"Ich sah ihn die Treppe herunterkommen, es war sehr heiß in Moskau, er trug einen Hut, Mantel, Schal und Handschuhe. Ich war ein wenig überrascht, dass er mir seine Hand nicht reichte."
So erinnert sich seine Dolmetscherin später. Das erste Konzert ist schlecht besucht, der Kanadier hier gänzlich unbekannt. Doch nach den ersten Tönen herrscht atemlose Spannung. Hier sitzt ein Bach-Interpret wie von einem anderen Stern: hart, unromantisch, von einer geistigen Klarheit, die wie das ersehnte Programm einer neuen musikalischen Kultur erscheint. In der Pause eilen die wenigen Zuhörer zu den Telefonen, die Kunde verbreitet sich rasend, danach ist der Saal wie bei allen noch folgenden Konzerten in Moskau und Leningrad brechend voll.
Man bittet Gould, für die Studenten des Konservatoriums ein Gesprächskonzert zu geben. Er bestimmt das Programm selbst, und so kommt es am 12. Mai zur Aufführung einer Musik, die bis dato als "formalistisch, dekadent und bürgerlich" verurteilt und so in der Sowjetunion noch nie zu hören war.
Glenn Gould, 1955. Das Foto entstand im Aufnahmestudio der Columbia Records in New York während der Einspielung der Goldberg-Variationen, Goulds erstem Album, das ihn buchstäblich über Nacht in die Weltspitze der Pianisten emporhob.
Die Nachwirkungen auf die musikalisch-intellektuelle Szene sind enorm, auch wenn sich die Hoffnung auf eine weitergehende kulturelle Öffnung des Landes zunächst nicht erfüllen sollte. In den folgenden Jahren beschäftigt sich Gould intensiv mit russischer Geschichte, Musik und Literatur. Und er erinnert sich:
"Es war ein Erlebnis, das mir für den Rest meines Lebens in Erinnerung bleiben wird. Man hat es mit einem Publikum zu tun, das jeder überzeugend vorgebrachten Idee zugänglich ist. Es war vielleicht ein ähnliches Gefühl, wie wenn man als erster Musiker auf dem Mars oder der Venus landet und einigen äußerst verwirrten, aber ernsthaft interessierten Zuhörern einen riesigen unerforschten Bereich offenbaren soll. Es war ein großartiger Tag für mich!"
(Quelle: UltimateHerosWelt, nach dem Deutschlandradio)
TRACKLIST Glenn Gould: Concert de Moscou 12/5/1957 ALBAN BERG (1885-1935) [1] SONATE POUR PIANO, OP. 1 - ALLEGRO MODERATO (8'30) Glenn Gould parle des compositeurs de la nouvelle École de Vienne Un extrait de la "PASSACAILLE POUR ORCHESTRE" d'Anton Webern (5'18) ANTON WEBERN (1883-1945) [2] VARIATIONS POUR PIANO, OP. 27 (4'43) Glenn Gould parle d'Ernst Krenek (1'25) ERNST KRENEK (NÉ EN 1900) EXTRAITS DE LA SONATE POUR PIANO N°3, OP. 62 N 4 [3] ALLEGRETTO PIACEVOLE, ANIMATO E FLESSIBILE (4'48) [4] ADAGIO (6') Glenn Gould s'adresse au public (1'26) JEAN-SÉBASTIEN BACH (1685-1750) [5] EXTRAITS DE L'ART DE LA FUGUE, BWV 1080 Contrepoints 1,4,2 (10'15) [6] EXTRAITS DES VARIATIONS GOLDBERG, BWV 988 Variations 3,18,9,24,10,30 (7'27) TOTALE 49:52 GLENN GOULD, piano Traductions en russe de Let Vlasenko Enregistrement mono réalise au Conservatoire de Moscou le 12 Mai 1957 Dessin de Nicolas SABA
"The recordings of the archives took place in the Small Hall of the Tchaikovski Conservatory in Moscow in the presence of soviet students, whom Glenn Gould addressed. In order to preserve the atmosphere and the didactic character of this encounter, we have chosen to publish the tape in the exact manner in which it was recorded without any editing or cuts. This explains the different intensity in the tape due to the placement of the microphones." (aus dem Booklet)
Der Glenn Gould Chair (bei Zechlin, Ahrensburg/Hamburg)
Glenn Goulds Sitzposition war extrem tief und er fand keinen passenden Stuhl in den Konzertssälen und Studios vor. So nutze er immer seinen eigenen Klavierstuhl, den ihm sein Vater gebaut hatte und der es ihm ermöglichte, gerade mal 30 cm vom Fußboden entfernt zu sitzen, so dass er die Handgelenke auf oder unter der Ebene der Klaviatur behalten konnte.
Zitat seines Vaters: „Ich versuchte was ziemlich Leichtes an Klappstuhl aufzutreiben und dann von jedem Bein etwas abzusägen, ich machte mir eine Messingklammer, die um jedes Bein herum ging und schraubte sie daran fest, und dann schweißte ich die Hälfte einer Spannschraube an jede Klammer, so dass jedes Bein einzeln eingestellt werden konnte.“
Dieser besonderen Stuhl steht heute in der Library of Toronto. Der italienische Möbelhersteller Cazzaro hat sich die Exklusivrechte zur Produktion dieses Stuhls als originalgetreue Replik weltweit gesichert. Originalgetreu bedeutet auch inklusive des bekannten typischen Nebengeräuschs der Klappfeder dieses Stuhls - allen Gould Liebhabern leidvoll bekannt. Auch die Abnutzungsspuren an diesem Stuhl sind detailgetreu nachgearbeitet.
Im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) erhalten Sie diesen Stuhl exklusiv im Pianohaus Zechlin. (Detailansicht)
Kevin Bazzanas Biographie ist der vorerst letzte Versuch in einer Reihe von Büchern, Goulds geniale Klavierkunst, aber auch sein Leben voller Merkwürdigkeiten und Exzentrizitäten darzustellen und zu verstehen. Herbert Fuchs (Marburger Forum) hat dazu eine lesenswerte Buchbesprechung verfaßt.
Beckmesser, "Die Seite für neue Musik und Musikkritik", ist die engagierte Tribüne für Max Nyffelers Texte, Meinungen und Informationen. Neben vielen anderen Beiträgen ist hier auch einer der gelungenen Texte zu Glenn Gould erschienen. (Ein abschreckendes Beispiel für einen mißlungenen Text wird diesmal von © der Zeit geliefert. Es nutzt auch nichts, Bazzanas Biographie "epochal" zu nennen.)
Reposted on April 13, 2014
CD Info (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 5 MB
1fichier - Filepost - Depositfiles - Adrive
Unzip the x49.rar and read the file "Download Links.txt" for links to the APE+CUE+LOG files