29. Juni 2009

"Nach der Züffer undt Buechstaben" - Das Klosterneuburger Lautenbuch (Hubert Hoffmann, Laute)


Codex Claustroneoburgensis 1255 ist eine in mehreren Handschriften verfasste Tabulatursammlung für elf-chörige Barocklaute aus der damals im Bau befindlichen herrschaftlichen Klosterresidenz des kulturbegeisterten Kaisers Karl VI. (1685-1740). Dieses «Klosterneuburger Lautenbuch», dessen Inhalt erst infolge der Übertragung des ganzen Buchs 2006 ans Tageslicht gebracht wurde, enthält etwa 120 Arien, Lamenti, Tänze, Variationssätze und Präludien aus der Blütezeit der barocken Lautenkunst: exemplarische Werke französischer, italienischer, deutscher und österreichischer Meister aus dem späten 17. wie auch frühem 18. Jahrhundert, zum großen Teil nur aus dieser Quelle bekannt. Ein bisher unbekanntes Werk des kaiserlichen Hofkomponisten Giuseppe Porsile (ca.1672-1750) - dessen Lautenwerke sonst fast gänzlich verschwunden sind -, sowie ebenso unbekannte Variationssätze über das Lied «Die güldene Freiheit» von Kaiser Leopold I. (1640-1705) befinden sich im Codex.

Abgesehen von einigen unfertigen Skizzen, die vermutlich durch spätere Spieler auf freie Seiten des Buchs hinzugefügt wurden, weisen die durchgehend hohe Kunstfertigkeit, der weitgespannte musikalische Ausdruck sowie die feinsinnige Komplexität der Werke auf einen bzw. mehrere virtuose Lautenisten hin, die außerordentlich große Kenntnisse des Repertoires der damaligen Zeit besaßen. Die in deutscher Sprache verfassten musikalischen Anmerkungen sowie die Anwesenheit von Werken der Wiener Lautenisten Johann Anton Losy (1645-1721), Ferdinand Ignaz Hinterleithner (ca. 1659-1710) und des Hofkomponisten Giuseppe Porsiie (borselli) deuten auf einen virtuosen Lautenisten des Wiener Raums hin, der das «Feinste vom Feinen» für den privaten oder konzertanten Vortrag zusammengetragen hat: Ein Spielbuch also, aber das Buch eines Meisters, der zumindest über musikalische Kontakte - falls er nicht sogar selbst dazu gehörte - zum internationalen Kulturleben des kaiserlichen Hofs verfügte.

Stift Klosterneuburg, der Fundort des
Codex Claustroneoburgensis 1255
Nicht nur im Hinblick auf den musikalischen Inhalt, sondern auch in seinem Aufbau ist der Codex bemerkenswert. Im Gegensatz zu vielen Lautenmusiksammlungen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in denen Tänze, Präludien und Arien entweder nach Genre - oder willkürlich - gruppiert sind, wurde das Klosterneuburger Lautenbuch in Form von zwölf vollständigen Suiten zusammengelegt. Einige einzelne Sätze und Satzpaare ergänzen die Sammlung. Sätze der Parthien sind zum Teil vom gleichen Komponisten, oft werden sie aber aus Sätzen unterschiedlicher Lautenisten zusammengestellt. Eine Suite in fis-Moll besteht zum Beispiel aus Werken von Dufresneau, Jaques Gallot (1620-1698) und Francois Dufault (1604-1672).


Hubert Hoffmann, Lautist
In Form von ein Dutzend vollständigen Lautensuiten in sieben verschiedenen Tonarten liegt also hier ein einzigartiges Bild des damaligen Repertoires vor: ein persönliches Kompendium des Zeitgeschmacks, gefiltert durch die Sensibilität eines anonymen Lautenmeisters, der offensichtlich eine Vorliebe für die wehmütigen, sinnlichen Stimmungen besaß, welche diese Sammlung prägen. In diesem großangelegten Mosaik sind auch die Gegensätze dieses Repertoires gefangen: die mehrdeutige, filigrane Scheinpolyphonie des französischen Stils, die improvisatorische, freie Metrik der Präludien, die melancholische Lyrik der Arien und Lamenti sowie der Kontrast- und Einfallsreichtum der unterschiedlichsten Tänze. Der Codex erlaubt uns einen Einblick in eine einerseits in ihrer intimen Verträumtheit verschlossene, anderseits über die Landesgrenzen hinweg offene und lebendige Musizierpraxis, die in manchen Privatgemächern der damaligen Zeit gedeihte.

Quelle: Robert Jamieson Crow, im Booklet

TRACKLIST

«NACH DER ZÜFFER UNDT BUECHSTABEN»

DAS KLOSTERNEUBURGER LAUTENBUCH 


  [JACQUES BITTNER (17.Jh.)]
[1] Prelude                                          1:39

  [PIERRE DUBUT (1620-1675)]
[2] [ohne Titel]                                     1:46

  [DUFRESNEAU (17.Jh.)]
[3] Allemande                                        2:41
[4] Courante                                         1:21

  [JACQUES GALLOT (7-1690)]
[5] Sarabande (La Royale)                            1:49
[6] Gavotte (La Dauphinel                            0:58

  [FRANCOIS DUFAUT (?-1670)]
[7] Gigue                                            1:15

  ANONYM (17.Jh.)
  Parthia ex F
[8] Allamand                                         2:11
[9] Courant                                          1:11
[10] Menuet [Francois Ginter (17. Jh.)]               0:37
[11] Guigue                                           1:22

  ANONYM (18.Jh.)
  Partita B-Dur
[12] Allamand                                         3:22
[13] [Courante]                                       1:23
[14] [Menuet]                                         1:15
[15] [Bouree]                                         1:22
[16] Sarabande - Doubles                              3:09
[17] Guigue                                           1:34

  [FERDINAND IGNAZ HINTERLEITHNER (1659-1710)]
  Partita F-Dur
[18] [Allemande]                                      3:31
[19] [Courante]                                       1:15
[20] [Sarabande]                                      2:09
[21] Gavotta                                          0:53
[22] Guigue                                           2:02

  FERDINAND IGNAZ HINTERLEITHNER
  Partita a-Moll

[23] Allemande                                        3:33
[24] [Courante]                                       1:27
[25] [Sarabande]                                      2:08
[26] [Gavotte]                                        0:59
[27] [Gigue]                                          1:09

  JOHANN ANTONIN LOSY (1650-1721)
[28] Sarabande                                        2:41

  [JOHANN ANTONIN LOSY]
[29] Ciaccona                                         3:45

TOTAL                                                54:20


HUBERT HOFFMANN Laute

[1-7]
11-chörige Laute nach Hans Frei von Andreas von Holst, 2004
[8-11 & 18-28]
11-chörige Laute nach Joachim Tielke von Andreas von Holst, 1998
[12-17 & 29]
13-chörige Laute nach Johann Christian Hoffmann von Andreas von Holst, 2006


Ersteinspielungen - First Recordings
Aufnahme: Juni 2007, Moorhof, Kappel am Krappfeld
(C) & (P) 2007

Nikolaus von Verdun, Altar, Stiftsmuseum Klosterneuburg

Das Stift Klosterneuburg ist auch der Ausstellungsort des Altars des Nikolaus von Verdun, meist Verduner Altar genannt, eines der Höhepunkte der mittelalterlichen Goldschmiedekunst. Es handelt sich um 45 Kupferplatten mit Grubenschmelz und Feuervergoldung auf einem Holzträger, die ursprünglich nicht miteinander verbunden waren. Man nimmt an, dass sie ursprünglich für die Verkleidung des Ambos (eines steinernen Aufsatzes mit Lesepult) bestimmt waren. Sie sind 1181 entstanden und haben im Dreikönigenschrein in Köln eine Parallele. Erst um 1330 wurden sie zu einem Altar zusammengesetzt; bei dieser Gelegenheit wurden auch sechs Tafeln neu angefertigt, die aber im Stil der anderen Tafeln gehalten sind.

Jede Tafel stellt eine Szene aus dem Alten oder Neuen Testament dar, wobei aber von einer dreiteiligen Ordnung ausgegangen wird: es gibt Tafeln, die Geschehnisse vor der Verkündigung des Gesetzes an Moses abbilden (Ante Legem), solche, die Geschehnisse vor der Ankunft Jesu zeigen (Sub Lege) und Szenen aus der Lebensgeschichte Christi (Sub Gratia). Die Ereignisse sub gratia sind allerdings in der mittleren Reihe angeordnet. Es wird dabei implizit angenommen, dass die Szenen aus dem Leben Jesu eine genaue Entsprechung in Ereignissen des Alten Testaments (Typologien) haben. Daher gehören immer drei Tafeln zusammen und bilden eine Reihe, der dieselbe Symbolik zugrunde liegt.

Detail aus dem Verduner Altar: Moses empfängt das Gesetz
Ein Beispiel wäre die 5. Kolonne. 1. Reihe: Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer (Vorläufer der Taufe); 2. Reihe: Taufe Christi im Jordan; 3. Reihe: das eherne Reinigungsbecken im Salomonischen Tempel zu Jerusalem.

Stilistisch sind die Platten noch von der Byzantinischen Kunst beeinflusst, allerdings ist ein starker Einschlag wohl von antiken Vorbildern inspirierter Körperlichkeit der Figuren spürbar.

Quelle: Wikipedia



Ein weiteres kunsthistorisches Referat über den Altar von Barbara Brandl



Franz G. Szabos Kritisches Journal der Alten Musik ist eine Online-Sammlung von Aufführungskritiken über Events der letzten fünf Jahre.


CD bestellen im Faltershop

CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 34 MB
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Reposted on February 26, 2015

Diese Infopaket enthält auch die aktuelle Ausgabe des Klassik & Jazz Magazins Rondo im PDF-Format. Rondo ist es Wert gelesen zu werden.

Musikbeispiel

Track 20, Ferdinand Ignaz Hinterleithner (1659-1710): Partita in F, Nr. 3, Sarabande




Dieser Post ist für Sankanab (Deivo), dem Löwen von Mexico, dessen Blog Andes donde andes y más cosas mich mit der Schönheit der Lautenmusik vertraut gemacht hat und mich damit zum Erwerb der vorgestellten CD inspirierte.

10 Kommentare:

  1. Dear Friend!
    I have tried thrice with Mega but both files 1 and 3 seem to be corrupt. Could you please check it out?
    By the way, you blog is the most thorough.Excellent!

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  2. yes,I have also tried and zero!
    Could you check the link, please?
    This album should be wonderful, and I love lute.
    Thanks!

    xinha

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  3. New links (sharebee), problems with files are now fixed:
    part_1 part_2 part_3

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  4. Eine herrliche Aufnahme. Vielen Dank Herr Kapitän --- diese Musik werde ich in Zukunft noch oft geniessen.

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  5. Thank you for this beautiful music. Sometimes my attention wanders a little when I listen to single-instrument performances, but this one compels me to keep listening-and enjoying. The sound quality is superb. On my computer's speakers, it sounds like the lute is being plucked and strummed right next to me.

    In my Linux system, I'm sometimes asked for the password when extracting files, even when other people aren't. Since I can't find any mention of passwords here, I assume this is one of those cases. If anyone else sees this problem, copying and pasting the name of our gracious host worked for me.

    I have to admit I have acquired a number of other recordings here and never got around to thanking you. Please forgive this oversight and accept my thanks for everything. And now that I've noticed your Google translate feature, I can even begin to understand what you're saying!

    Regards,
    ezpz

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  6. Thanks. Astonishing sound quality!

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  7. Echt super Musik, habe schon länger kein Konzert mehr besucht, aber diesen Sommer werde ich das mal wider verstärkt in Angriff nehmen!

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  8. Lieber Nemo, alle Links sind jetzt tot. Wäre es möglich, die CD zu reposten?
    Gruß, Alex

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