der das «Feinste vom Feinen» für den privaten oder konzertanten Vortrag zusammengetragen hat: Ein Spielbuch also, aber das Buch eines Meisters, der zumindest über musikalische Kontakte - falls er nicht sogar selbst dazu gehörte - zum internationalen Kulturleben des kaiserlichen Hofs verfügte.

Stift Klosterneuburg, der Fundort des
Codex Claustroneoburgensis 1255
Nicht nur im Hinblick auf den musikalischen Inhalt, sondern auch in seinem Aufbau ist der Codex bemerkenswert. Im Gegensatz zu vielen Lautenmusiksammlungen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in denen Tänze, Präludien und Arien entweder nach Genre - oder willkürlich - gruppiert sind, wurde das Klosterneuburger Lautenbuch in Form von zwölf vollständigen Suiten zusammengelegt. Einige einzelne Sätze und Satzpaare ergänzen die Sammlung. Sätze der Parthien sind zum Teil vom gleichen Komponisten, oft werden sie aber aus Sätzen unterschiedlicher Lautenisten zusammengestellt. Eine Suite in fis-Moll besteht zum Beispiel aus Werken von Dufresneau, Jaques Gallot (1620-1698) und Francois Dufault (1604-1672).


Hubert Hoffmann, Lautist
In Form von ein Dutzend vollständigen Lautensuiten in sieben verschiedenen Tonarten liegt also hier ein einzigartiges Bild des damaligen Repertoires vor: ein persönliches Kompendium des Zeitgeschmacks, gefiltert durch die Sensibilität eines anonymen Lautenmeisters, der offensichtlich eine Vorliebe für die wehmütigen, sinnlichen Stimmungen besaß, welche diese Sammlung prägen. In diesem großangelegten Mosaik sind auch die Gegensätze dieses Repertoires gefangen: die mehrdeutige, filigrane Scheinpolyphonie des französischen Stils, die improvisatorische, freie Metrik der Präludien, die melancholische Lyrik der Arien und Lamenti sowie der Kontrast- und Einfallsreichtum der unterschiedlichsten Tänze. Der Codex erlaubt uns einen Einblick in eine einerseits in ihrer intimen Verträumtheit verschlossene, anderseits über die Landesgrenzen hinweg offene und lebendige Musizierpraxis, die in manchen Privatgemächern der damaligen Zeit gedeihte.

Quelle: Robert Jamieson Crow, im Booklet

TRACKLIST

«NACH DER ZÜFFER UNDT BUECHSTABEN»

DAS KLOSTERNEUBURGER LAUTENBUCH 


  [JACQUES BITTNER (17.Jh.)]
[1] Prelude                                          1:39

  [PIERRE DUBUT (1620-1675)]
[2] [ohne Titel]                                     1:46

  [DUFRESNEAU (17.Jh.)]
[3] Allemande                                        2:41
[4] Courante                                         1:21

  [JACQUES GALLOT (7-1690)]
[5] Sarabande (La Royale)                            1:49
[6] Gavotte (La Dauphinel                            0:58

  [FRANCOIS DUFAUT (?-1670)]
[7] Gigue                                            1:15

  ANONYM (17.Jh.)
  Parthia ex F
[8] Allamand                                         2:11
[9] Courant                                          1:11
[10] Menuet [Francois Ginter (17. Jh.)]               0:37
[11] Guigue                                           1:22

  ANONYM (18.Jh.)
  Partita B-Dur
[12] Allamand                                         3:22
[13] [Courante]                                       1:23
[14] [Menuet]                                         1:15
[15] [Bouree]                                         1:22
[16] Sarabande - Doubles                              3:09
[17] Guigue                                           1:34

  [FERDINAND IGNAZ HINTERLEITHNER (1659-1710)]
  Partita F-Dur
[18] [Allemande]                                      3:31
[19] [Courante]                                       1:15
[20] [Sarabande]                                      2:09
[21] Gavotta                                          0:53
[22] Guigue                                           2:02

  FERDINAND IGNAZ HINTERLEITHNER
  Partita a-Moll

[23] Allemande                                        3:33
[24] [Courante]                                       1:27
[25] [Sarabande]                                      2:08
[26] [Gavotte]                                        0:59
[27] [Gigue]                                          1:09

  JOHANN ANTONIN LOSY (1650-1721)
[28] Sarabande                                        2:41

  [JOHANN ANTONIN LOSY]
[29] Ciaccona                                         3:45

TOTAL                                                54:20


HUBERT HOFFMANN Laute

[1-7]
11-chörige Laute nach Hans Frei von Andreas von Holst, 2004
[8-11 & 18-28]
11-chörige Laute nach Joachim Tielke von Andreas von Holst, 1998
[12-17 & 29]
13-chörige Laute nach Johann Christian Hoffmann von Andreas von Holst, 2006


Ersteinspielungen - First Recordings
Aufnahme: Juni 2007, Moorhof, Kappel am Krappfeld
(C) & (P) 2007

Nikolaus von Verdun, Altar, Stiftsmuseum Klosterneuburg

Das Stift Klosterneuburg ist auch der Ausstellungsort des Altars des Nikolaus von Verdun, meist Verduner Altar genannt, eines der Höhepunkte der mittelalterlichen Goldschmiedekunst. Es handelt sich um 45 Kupferplatten mit Grubenschmelz und Feuervergoldung auf einem Holzträger, die ursprünglich nicht miteinander verbunden waren. Man nimmt an, dass sie ursprünglich für die Verkleidung des Ambos (eines steinernen Aufsatzes mit Lesepult) bestimmt waren. Sie sind 1181 entstanden und haben im Dreikönigenschrein in Köln eine Parallele. Erst um 1330 wurden sie zu einem Altar zusammengesetzt; bei dieser Gelegenheit wurden auch sechs Tafeln neu angefertigt, die aber im Stil der anderen Tafeln gehalten sind.

Jede Tafel stellt eine Szene aus dem Alten oder Neuen Testament dar, wobei aber von einer dreiteiligen Ordnung ausgegangen wird: es gibt Tafeln, die Geschehnisse vor der Verkündigung des Gesetzes an Moses abbilden (Ante Legem), solche, die Geschehnisse vor der Ankunft Jesu zeigen (Sub Lege) und Szenen aus der Lebensgeschichte Christi (Sub Gratia). Die Ereignisse sub gratia sind allerdings in der mittleren Reihe angeordnet. Es wird dabei implizit angenommen, dass die Szenen aus dem Leben Jesu eine genaue Entsprechung in Ereignissen des Alten Testaments (Typologien) haben. Daher gehören immer drei Tafeln zusammen und bilden eine Reihe, der dieselbe Symbolik zugrunde liegt.

Detail aus dem Verduner Altar: Moses empfängt das Gesetz
Ein Beispiel wäre die 5. Kolonne. 1. Reihe: Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer (Vorläufer der Taufe); 2. Reihe: Taufe Christi im Jordan; 3. Reihe: das eherne Reinigungsbecken im Salomonischen Tempel zu Jerusalem.

Stilistisch sind die Platten noch von der Byzantinischen Kunst beeinflusst, allerdings ist ein starker Einschlag wohl von antiken Vorbildern inspirierter Körperlichkeit der Figuren spürbar.

Quelle: Wikipedia



Ein weiteres kunsthistorisches Referat über den Altar von Barbara Brandl



Franz G. Szabos Kritisches Journal der Alten Musik ist eine Online-Sammlung von Aufführungskritiken über Events der letzten fünf Jahre.


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Reposted on February 26, 2015

Diese Infopaket enthält auch die aktuelle Ausgabe des Klassik & Jazz Magazins Rondo im PDF-Format. Rondo ist es Wert gelesen zu werden.

Musikbeispiel

Track 20, Ferdinand Ignaz Hinterleithner (1659-1710): Partita in F, Nr. 3, Sarabande




Dieser Post ist für Sankanab (Deivo), dem Löwen von Mexico, dessen Blog Andes donde andes y más cosas mich mit der Schönheit der Lautenmusik vertraut gemacht hat und mich damit zum Erwerb der vorgestellten CD inspirierte.

25. Juni 2009

Biagio Marini: Affetti musicali, op. 1, 1617

Als Biagio Marini die Affetti musicali als sein Opus Eins veröffentlichte, lebte er seit zwei Jahren in Venedig, bei der Signorie als Musiker und an der Markuskirche als Violinist angestellt. Der Band enthält siebenundzwanzig Kompositionen, sechsundzwanzig von Marini selbst und eine von Giacinto Bondioli, einem Dominikanerpater, der in Brescia predigte und obendrein Marinis Onkel war. Jedes Stück ist nach einer prominenten venezianischen Familie benannt und ihr oder einem ihrer Mitglieder gewidmet.

Die meisten damals gängigen Gattungen der Instrumentalmusik sind in der Publikation vertreten. Sie fallen in zwei Kategorien, die durch die Begriffe da chiesa ("für die Kirche") und da camera ("für die Kammer", d.h. für den weltlichen Gebrauch) definiert sind. Die Unterscheidung ist wichtig, weil sich die beiden Kategorien damals am Anfang des 17. Jahrhunderts gerade erst auseinander zu entwickeln begannen. Im Verlauf des Jahrhunderts finden wir immer mehr Hinweise auf sie, die vor allem belegen, dass die Sonate zur wichtigsten instrumentalen Gattung wurde. Die Quellen erwähnen mit zunehmender Häufigkeit die sonata da chiesa und die sonata da camera, bis beide in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts in den Kompositionen von Corelli ihren höchsten Entwicklungsstand erreichten. Nach der Jahrhundertwende kamen die Begriffe immer seltener vor, und bald hatte man die Unterscheidung zwischen kirchlicher und weltlicher Sonate ganz fallen gelassen.

Die Werke da chiesa in den Affetti musicali sind als Sinfonie, Sonate und Canzoni definiert, die Werke da camera als Balletti, Arie, Brandi, Gagliarde und Correnti. Während man die verschiedenen Genres der zweiten Gruppierung wegen ihrer charakteristischen Tanzrhythmen problemlos auseinander halten kann, bereitet es viel größere Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen einer Sinfonia, einem Canzone und einer Sonata zu erkennen.

Die Canzone ist die älteste Gattung, abgeleitet aus dem Pariser chanson der 1530er-Jahre. Ihr bestimmendes Merkmal ist der imitative Stil. Das französische Vorbild war gewöhnlich fünfstimmig gesetzt, mit einem Fugato in daktylischem Rhythmus (lang-kurz-kurz) zu Beginn und lebhaftem Charakter (auch die Texte waren oft höchst amüsant und geistreich, kaum das, was wir von einem Sakralwerk erwarten würden!). Mit dem Aufkommen der erwähnten neuen Kompositionstechniken erreichten die italienischen Komponisten insgesamt eine Vereinfachung der Polyphonie, indem sie die Stimmenzahl entweder reduzierten oder erhöhten (viele venezianische Canzoni sind für acht, zehn oder zwölf Stimmen gesetzt) - die schlichtere Polyphonie wurde durch Festlegung instrumentaler "Chöre" mit ähnlicher rhythmischer Struktur gewahrt.

Die Sinfonia (wörtlich "Zusammenklang") begann ihr Dasein nicht als eigenständige Gattung, sondern als kurzes Interludium zwischen den verschiedenen Teilen (Strophen, Stanzen etc.) eines Gesangswerks, ob kirchlich oder weltlich. Oft stand sie in keinerlei Beziehung zu der umgebenden Komposition und wurde meist in identischer Form ein ums andere Mal wiederholt. Wenn sie im Rahmen einer Oper eingesetzt wurde, geschah dies unter der Bezeichnung ritornello. Die Adjektive, die den Charakter der verschiedenen Sinfonie bestimmen sollen, sind an sich schon von Bedeutung. La Zorzi wird als Sinfonia grave bezeichnet, La Bocca und La Zoppa heißen Sinfonie allegre.

Facsimile der Titelseite der Originalausgabe von 1617

Die Sonate war die vorherrschende Gattung des 17. Jahrhunderts, und ihre wichtigste Entwicklung fand genau während des fraglichen Zeitraums statt. Anfangs war die Form nicht eindeutig definiert, und der Begriff wurde oft als Synonym für Sinfonia oder Canzone benutzt. Hier hatten Komponisten endlich ein Genre zur Verfügung, das sich ideal zur Ausführung durch ein Instrumentalensemble eignete und in sich geschlossen war. Gerade diese Sonaten sind es, an denen die Begründung für Marinis Titel der Sammlung am deutlichsten abzulesen ist. Die affetti musicali sind die für die italienische Barockmusik typischen technischen Mittel, mit denen sich in der Musik Leidenschaften zum Ausdruck bringen lassen. Wenn es das Ziel der Dichtung ist, uns in Erstaunen zu versetzen, dann ist es das Ziel der Musik, unsere Gefühle zu wecken.

Das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch verstand man unter Musik in aller Regel ein (vorwiegend sakrales) Gesangswerk, und die Instrumentalmusik bemühte sich teils mit hervorragenden Ergebnissen, deren Fähigkeit zur emotionalen Einbeziehung des Hörers zu imitieren. In der Vokalmusik ist es der Text, der den affetto einer jeden Passage bestimmt. Wenn kein Text vorhanden ist, identifizieren wir anhand unserer Kenntnis der Vokalmusik die Eigenschaften, die eine Interpretation ansprechender erscheinen lassen als eine andere. Das Bedürfnis, den Charakter eines Instrumentalwerks zu vermitteln (eine Praxis, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts völlig unbekannt war), ist an der bereits festgestellten Verwendung von Begriffen wie Allegro und Grave durch die Komponisten zu erkennen. Aber affetto ist mehr als nur die allgemeine Bestimmung des Charakters. Es ist eine Eigenschaft, die jedem Detail, der Intonation jeder Note eines Werks innewohnt, die dazu gedacht ist, die Gefühle anzuregen. Die affetti musicali sind der Ausgangspunkt aller Instrumentalmusik vom Beginn des 17. Jahrhunderts an; sie haben jeden technischen Fortschritt angeregt, der die Instrumente mit der gleichen Ausdruckskraft wie die menschliche Stimme ausstattete.

Quelle: Allessandro Bares, im Booklet

Track #15, L'Aguzzona, Sonata a 3








TRACKLIST

Biagio Marini (c. 1587-1663)

Affetti musicali, Op. 1     

[01]   I     La Zorzi. Sinfonia grave a 3. Doi violini e basso          3:17
             two violins, violone, theorbo, harp and organ
[02]   II    La Giusriniana. Sinfonia a 3. Doi violini o cornetti
             e basso                                                    1:59
             two cornetts, trombone and organ
[03]   III   La Orlandina. Sinfonia per un violino o cornetto
             e basso se piace                                           2:18
             violin, violone, theorbo and harp
[04]   IV    La Zoppa. Sinfonia allegra a 3. Doi violini e basso        1:19
             two violins, bass dulcian, theorbo and virginal
[05]   V     La Gambara. Sinfonia a 3. Doi violini o cornetti e basso   2:46
             two cornetts, bass dulcian, theorbo and organ
[06]   VI    La Soranza. Aria a 3. Doi violini e basso                  2:14
             two violins, violone, soprano dulcian, guitar and virginal
[07]   VII   La Boldiera. Aria a 3. Doi violini e basso                 2:18
             two violins, theorbo, harp and virginal
[08]   VIII  La Marina. Canzone a 3. Doi tromboni e cornetto o violino  1:42
             cornett, two trombones and organ
[09]   IX    La Foscarina. Sonata a 3. Con il Tremolo. Doi violini
             o cornetti e trombone o fagotto                            4:45
             two violins, bass dulcian, theorbo and organ         
[10]   X     Il Vendramino. Balletto overo Sinfonia a 3. Doi violini
             o cornetti e basso                                         2:37
             cornett, violin, bass dulcian aod organ
[11]   XI    La Caotorta. Gagliarda a 2. Violino e basso                1:37
             violin, bass dulcian, guitar, virginal and woodblocks
[12]   XII   La Candela. Sinfonia breve a 2. Violini o cornetti         1:16
             two cornetts, bass dulcian and virginal
[13]   XIII  La Vetrestain. Corrente a 2. Violino e basso               1:18
             violin and theorbo
[14]   XIV   La Ponte. Sonata a 2. Violino o cornetto e basso           2:13
             cornett, bass dulcian, theorbo and organ
[15]   XV    L'Aguzzona. Sonata a 3. Doi violini e fagotto              4:18
             two violins, bass dulcian, theorbo and virginal
[16]   XVI   L'Albana. Sinfonia breve a 2. Violini o cornetti           1:53
             two cornetts, theorbo and organ
[17]   XVII  Il Monteverde. Balletto alemano a 2. Violino e basso       2:29
             violin, bass dulcian, theorbo aod virginal
[18]   XVIII La Martinenga. Sinfonia a 2. Violini o cornetti            2:30
             two violins, theorbo and harp
[19]   XIX   La Bemba. Canzone a 2. Violini o cornetti in Ecco          3:22
             violin, cornett, harp and virginal
[20]   XX    Il Boncio. Brando a 2. Violino e basso                     2:34
             violin, violone, cornett, trombone, bass dulcian, theorbo,
             harp and organ
[21]   XXI   Il Barizone. Brando a 3. Doi violini e basso               2:22
             two violins, bass dulcian, guitar, virginal, two cornetts,
             trombone and organ
[22]   XXII  Il Zontino. Balletto a 3. Doi violini e basso.
             Ad imitation di viole grosse                               2:01
             two violins, violone and virginal
[23]   XXIII La Bocca. Sinfonia allegra a 3. Doi violini e basso        1:19
             cornett, violin, violone, trombone, theorbo and virginal
[24]   XXIV  La Cornera. Sinfonia a 2. Violini o cornetti               2:29
             two cornetts, trombone, theorbo and organ
[25]   XXV   La Gardana. Sinfonia per un violino o cornetto solo        2:22
             violin and virginal
[26]   XXVI  La Martia. Corrente a 3. Doi violini e basso               1:26
             two cornetts, trombone, organ, two violins, dulcian,
             theorbo and harp
[27]   XXVII La Hiacintina. Canzone a 2. Violino o cornetto e
             trombone. Del MR.P. Hiacinto Bondioli zio del autore       4:01
             violin, trombone and organ

TT                                                                     64:44


IL VIAGGIO MUSICALE 
cornett            Marie Garnier-Marzullo,
                   Paco Rubio
trombone           Mauro Morini,
                   Ermes Guissani
soprano dulcian    Paolo Tognon
bass dulcian       Paolo Tognon
triple harp        Loredana Gintoli
theorbo            Pietro Prosser
guitar             Pietro Prosser
woodblocks         Sabina Colonna Preti
violin             Alessandro Bares,
                   Guiditta Colombo
violone            Sabina Colonna Preti
organ              Pietro Pasquini
Italian virginal   Pietro Pasquini

Recorded Easter 1999; Chiesino di S.Elisabetta, Albese con Cassano, Italy
(P) & (C) 2000

Pietro Longhi: Il Ridotto, 1740's, Salon Raccotta, Venedig

Nach der Angabe im Booklet ist das Cover ein Detail aus dem Werk "Il rodito" von Pietro Longhi, was eine amüsante Fehlschreibung für "ridotto" (Redoute, in der Bedeutungsvariante eines Kostümballs, nicht der Festung) darstellt. Dabei hat der nicht genannte Graphiker nur das kostümierte Paar aus dem Mittelteil und einige Kartenspieler (mit Photoshop-Effekt "Verwischen") dem Gemälde aus dem Salon Raccotta entnommen, und mit Ausschnitten (wahrscheinlich aus anderen Werken Longhis) angereichert.

Literatur zu Biagio Marini:

Georg Brunner, Biagio Marini - Die Revolution in der Instrumentalmusik, 1997
http://www.buchhandel.de/detailansicht.aspx?isbn=978-3-922803-92-8

Das Buch von Willi Apel, Die italienische Violinmusik im 17. Jahrhundert, erschienen 1983 im Franz Steiner Verlag, (ISBN 3515037861, 9783515037860) ist online verfügbar bei Google Books. Ich schlage es hier beim Kapitel über Marini auf.

Das Werner Icking Music Archive (WIMA), beherbergt durch das Department of Computer Science (DAIMI) der Universität Aarhus, bietet ein reichhaltiges Archiv von Noten und MIDI-Daten, unter vielen anderen auch von Biagio Marini.

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Reposted on June 19, 2015


Track #19, La Bemba, Canzone a 2





Diesen Post widme ich meinem Blogger-Freund Edmond, dessen Beiträge in seinem Blog Fauteuil d'Oreille ich seit vielen Monaten erwartungsvoll und mit großem Nutzen verfolge. Auf seinem Lieblingsgebiet, dem consort, kann ich freilich nichts seinen Ansprüchen Genügendes bieten. Auf dem Gebiet der Triosonate, wie ich hoffe, aber schon.

15. Juni 2009

Don Carlo Gesualdo: Madrigali libri quinto & sesto, 1611

Hühner scharren im trockenen Lehm, eine Kuh blickt auf, eine Ziege. Aus dem Schatten alter Mauern treten Bewohner und gucken misstrauisch. Ein Fremder ist gekommen, ein kleiner alter Mann. Er spricht mühsam Italienisch und möchte das Schloss besichtigen. Ein Komponist habe hier gelebt, sagt der Alte. Er deutet auf die Inschrift im Sims: CAROLVS GESVALDVS.

Den kennen sie nicht. Der Alte stellt sich vor: Igor Strawinsky, Komponist. Ebenfalls unbekannt. Aber gut, er darf ins Schloss. Bröckelnder Putz, billige Möbel. Der Alte sagt, sein Kollege habe nicht nur Musik geschrieben, sondern auch seine Frau umgebracht. Sie verstehen ihn falsch und blicken beunruhigt: Dieser Strawinsky hat seine Frau umgebracht?

So etwa verlief der Besuch, den der große Russe im Sommer 1956 seinem toten Kollegen abstattete, 100 Kilometer östlich von Neapel. Er hat ihn später geschildert. Die Szene steht am Anfang einer langen Wiederentdeckung. In den Jahrzehnten seither hat der Vergessene wieder Gestalt angenommen - als gäbe es eine Nähe zwischen seiner Epoche und unserer Zeit: Carlo Gesualdo, 1566 geboren, 1613 gestorben, ist eine gefährliche Gestalt.

Doppelmörder war er, Tyrann, Masochist, Melancholiker und Komponist, der jeden Maßstab infrage stellt. Das reizte nicht nur Romanautoren. Werner Herzog ist mit einem Fernsehfilm am Stoff gescheitert, Kompositionen über Gesualdo häufen sich, allein zwei Opern sind in den letzten Jahren entstanden. Glenn Watkins' grundlegendes Buch über den Komponisten ist 2000 in deutscher Sprache erschienen. Und erstmals seit 400 Jahren gibt es Leute, die seine Stücke wirklich singen können. Doch je näher man diesem Fürsten von Venosa und Meister des Madrigals kommt, desto mehr entzieht er sich.

Zunächst war Carlo Gesualdo da Venosa ein Fürst wie andere im Cinquecento auch. Gewohnt, sich von vier Bedienten das Nachtmahl ans Bett bringen zu lassen, wichtigere Reisen mit einem Gefolge von 150 Leuten anzutreten und das Vermögen zu verwalten, das seine normannische Familie seit 1059 zusammengerafft hatte dort, wo sich jetzt die Landstraße 303 durch eine hübsche Hügelgegend schlängelt. Um das Geld in der Familie zu halten, hatte man Carlo, als er 19 war, mit einer Cousine verheiratet, Maria d'Avalos. Sie war 25, klug und schön und schon zweifache Witwe. Ihr erster Mann war angeblich "dem übermäßigen Genuss ehelicher Wonnen" erlegen. Es wird behauptet, dass sie auch mit Carlo anfangs "eher wie ein Liebespaar statt wie Mann und Frau" zusammenlebte.

Wenn das so ist, muss der junge Mann, hoch begabt, hoch vermögend, vom Himmel in die Hölle gefallen sein, als Maria sich mit ihm zu langweilen begann und sich in Fabrizio Carafa, den Herzog von Andria, verliebte. Auf einmal wurden die Abgründe real, die Schmerzen, von denen man seit einem halben Jahrhundert in seinen Kreisen so stilvoll sang. Er soll es zuerst nicht geglaubt haben.

"Wenn du mir dich zu lieben verwehrst, ach, nur daran zu denken - der Schmerz tötet mich, und die Seele entflieht im Flug." Wer heute so einen Text liest, spürt das Floskelhafte, entdeckt im "Ahi", dem "Ach", der fliehenden Seele die höfische Pose. Doch wer hört, was Gesualdos fünf Stimmen daraus machen, erschrickt. Man kann gleichsam dem Schmerz beim Töten zuschauen. Da es Liebesschmerz ist, beginnt er sanft auf den Worten "il duol", "der Schmerz", bei denen zwei Stimmen liegen bleiben und zwei gemeinsam nach oben steigen, von B-Dur nach Es-Dur. Zu "m'ancide", "tötet mich", gleitet der Sopran noch einen Halbton höher.

Don Carlo Gesualdo, Principe di Venosa (* 8. März 1566 † 8. September 1613)

Und dann geraten diese Bewegungen in eine Harmonik, für die es kein System gibt, nicht im Mittelalter, nicht bei Palestrina, nicht bei Bach und schon gar nicht bei Wagner, der viel mehr Rücksicht auf tonale Zentren nimmt, als er uns weismacht. Erst nach ihm findet man Bodenlosigkeiten wie bei Gesualdo - dann aber ohne dessen Notwendigkeit.

Der lässt auf einen A-Dur-Septakkord, dem das A fehlt, Es-Dur folgen, und solche Harmonik deckt sich mit Stimmenführung und Wortausdeutung. Der Schmerz tötet langsam und will, da er doch an die Liebe erinnert, wiederholt werden. Da, wo uns das Es-Dur schockiert, beginnt "il duol" noch einmal tiefer, diesmal ohne den Sopran, der sozusagen schon gestorben ist.

Carlo Gesualdo komponierte das zehn Jahre nachdem er zum Mörder geworden war. Im Untersuchungsbericht der Gran Corte della Vicaria zu Neapel vom 27. Oktober 1590 ist alles nachzulesen: Maria, seit fünf Jahren mit Carlo verheiratet, hatte ihre Liaison mit Fabrizio immer unvorsichtiger betrieben. Letzterer soll kurz nach vier Uhr morgens auf der Straße gepfiffen und dann die Gemächer Marias im Stadtpalais Gesualdos betreten haben. Eine Stunde später wurde er dort, mit einem Damennachthemd bekleidet, erschossen. Das besorgten drei Diener des Fürsten, der dann erst selbst den Raum betrat und seine Frau tötete. Er hat ihr danach "noch einige Wunden" zugefügt mit den Worten: "Ich kann nicht glauben, dass sie tot ist." Der Zustand der Leichen, den die Richter vor Ort protokollierten, bezeugte die ausgiebige Anwendung von Messern, Dolchen, Hellebarden, Schwertern und Handfeuerwaffen.

Dass Schwertstöße durch die Körper tief in den Boden gedrungen waren, gehört noch zu den schlichteren Details dieser Schlachtung. Nach herrschendem Konsens war es eine Sache der Ehre und der Gehörnte im Recht. Man fand nur stillos, dass auch Schergen aus dem Pöbel Hand an erlauchte Personen gelegt hatten. Tasso schrieb zwei tränenreiche Sonette, in denen er keinem einen Vorwurf machte. Vermutlich wäre Carlo Gesualdo dennoch verfolgt worden, hätte er nicht zur aristokratischen Elite gehört. Kaum vorstellbar, dass sein Zeitgenosse Monteverdi, ein Handwerkerssohn, nach so einer Tat noch weit gekommen wäre. Das Gericht legte den Fall zu den Akten, und Gesualdo ließ für alle Fälle ein Kloster mit Kapelle bauen. Immerhin hatte er gegen das fünfte Gebot verstoßen.

Madrigali Libro Sesto

Um von seiner Musik getroffen zu sein, muss man nicht an seine blutigen Lebenserfahrung in Sachen Liebe und Tod denken. Sie wäre belanglos ohne die poetische Ausdruckskraft, die sich bei allen großen Madrigalkomponisten findet. Arcadelt, Willaert, Rore, Marenzio, de Wert, Gabrieli und Hunderte andere haben mitgewirkt am differenziertesten gemeinsamen Vokabular, das es in der Musikgeschichte je gegeben hat. Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatten sich Worte und Töne eher unabhängig voneinander bewegt, menschliche Affekte waren kaum der Gegenstand polyphoner Musik. Dann entwickelte sich, zuerst an Petrarcas Lyrik, eine Gefühlskunde, die für jede Textnuance eine klingende Entsprechung suchte, für Angst und Freude, Licht und Schatten. Das war kein starrer Katalog, sondern eine flexible Übereinkunft. Auch wenn sich für "Flucht" schnelle Notenwerte empfahlen und für "Seufzer" Halbtonschritte abwärts, blieb unendlich viel Platz für Wagnisse der Textausdeutung und der Kontrapunktik, und die Kürze dieser Madrigale steigerte ihre Attraktivität und Beweglichkeit.

(Quelle: Volker Hagedorn, In Seufzern abwärts, Die ZEIT, 2000/48)

TRACKLIST

Don Carlo Gesualdo
ca. 1560 - 1613

V. Madrigalbuch [Madrigali libro quinto, 1611]

01. I     Gioite voi col canto              02:31
02. II    S'io non miro non moro            02:35
03. III   Itene, o miei sospiri             02:36
04. IV    Dolcissima mia vita               02:16
05. V     O dolorosa gioia                  02:33
06. VI    Qual fora, donna                  01:42
07. VII   Felicissimo sonno                 02:11
08. VIII  Se vi duol il mio duolo           02:53
09. IX    Occhi del mio cor vita            02:26
10. X     Languisce al fin                  02:50
11. XI    Merce grido piangendo             03:24
12. XII   O voi, troppo felici              01:20
13. XIII  Correte, amanti, a prova          02:30
14. XIV   Asciugate i begli occhi           02:28
15. XV    Tu m'uccidi, o crudele            02:27
16. XVI   Deh, coprite il bel seno          02:03
17. XVII  Poiche l'avida sete (Prima Parte) 02:02
18. XVIII Ma tu, cagion (Seconda Parte)     02:23
19. XIX   O tenebroso giorno                02:18
20. XX    Se tu fuggi, io non resto         01:42
21. XXI   T'amo, mia vita                   02:17

VI. Madrigalbuch [Madrigali libro sesto, 1611] (Auszüge)

22. III   Tu piangi, o Filli mia            02:59
23. VI    Io parto e non piu dissi          02:53
24. XII   Candido e verde fiore             02:07
25. XIV   Ardo per te, mio bene             03:17
26. XV    Ancide sol la morte               02:35
27. XVIII Volan quasi farfalle              02:32
28. XX    Tu segui, o bella Clori           02:19
29. XXI   Ancor che per amarti              02:57
30. XXII  Gia piansi nel dolore             02:26
31. XXIII Quando ridente e bella            02:12

Gesamtspielzeit:                            76:00


Collegium Vocale Köln:

Michaela Krämer, Sopran;
Ursula Tocha, Mezzosopran;
Wolfgang Fromme, Countertenor;
Helmut Clemens, Tenor;
Hans-Alderich Billig, Bass

Leitung: Wolfgang Fromme
(C) 2006

Caravaggio: Geißelung, circa 1607, Museo Nazionale di Capodimonte, Neapel

Für das in der Stammbesetzung nur fünf Mitglieder zählende Collegium Vocale Köln ist die Zusammenarbeit mit Komponisten der Avantgarde eher signifikant. Gleich dutzendfach hat das 1966 von Wolfgang Fromme gegründete Vokalquintett bislang Uraufführungen bestritten, überwiegend von Werken, die auf seine Anregungen zustande kamen.

Ein anderer Schwerpunkt und für die Arbeit des Collegium Vocale Köln nicht weniger bedeutsam: Mille volle il di moro („Tausendmal am Tage sterbe ich"), Ausbund einer geradezu flagellantischen Todessehnsucht; bestürzender aber noch in der manisch-depressiven Verzweiflung: Moro, lasso, al mio duolo („Ich sterbe, ach, an meiner Qual") - zwei Vokalstücke aus dem 1611 in Neapel publizierten VI. Madrigalbuch von Carlo Gesualdo, Principe da Venosa.

Die Radikalität des in diesen Stücken vollzogenen Stilbruchs ist - dreihundert Jahre später - mit der Überwindung der Atonalität durch Arnold Schönberg vergleichbar: in der affektgeladenen Fluktuation von Diatonik und Chromatik, die sich brüsk über die gängigen „Modi", die Kirchentonarten hinwegsetzt und im Aufbrechen funktionsharmonischer Bindungen gleichsam atonale Elemente vorwegnimmt; aber auch im abrupten Wechsel der Tonarten, bei unvermittelt einsetzenden chromatischen Akkordfortschreitungen (G-dur/Fis-dur), in nicht leitereigenen Terzrelationen (C-E oder C-A), überdies in Querständen, verminderten Intervallsprüngen und Kadenzverzerrungen mittels dissonanter Töne. So weit hatte sich damals nicht einmal Claudio Monteverdi ins experimentelle Neuland vorgewagt. Eine musikalische Miniaturenmalerei, die noch heute jedem Spezialisten-Ensemble höchstes interpretatorisches, vor allem intonatorisches Können abverlangt.

(Quelle: Peter Fuhrmann | © DIE ZEIT, 03.10.1986 Nr. 41)

Notenbeispiele (zum freien Download), u.a. das 6. Madrigalbuch.

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Reposted on June 28, 2014

Gesualdo: Gioite voi col canto (Track 1)


Gesualdo: Tu piangi, o Filii mia (Track 22)

9. Juni 2009

Mozart - Beethoven - Quintette für Klavier und Bläser

Mozarts »bestes Werk« ...

Mozart hat sein "Quintett in Es-Dur für Klavier und vier Bläser" (KV 452) am 30. März 1784 in sein »Verzeichnüß aller meiner Werke« eingetragen. Zu dieser Zeit war er endgültig in Wien angekommen, und hatte innerhalb von sechs Wochen als Klaviervirtuose und Komponist bei 22 Akademien mitgewirkt, daneben seine Schüler bzw. Schülerinnen unterrichtet und natürlich komponiert. Denn das Wiener Publikum wollte stets etwas Neues von ihm hören. »Nun können sie sich leicht vorstellen, dass ich nothwendig neue Sachen spielen muss […]«, schrieb er dem Vater. Neu war in Wien aber auch die »Harmoniemusik«, ein Ensemble aus acht Bläsern (2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner und 2 Fagotte).

Mozarts Quintett, das er im k. k. Burgtheater am 1. April 1784 in einer eigenen Akademie den Wienern vorstellte, ist in diesem musikgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Dem Vater berichtete er zehn Tage später von dem Ereignis: »Ich habe 2 grosse Concerten geschrieben, und dann ein quintett [KV 452], welches ausserordentlichen beyfall erhalten; - ich selbst halte es für das beste was ich noch in meinem leben geschrieben habe. […] Ich wollte wünschen sie hätten es hören können! – und wie schön es aufgeführt wurde!«. Am 13. Juni wurde das Werk noch einmal im Rahmen einer Privatakademie aufgeführt, in Döbling bei Wien auf dem Landsitz des Hofagenten Ignaz von Ployer. Dessen Tochter Barbara, für die Mozart gerade erst zwei Klavierkonzerte (Es-Dur KV 449 und G-Dur KV 453) komponiert hatte, war seine Schülerin.

Mit der Komposition des Quintetts hatte sich Mozart eine schwer zu lösende Aufgabe gestellt: Denn die fünf Solisten besitzen ein denkbar unterschiedliches Tonspektrum. Genau hieraus zieht Mozart jedoch seinen Vorteil. Er betont das individuelle Klangprofil, schafft aber gleichzeitig eine Vielzahl von instrumentalen Kombinationen und Klanggruppen. Immer wieder findet er neue Frage- und Antwort-Situationen, verbindet thematische Arbeit mit satztechnischen und klanglichen Resultaten und die »gelehrte« kontrapunktische Schreibweise mit dem »galanten« Stil. Neu für die Gattung Kammermusik ist die Verbindung von Solo und Tutti-Konstellationen und damit ein Konzertgestus, der im Finalsatz noch durch eine Cadenza bestätigt wird. Neu ist auch die langsame Einleitung im 1. Satz, die einen sinfonischen Charakter hat.

»Das Quintett«, schreibt die Musikwissenschaftlerin Nicole Schwindt, »ist in sich ein kleiner Kosmos des mozartichen Komponierens und Musizierens auf dem biografischen Erfolgsgipfel.«

(Quelle: Programmheft Konzerthausorchester Berlin, 12.10.2006)

Quintett für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier (Es-Dur) op. 16, Titel der Erstausgabe

... von Beethoven nicht übertroffen

Beethoven hätte schon bei seinem ersten Wienbesuch im April 1787, der in einer kurzen Begegnung mit Mozart gipfelte, dessen Bläserquintett kennenlernen können. Sicher ist aber, daß er zum Zeitpunkt der Komposition seines Opus 16 bestens mit ihm vertraut war, und daß er sich mit dieser Komposition ganz bewußt in Beziehung zuMozart setzt: Die äußere Analogie zwischen Beethovens op.16 und Mozarts KV 452 – in Tonartenfolge, Anzahl und Form der Sätze – ist in der Tat so groß, daß ihre Feststellung schon ein unvermeidlicher Gemeinplatz geworden ist:

„Bekanntlich hat Beethoven in seinem Quintett (Op.16) mit diesem Mozartschen (Es-dur oeuvr.XIV [i.e. KV 452]) gewetteifert; vielleicht tritt bei keinem seiner Werke in gleicher Weise heraus, daß er sich ein Muster gesetzt hatte, um es nachzubilden; übertroffen hat er es diesmal nicht.“
(Jahn: W. A. Mozart, 1. Auflage, Leipzig 1859, IV/51)

Diese Äußerung reizte noch ein halbes Jahrhundert später zu scharfem Widerspruch:
„Das sind ungereimte Dinge. Beethoven als Geist vom Geiste Haydns, als Geist vom Geiste Mozarts, läßt es oft unbewußt erkennen, daß er vieles von ihnen empfangen hat; Mozart-Anklänge begegnen einem sogar noch in seinen allerletzten Sonaten: allein ein bewußtes Nachbilden ist bei Beethoven ganz ausgeschlossen.“
(Kalischer: Beethoven und Wien, Berlin 1910, S.27)

Und Hermann Abert ersetzte in seiner überarbeiteten Mozartbiographie den inkriminierten Passus durch die salomonische Formulierung:
„Vergleichende Werturteile sind indessen wieder einmal müßig, denn beide Werke spiegeln die Eigentümlichkeiten ihrer Schöpfer getreu wieder und stehen künstlerisch durchaus auf derselben Stufe.“
(Jahn-Abert: W. A. Mozart, 6. Auflage, Leipzig 1919-1924, II/189)

Daß weise Einsichten dieser Art nicht geeignet sind, einem zünftigen Reminiszenzenjäger die Freude an seiner Lieblingsbeschäftigung zu verderben, ist bekannt: In den Mozart-Anklängen des zweiten Satzes (Zauberflöte, Don Giovanni) wollte man nach Jahns Zeugnis sogar eine explizite Huldigung an Mozart sehen, und die Nähe des Rondothemas zum analogen Thema aus Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 482 hätte, frei nach Brahms, auch nur einem Esel verborgen bleiben können.

Sogar in der Doppelgestalt des Werkes (als Quintett und Quartett) läßt sich eine Parallele zu Mozart erkennen: Dessen Quintett war, freilich ganz ohne Zutun des Komponisten, schon bald in (mehreren, unterschiedlich schlechten) Klavierquartett-Fassungen erschienen. Beethoven, aus dessen brieflichen Äußerungen wir wissen, wie geschärft seine Einsicht in die Problematik solcher populärer „Arrangements“ war, wollte wohl anmaßendem Dilettantismus zuvorkommen und ließ seine eigene Alternativfassung gleichzeitig mit dem Original erscheinen. Die Hierarchie der beiden Versionen steht allerdings außer Streit: Die Erstausgabe verzichtet sogar auf die Anpassung des Titels – erst beim Nachdruck von 1802 trägt die Streicherfassung die korrekte Bezeichnung „Quartetto“. Ohne Zweifel hat aber diese authentische Quartettbearbeitung ganz wesentlich zur Verbreitung des Werkes beigetragen.

Wie neuere Forschungen (Douglas Johnson, 1980) ergeben haben, dürfte das Werk zum Großteil auf der einzigen großen Konzertreise Beethovens, die ihn zwischen Februar und Juli 1796 nach Prag, Dresden, Leipzig und Berlin führte, entstanden sein. Teile des ersten Satzes wurden aber wohl schon früher (wahrscheinlich 1794) konzipiert, und sicher wurde das ganze Opus, wie fast alle Kompositionen des Meisters, vor der Uraufführung (1797) und der Drucklegung (1801) tiefgreifend revidiert – nähere Anhaltspunkte dazu fehlen freilich, da das Autograph verschollen ist.

(Quelle: Claus-Christian Schuster)

TRACKLIST

Mozart - Beethoven
Quintets for Piano & Winds
Rudolf Serkin


Wolfqanq Amadeus Mozart (1756-1791)

Quintet in E-flat major for Piano and Winds, K. 452

[1] I.   Allegro moderato                  10'54
[2] II.  Larghetto                          9'38
[3] III. Allegretto final                   5'42


Ludwiq van Beethoven (1770-1827)

Quintet in E-flat major for Piano and Winds, Op. 16

[4] I.   Grave. Allegro ma non troppo      10'36
[5] II.  Andante cantabile                  9'19
[6] III. Rondo. Allegro ma non troppo       5'38

     
Total                                      51'47           


Rudolf Serkin, piano
John de Lancie, oboe
Anthony Gigliotti, clarinet
Sol Schoenbach, bassoon
Mason Jones, French horn

Recorded on September 22 & 23, 1953
(P) und (C) 2004


Ludwig van Beethoven, Brief an Carl Czerny, Wien, 12. Februar 1816, Autograph
Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Br 112


Vor einer Russlandreise gaben sowohl der Geiger Ignaz Schuppanzigh als auch der Cellist Joseph Linke ein Abschiedskonzert. In Schuppanzighs Konzert am 11.2.1816 wurden nur Werke Beethovens gegeben, darunter auch op. 16. Czerny hatte darin den Klavierpart übernommen und sich manche virtuose Freiheiten und Hinzufügungen erlaubt, "im jugendlichen Leichtsinn", wie er später selbst zugab. Beethoven, der zu der Aufführung dazukam, war über Czernys Eigenmächtigkeit so erbost, dass er ihn vor allen Musikern rügte. Am folgenden Tag entschuldigt sich Beethoven dafür mit vorliegendem Schreiben: "ich plazte gestern so heraus, Es war mir sehr leid, als es geschehen war, allein, dies müßen sie einem autor verzeihen, der sein werk lieber gehört hätte gerade, wie er's geschrieben, so schön sie auch übrigens gespielt".

Beethoven verspricht, sein Fehlverhalten in Linkes Konzert "laut wieder gut" zu machen. Auch in Linkes Abschlusskonzert am 18.2.1816 sollte Czerny den Klavierpart übernehmen - Linke spielte Beethovens Cellosonaten op. 102. Sein Versprechen hat Beethoven eingehalten und Czerny öffentlich sein Wohlwollen ausgesprochen.
(Quelle: Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer, HCB Br 112)

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Musikalische Kostprobe:

Ludwig van Beethoven: Quintet in E-flat major op 16. III. Rondo. Allegro ma non troppo