1913 in Texarkana/Arkansas geboren, besuchte Nancarrow von 1929 bis 1932 das Cincinnati Conservatory und arbeitete privat bei drei führenden Meistern der amerikanischen neuen Musik: Nicolas Slonimsky, Walter Piston und Roger Sessions. Die Kontrapunkt-Studien bei Sessions betrachtete er als seinen einzigen wirklichen Kompositionsunterricht. Nach Abschluss der Studien schloss er sich 1937 den Internationalen Brigaden in Spanien an, um gegen General Franco zu kämpfen. 1939 kehne er in die Vereinigten Staaten zurück und ließ sich in New York nieder. Er musste allerdings feststellen, dass er wegen seiner früheren Sympathien für den Kommunismus von der amerikanischen Regierung als Persona non grata angesehen wurde. Als sein Antrag auf einen neuen Pass abgelehnt wurde, ging er 1940 nach Mexiko und wurde schließlich mexikanischer Staatsbürger.
Nancarrows früheste reife Werke — wunderbare, energiegeladene Musik — sind von seinen beiden Vorlieben inspiriert: Bach und Jazz. Trotz seiner Erfahrungen als Jazztrompeter begann er früh einer Vision zu folgen, in der praktische Erwägungen zweitrangig waren. So sind zum Beispiel die wiederholten Noten im Klavierpart der wilden. neobarocken Toccata für Violine und Klavier von 1935 im gewünschten Tempo unspielbar. Nancarrow verwirklichte seine Vorstellung Jahre später dergestalt, dass er eine Player—Piano-Version für den Klavierpart schuf, die in dieser Aufnahme verwendet wird.
Prelude und Blues, ein anderes Frühwerk von 1935, fusioniert Bachschen Kontrapunkt mit Jazz und Blues. Der Blues durchdringt die langsamen Sätze in Nancarrows gesamtem Werk — allerdings niemals in konventioneller Weise. Tonkluster, unerwartete Akzentsetzungen und Asymmetrien sind bezeichnend für seine schillernde Fantsie. Obgleich Prelude und Blues für Solopiano geschrieben sind, haben die Energiegeladenheit und die komplizierte Struktur des Preludes die Aufführung durch ein Klavierduo als effektiver erwiesen. Das gilt gleichermaßen für die Sonatina von 1941, mit welcher der 29-jahrige eine erstaunliche kompositorische Meisterschaft erreichte. Als Nachfolgerin der lebhaften Sonaten des 18. Jahrhunderts verbindet sie den Geist des Jazz mit der europäischen Tradition. Yvar Mikhashoff, der in Abstimmung mit dem Komponisten einige Transkriptionen von dessen Musik vornahm, erarbeitete eine vierhändige Version der Sonatina. Wegen ihrer kontrapunktischen „Hexerei“ und Wildheit sind die Musiker dafür sehr dankbar.
Nancarrow mit zwei Player-Pianos und einem "percussion orchestra", Mexico City, 1955 |
In den Vereinigten Staaten frustrierte Nancarrow die mangelnde Bereitschaft der Musiker, sich den Anforderungen seiner Werke zu stellen. ln Mexiko City, wo noch weniger Musiker gewillt waren, sich komplexer neuer Musik zuzuwenden, war die Situation schlimmer. Nachdem sich Nancarrow erfolglos um die Einrichtung eines mechanischen Schlagwerks zur Erforschung seiner rhythmischen Ideen bemüht hatte, fand er die Lösung für sein Problem: das Player-Piano, ein mechanisches, durch Lochkarten angetriebenes Klavier. Obwohl von seinen desillusionierenden Erfahrungen mit zeitgenössischen Musikern erzwungen, war sein Interesse am Player-Piano doch positiv begründet. Dessen einzigartiger Klang und die mit ihm verbundenen Möglichkeiten, die Komponisten wie Hindemith und Cowell beeindruckt hatten, eröffneten die Chance einer neuen Art von Musik. Als er die technischen Voraussetzungen geschaffen hatte, eigene Rollen zu lochen, konnte Nancarrow seinen kontrapunktischen und rhythmischen Interessen in idealer Weise nachgehen.
Von den späten 1940er Jahren bis zu seinem Tod gab Nancarrow dem Klavier durch seine kompositorische Virtuosität ein neues Leben, von dem dessen Erfinder nicht zu träumen gewagt hätten. Dadurch, dass ausführende Musiker nun nicht mehr nötig waren, entzog er seinen Namen allerdings dem Konzertsaal, begrenzte die Möglichkeiten, Anerkennung zu finden, und verdeckte gleichsam die Existenz seiner früheren Werke. Aufnahmen und die Veröffentlichung von Teilen der Musik für Player-Piano sowie ein MacArthur Foundation-Stipendium im Jahr 1982 erweckten schließlich doch noch die Aufmerksamkeit des Publikums. Nun ermutigten ihn Musiker, wieder Konzertwerke zu schreiben. Auf bedeutende europäische Festivals eingeladen, gewann er eine internationale Anhängerschaft.
Conlon Nancarrow (1912-1997) |
In den frühen l980er Jahren ließ sich Nancarrow dazu überreden. den stilisierten Tanz mit Variationen Tango? (1983) für Mikhashoffs International Tango Collection zu schreiben. Sodann willigte er ein, für Continuums Nancarrow-Retrospektive l986 im Lincoln Center ein Stück zu schreiben — ein Kompositionsauftrag der Mäzenin Betty Freeman in Los Angeles. Bescheiden schränkte er ein, dass es ein kleines Stück werden könnte, doch was herauskam, war die erste groß angelegte Komposition seit den Studien für Player-Piano: Piece No. 2 for Small Orchestra (1986). Obgleich kompakt, ist es doch ein Hauptwerk, indem es die Essenz der Studies aufgreift und die Tür aufstößt zu neuen Möglichkeiten der Aufführung von Musik. Nancarrow vereint hier im Rahmen tempobestimmter Kanons eine unglaubliche Fülle an Stimmungen und Gesten und führt damit Techniken weiter, die er in seinen Studien entwickelt hatte. Das musikalische Geschehen fesselt das Ohr des Hörers augenblicklich: die komplexen Strukturen sind lediglich Mittel zum Zweck — ein Werk, dessen Teile allmählich zu einem großen und farbigen Ganzen zusammenfinden. Das Stück hat zwei miteinander verbundene Sätze; der zweite beginnt mit dem Oboensolo, das auf den Höhepunkt des Duos von Klavier und Kontrabass folgt.
Der Kompositionsauftrag und die Premiere des Piece No. 2 veranlassten Nancarrow, die Verbindung zu Konzertmusikern wieder aufzunehmen. Er schrieb in der Folge ein weiteres Streichquartett, ein Trio, kanonische Klavierstücke und ein Orchesterwerk mit Player-Piano. Dann setzte schwere Krankheit seiner Kreativität ein Ende. Conlon Nancarrow starb 1997 in Mexiko.
Quelle: Continuum, im Booklet. [Deutsche Fassung: Thomas Theise]
TRACKLIST Conlon Nancarrow (1912-1997): A Continuum Portrait (01) Piece No. 1 for Small Orchestra (1943) 7:01 Joel Sachs, conductor (02) Toccata for Violin and Player Piano (1935) 1:38 Mia Wu, violin (03) Prelude and Blues (1935) 3:22 Prelude - arranged and performed for piano four-hands by Cheryl Seltzer and Joel Sachs Blues - Cheryl Seltzer, piano (04) Study No. 15 (l950s) 1:13 Transcribed for piano four-hands by Yvar Mikhashoff Cheryl Seltzer, Joel Sachs. piano four-hands (05) ?Tango? (1984) 2:49 Cheryl Seltzer, piano Sonatina for Piano (1941) 4:49 Transcribed for piano four-hands by Yvar Mikhashoff (06) Presto 1:29 (07) Moderato 1:47 (08) Allegro molto 1:33 Cheryl Seltzer, Joel Sachs, piano four-hands (09) Trio Movement (1942) 2:4l David Krakauer. clarinet Celeste Marie Roy, bassoon Joel Sachs, piano String Quartet No. 1 (1945) 10:38 (10) Allegro molto 2:40 (11) Andante moderato 3:15 (12) Prestissimo 4:43 Mia Wu, Mark Steinberg. violins Rachel Evans. viola Maria Kitsopoulos, cello (13) Piece No. 2 for Small Orchestra (1986) 10:31 Commissioned for Continuum by Betty Freeman Joel Sachs, conductor Total Time: 44:40 Continuum Cheryl Seltzer and Joel Sachs, Directors Chamber Orchestra: Claudia Coonce, Oboe David Krakauer, Clarinet Celeste Marie Roy, Bassoon Richard Kelley, Trumpet Kaitilin Mahony, Alexandra Cook. French Horns Benjamin Herrington, Trombone Cheryl Seltzer, Marian Lee, Piano Mia Wu, Mark Steinberg, Violins Rachel Evans, Viola Maria Kitsopoulos, Anna Cholakian. Cellos Nico Abondolo. Double bass Recorded in June 1989 at Merkin Concert Hall and in October 1989 at the American Academy and Institute of Arts and Letters, New York City Produced by Cheryl Seltzer and Joel Sachs Engineer and editor: Frederick J. Bashour Second engineer: Jodi L. Johnson (P) 1991 (C) 2005
Baltasar Gracián
Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit
Deutsch von Arthur Schopenhauer
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Ein rechtschaffner Mann seyn: stets steht dieser auf der Seite der Wahrheit, mit solcher Festigkeit des Vorsatzes, daß weder die Leidenschaft des großen Haufens, noch die Gewalt des Despoten ihn jemals dahin bringen, die Gränze des Rechts zu übertreten. Allein wer ist dieser Phönix der Gerechtigkeit? Wohl wenige ächte Anhänger hat die Rechtschaffenheit. Zwar rühmen sie Viele, jedoch nicht für ihr Haus. Andre folgen ihr bis zum Punkt der Gefahr: dann aber verleugnen sie die Falschen, verhehlen sie die Politischen. Denn sie kennt keine Rücksicht, sei es daß sie mit der Freundschaft, mit der Macht, oder sogar mit dem eigenen Interesse sich feindlich begegnete: hier nun liegt die Gefahr abtrünnig zu werden. Jetzt abstrahiren, mit scheinbarer Metaphysik, die Schlauen von ihr, um nicht der Absicht der Höheren, oder der Staatsräson in den Weg zu treten. Jedoch der beharrliche Mann hält jede Verstellung für eine Art Verrath: er setzt seinen Werth mehr in seine unerschütterliche Festigkeit, als in seine Klugheit. Stets ist er zu finden, wo die Wahrheit zu finden ist: und fällt er von einer Partei ab; so ist es nicht aus Wankelmuth von seiner, sondern von ihrer Seite, indem sie zuvor von der Sache der Wahrheit abgefallen war.
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Sich nicht zu Beschäftigungen bekennen, die in schlechtem Ansehn stehn, noch weniger zu Schimären, wodurch man sich eher in Verachtung, als in Ansehn bringt. Es giebt mancherlei grillenhafte Sekten, von welchen allen der kluge Mann sich fern hält. Aber es giebt Leute von wunderlichem Geschmack, welche immer nach dem greifen, was die Weisen verworfen haben, und dann in diesen Seltsamkeiten sich gar sehr gefallen. Dadurch werden sie zwar allgemein bekannt, doch mehr als Gegenstand des Lachens, als des Ruhms. Sogar zur Weisheit wird der umsichtige Mann sich nicht auf eine hervorstechende Weise bekennen, viel weniger zu Dingen, welche ihre Anhänger lächerlich machen. Sie werden hier nicht aufgezählt, weil die allgemeine Verachtung sie genugsam bezeichnet hat.
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Die Glücklichen und Unglücklichen kennen, um sich zu jenen zu halten, und diese zu fliehen. Das Unglück ist meistentheils Strafe der Thorheit, und für die Theilnehmer ist keine Krankheit ansteckender. Man darf nie dem kleinem Uebel die Thüre öffnen: denn hinter ihm werden sich stets viele andre und größere einschleichen. Die feinste Kunst beim Spiel besteht im richtigen Ekartiren: und die kleinste Karte der Farbe die jetzt Trumpf ist, ist wichtiger, als die größte derjenigen, die es vorher war. Ist man zweifelhaft; so ist das Gescheuteste, sich zu den Klugen und Vorsichtigen zu halten, da diese früh oder spät das Glück einholen.
Baltasar Gracián: Oráculo manual y arte de prudencia..., Huesca, Juan Nogués, 1647. |
Im Rufe der Gefälligkeit stehn. Das Ansehn derer, die am Staatsruder stehn, gewinnt sehr dadurch, daß sie willfährig sind, und die Huld ist eine Eigenschaft der Herrscher, durch welche sie die allgemeine Gunst erlangen. Dies ist ja eben der einzige Vorzug, den die höchste Macht giebt, daß man mehr Gutes thun kann, als alle Andern. Freunde sind die, welche Freundschaft erweisen. Dagegen giebt es Andre, welche sich darauf legen, ungefällig zu seyn‚ nicht so sehr wegen des Beschwerlichen, als aus Tücke: sie sind ganz und gar das Gegentheil der göttlichen Milde.
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Sich zu entziehn wissen. Wenn eine große Lebensregel die ist, daß man zu verweigern verstehe; so folgt, daß es eine noch wichtigere ist, daß man sich selbst, sowohl den Geschäften als den Personen, zu verweigern wisse. Es giebt fremdartige Beschäftigungen, welche die Motten der kostbaren Zeit sind. Sich mit etwas Ungehörigem beschäftigen, ist schlimmer als Nichtsthun. Für den Umsichtigen ist es nicht hinreichend, daß er nicht zudringlich sei, sondern er muß auch dafür sorgen, daß Andre sich ihm nicht aufdringen. So sehr darf man nicht Allen angehören, daß man nicht mehr sich selber angehörte. Eben so darf man auch seinerseits nicht seine Freunde mißbrauchen, und nicht mehr von ihnen verlangen, als sie eingeräumt haben. Jedes Uebermaaß ist fehlerhaft, aber am meisten im Umgang. Mit dieser klugen Mäßigung wird man sich am besten die Gunst und Werthschätzung Aller erhalten, weil alsdann der so kostbare Anstand nicht allmälig bei Seite gesetzt wird. Man erhalte sich also die Freiheit seiner Sinnesart, liebe innig das Auserlesene jeder Gattung, und thue nie der Aufrichtigkeit seines guten Geschmackes Gewalt an.
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Seine vorherrschende Fähigkeit kennen, sein hervorstechendes Talent; sodann dieses ausbilden und den übrigen nachhelfen. Jeder wäre in irgend etwas ausgezeichnet geworden, hätte er seinen Vorzug gekannt. Man beobachte also seine überwiegende Eigenschaft und verwende auf diese allen Fleiß. Bei Einigen ist der Verstand, bei Andern die Tapferkeit vorherrschend. Die Meisten thun aber ihren Naturgaben Gewalt an, und bringen es deshalb in nichts zur Ueberlegenheit. Das, was Anfangs der Leidenschaft schmeichelte, wird von der Zeit zu spät als Irrthum aufgedeckt.
Baltasar Gracián y Morales S.J. (1601-1658). Porträt-Variante 1: Zeichnung von Vicente Carderera (1796-1880) |
Nachdenken, und am meisten über das, woran am meisten gelegen. Weil sie nicht denken, gehn alle Dummköpfe zu Grunde: sie sehn in den Dingen nie auch nur die Hälfte von dem, was da ist; und da sie sich so wenig anstrengen, daß sie nicht einmal ihren eigenen Schaden oder Vortheil begreifen, legen sie großen Werth auf das, woran wenig, und geringen auf das, woran viel gelegen, stets verkehrt abwägend. Viele verlieren den Verstand deshalb nicht, weil sie keinen haben. Es giebt Sachen, die man mit der ganzen Anstrengung seines Geistes untersuchen und nachher in der Tiefe desselben aufbewahren soll. Der Kluge denkt über Alles nach, wiewohl mit Unterschied: er vertieft sich da, wo er Grund und Widerstand findet, und denkt bisweilen, daß er noch mehr da ist, als er denkt: dergestalt reicht sein Nachdenken eben so weit als seine Besorgniß.
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Sein Glück erwogen haben; um zu handeln, um sich einzulassen. Daran ist mehr gelegen, als an der Beobachtung seines Temperaments. Ist aber der ein Thor, welcher im vierzigsten Jahre sich an den Hippokrates, seiner Gesundheit halber, wendet, so ist es der noch mehr, welcher dann erst an den Seneka, der Weisheit wegen. Es ist eine große Kunst, sein Glück zu leiten zu wissen, indem man bald es abwartet, denn auch mit Warten ist bei ihm etwas auszurichten, bald es zur rechten Zeit benutzt, da es Perioden hält und Gelegenheiten darbietet; obwohl man ihm seinen Gang nicht ablernen kann, so regellos sind seine Schritte. Wer es günstig befunden hat, schreite keck vorwärts; denn es liebt die Kühnen leidenschaftlich, und, als schönes Weib, auch die Jünglinge. Wer aber Unglück hat, thue nichts mehr; sondern ziehe sich zurück, damit er nicht zu dem Unstern, der schon über ihm steht, einen zweiten heranrufe.
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Stichelreden kennen und anzuwenden verstehn. Dies ist der Punkt der größten Feinheit im menschlichen Umgang. Solche Stichelreden werden oft hingeworfen, um die Gemüther zu prüfen, und mittelst ihrer stellt man die versteckteste und zugleich eindringlichste Untersuchung des Herzens an. Eine andre Art derselben sind die boshaften, verwegenen, vom Gift des Neides angesteckten‚ oder mit dem Geifer der Leidenschaft getränkten: diese sind oft unvorhergesehene Blitze, durch welche man aus aller Gunst und Hochachtung mit Einem Male herabgeschleudert wird: von einem leichten Wörtchen dieser Art getroffen, sind manche aus dem engsten Vertrauen der höchsten oder geringerer Personen herabgestürzt, denen doch auch nur den mindesten Schreck zu erregen, eine vollständige Verschwörung zwischen der Unzufriedenheit der Menge und der Bosheit der Einzelnen, unvermögend gewesen war. Wieder einer andre Art von Stichelreden wirkt im entgegengesetzten Sinne, indem sie unser Ansehn stützt und befestigt. Allein mit derselben Geschicklichkeit, mit welcher die Absichtlichkeit sie schleudert, muß die Vorkehr sie empfangen, ja die Umsicht sie schon zum voraus erwarten. Denn hier beruht die Abwehr auf der Kenntniß des Uebels, und der vorhergesehene Schuß verfehlt jedesmal sein Ziel.
Baltasar Gracián y Morales S.J. (1601-1658). Porträt-Variante 2. |
Vom Glücke beim Gewinnen scheiden: so machen es alle Spieler von Ruf. Ein schöner Rückzug ist eben so viel Werth, als ein kühner Angriff. Man bringe seine Thaten, wann ihrer genug, wann ihrer viele sind, in Sicherheit. Ein lange anhaltendes Glück ist allemal verdächtig: das unterbrochene ist sicherer und das Süßsaure desselben sogar dem Geschmack angenehmer. Je mehr sich Glück auf Glück häuft, desto mehr Gefahr laufen sie auszugleiten und alle miteinander niederzustürzen. Die Höhe der Gunst des Glücks wird oft durch die Kürze ihrer Dauer aufgewogen: denn das Glück wird es müde, Einen so lange auf den Schultern zu tragen.
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Den Punkt der Reife an den Dingen kennen, um sie dann zu genießen. Die Werke der Natur gelangen alle zu einem Gipfel ihrer Vollkommenheit: bis dahin nahmen sie zu, von dem an ab: unter denen der Kunst hingegen sind nur wenige, die dahin gebracht wären, daß sie keiner Verbesserung mehr fähig sind. Es ist ein Vorzug des guten Geschmacks, daß er jede Sache auf dem Punkte ihrer Vollendung genießt: Alle können dies nicht, und die es könnten, verstehn es nicht. Sogar für die Früchte des Geistes giebt es einen solchen Punkt der Reife: es ist wichtig ihn zu kennen, hinsichtlich der Schätzung sowohl als der Ausübung.
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Gunst bei den Leuten. Die allgemeine Bewundrung zu erlangen ist viel; mehr jedoch, die allgemeine Liebe. In etwas hängt es von der Gunst der Natur, aber mehr von der Bemühung ab: jene legt den, Grund; diese führt es aus. Ausgezeichnete Fähigkeiten reichen nicht hin, obwohl sie vorausgesetzt werden: denn hat man einmal die Meinung gewonnen, so ist es leicht auch die Zuneigung zu gewinnen. Sodann erwirbt man Wohlwollen nicht ohne Wohlthun: Gutes gethan‚ mit beiden Händen, schöne Worte, noch bessere Thaten, lieben, um geliebt zu werden. Die Höflichkeit ist die größte politische Zauberei der Großen. Erst strecke man seine Hand zu Thaten aus, und sodann nach den Federn; vom Stichblatt nach dem Geschichtsblatt: denn es giebt auch eine Gunst der Schriftsteller, und sie ist unsterblich.
Baltasar Gracián y Morales S.J. (1601-1658). Porträt-Variante 3: Anonym, 17. Jahrhundert, Museu de Belles Arts de València |
Nie übertreiben. Es sei ein wichtiger Gegenstand unsrer Aufmerksamkeit, nicht in Superlativen zu reden; theils um nicht der Wahrheit zu nahe zu treten, theils um nicht unsern Verstand herabzusetzen. Die Uebertreibungen sind Verschwendungen der Hochschätzung, und zeugen von der Beschränktheit unsrer Kenntnisse und unsers Geschmacks. Das Lob erweckt lebhafte Neugierde, reizt das Begehren, und wann nun nachher, wie es sich gemeiniglich trifft, der Werth dem Preise nicht entspricht; so wendet die getäuschte Erwartung sich gegen den Betrug, und rächt sich durch Geringschätzung des Gerühmten und des Rühmers. Daher gehe der Kluge zurückhaltend zu Werke und fehle lieber durch das zu wenig, als durch das zu viel. Die ganz außerordentlichen Dinge jeder Art sind selten; also mäßige man seine Werthschätzung. Die Uebertreibung ist der Lüge verwandt, und durch dieselbe kommt man um den Ruf des guten Geschmacks, welches viel, und um den der Verständigkeit‚ welches mehr ist.
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Von angeborner Herrschaft. Sie ist die geheim wirkende Kraft der Ueberlegenheit. Nicht aus einer widerlichen Künstelei darf sie hervorgehn; sondern aus einer gebietenden Natur. Alle unterwerfen sich ihr, ohne zu wissen wie, indem sie die verborgene Macht natürlicher Autorität anerkennen. Diese gebietenden Geister sind Könige durch ihren Werth, und Löwen, kraft angeborenen Vorrechts. Durch die Hochachtung, die sie einflößen, nehmen sie Herz und Verstand der Uebrigen gefangen. Sind solchen nun auch die andern Fähigkeiten günstig; so sind sie geboren, die ersten Hebel der Staatsmasdiine zu seyn: denn sie wirken mehr durch eine Miene, als Andre durch eine lange Rede.
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Denken wie die Wenigsten und reden wie die Meisten. Gegen den Strohm schwimmen wollen vermag keineswegs den Irrthum zu zerstören, sehr wohl aber, in Gefahr zu bringen. Nur ein Sokrates konnte es unternehmen. Von Andrer Meinung abweichen, wird für Beleidigung gehalten; denn es ist ein Verdammen des fremden Urtheils. Bald mehren sich die darob Verdrießlichen, theils des getadelten Gegenstandes, theils wegen dessen, der ihn gelobt hatte. Die Wahrheit ist für Wenige, der Trug so allgemein wie gemein. Den Weisen wird man nicht an dem erkennen, was er auf dem Marktplatz redet: denn dort spricht er nicht mit seiner Stimme, sondern mit der der allgemeinen Thorheit, so sehr auch sein Inneres sie verleugnen mag. Der Kluge vermeidet eben so sehr, daß man ihm, als daß er Andern widerspreche: so bereit er zum Tadel ist, so zurückhaltend in der Aeußerung desselben. Das Denken ist frei, ihm kann und darf keine Gewalt geschehn. Daher zieht der Kluge sich zurück in das Heiligthum seines Schweigens: und läßt er ja sich bisweilen aus; so ist es im engen Kreise Weniger und Verständiger.
Baltasar Gracián y Morales S.J. (1601-1658). Porträt-Variante 4.. |
Mit großen Männern sympathisiren. Es ist eine Eigenschaft der Heroen, mit Heroen übereinzustimmen. Hierin liegt ein Wunder der Natur, sowohl wegen des Geheimnißvollen darin, als auch wegen des Nützlichen. Es giebt eine Verwandschaft der Herzen und Gemüthsarten: ihre Wirkungen sind solche, wie die Unwissenheit des großen Haufens sie Zaubertränken zuschreibt. Sie bleibt nicht bei der Hochachtung stehn, sondern geht bis zum Wohlwollen, ja bis zur Zuneigung. Sie überredet ohne Worte und erlangt ohne Verdienst. Es giebt eine aktive und eine passive: beide sind heilbringend, und um so mehr, in je erhabenerer Gattung. Es ist eine große Geschicklichkeit, sie zu erkennen, zu unterscheiden und sie zu nutzen zu verstehn. Denn kein Eigensinn kann ohne diese geheime Gunst zum Zwecke führen.
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Von der Schlauheit Gebrauch, nicht Mißbrauch machen. Man soll sich nicht in ihr gefallen, noch weniger sie zu verstehn geben. Alles Künstliche muß verdeckt bleiben, weil es verdächtig ist, besonders aber, wenn es Vorsichtsmaaßregeln betrifft; denn da ist es verhaßt. Der Betrug ist stark im Gebrauch; daher verdoppele sich der Verdacht, ohne jedoch sich zu erkennen zu geben; weil er sonst Mißtrauen erregt, sehr kränkt, zur Rache auffordert und Schlechtigkeiten erweckt, an welche vorher Keiner gedacht hatte. Mit Ueberlegung zu Werke gehn, ist ein mächtiger Vortheil beim Handeln, und es giebt keinen sichern Beweis von Vernunft. Die größte Vollkommenheit der Handlungen stützt sich auf die sichere Meisterschaft, mit der man sie ausführt.
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Seine Antipathie bemeistern. Oft verabscheuen wir aus freien Stücken, und sogar ehe wir die Eigenschaften der betreffenden Person kennen gelernt haben: bisweilen wagt dieser angeborene, pöbelhafte Widerwille sich selbst gegen die ausgezeichnetesten Männer zu regen. Die Klugheit werde Herr über ihn: denn nichts kann eine schlechtere Meinung von uns erregen, als daß wir die verabscheuen, welche mehr werth sind als wir. So sehr als die Sympathie mit großen Männern zu unserm Vortheil spricht, setzt die Antipathie gegen dieselben uns herab.
Tizian: Allegorie der von der Klugheit beherrschten Zeit. Circa 1550 bis 1565, Öl auf Leinwand, 75,5 x 68,4 cm, National Gallery, London |
Ehrensachen meiden. Einer der wichtigsten Gegenstände der Vorsicht. In Leuten von umfassendem Geiste liegen stets die Extreme sehr weit von einander entfernt, so daß ein langer Weg vom einen zum andern ist: sie selbst aber halten sich immer im Mittelpunkt ihrer Klugheit, daher sie es nicht leicht zum Bruche kommen lassen. Denn es ist viel leichter einer Gelegenheit dieser Art auszuweichen, als mit Glück aus derselben heraus zu kommen. Dergleichen sind Versuchungen unsrer Klugheit, und es ist sicherer sie zu fliehen, als in ihnen zu siegen. Eine Ehrensache führt eine andre und schlimmere herbei, und dabei kann die Ehre leicht sehr zu Schaden kommen. Es giebt Leute, die, vermöge ihres eigenthümlichen, oder ihres National-Karakters, leicht Gelegenheit nehmen und geben, und geneigt sind Verpflichtungen dieser Art einzugehn. Hingegen bei dem, der am Lichte der Vernunft wandelt, bedarf die Sache längerer Ueberlegung. Er sieht mehr Muth darin, sich nicht einzulassen, als zu siegen: und wenn auch etwa ein allezeit bereitwilliger Narr da ist; so bittet er zu entschuldigen, daß er nicht Lust hat, der andre zu seyn.
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Gründlichkeit und Tiefe: nur so weit man diese hat, kann man mit Ehren eine Rolle spielen. Stets muß das Innere noch einmal soviel seyn, als das Aeußere. Dagegen giebt es Leute von bloßer Fassade, wie Häuser, die, weil die Mittel fehlten, nicht ausgebaut sind und den Eingang eines Pallasts‚ den Wohnraum einer Hütte haben. An solchen ist gar nichts, wobei man lange weilen könnte, obwohl sie langweilig genug sind; denn, sind die ersten Begrüßungen zu Ende, so ist es auch die Unterhaltung. Mit den vorläufigen Höflichkeitsbezeugungen treten sie wohlgemuth auf, wie Sicilianische Pferde, aber gleich darauf versinken sie in Stillschweigen: denn die Worte versiegen bald, wo keine Quelle von Gedanken fließt. Andre, die selbst einen oberflächlichen Blick haben, werden leicht von diesen getäuscht; aber nicht so die Schlauen: diese gehn aufs Innere und finden es leer, bloß zum Spotte gescheuter Leute tauglich.
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Scharfblick und Urtheil. Wer hiemit begabt ist bemeistert sich der Dinge, nicht sie seiner: die größte Tiefe weiß er zu ergründen und die Fähigkeiten eines Kopfs auf das vollkommenste anatomisch zu zerlegen. Indem er einen Menschen sieht, versteht er ihn und beurtheilt sein innerstes Wesen. Er macht feine Beobachtungen und versteht meisterhaft das verborgenste Innere zu entziffern. Er bemerkt scharf, begreift gründlich und urtheilt richtig: Alles entdeckt, sieht, faßt und versteht er.
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Nie setze man die Achtung gegen sich selbst aus den Augen, und mache sich nicht mit sich selbst gemein. Unsre eigene Makellosigkeit muß die Richtschnur für unsern untadelhaften Wandel seyn, und die Strenge unsers eigenen Urtheils muß mehr über uns vermögen, als alle äußeren Vorschriften. Das Ungeziemende unterlasse man mehr aus Scheu vor seiner eigenen Einsicht, als aus der vor der strengsten fremden Autorität. Man gelange dahin, sich selbst zu fürchten; so wird man nicht Seneka’s imaginären Hofmeister nöthig haben.
Einstiegsbild zum Blog »Bread or Circuses«. Leider ist mehr nicht erschienen. |
Zu wählen wissen. Das Meiste im Leben hängt davon ab. Es erfordert guten Geschmack und richtiges Urtheil: denn weder Gelehrsamkeit noch Verstand reichen aus. Ohne Wahl ist keine Vollkommenheit: jene schließt in sich, daß man wählen könne, und das Beste. Viele, von fruchtbarem und gewandtem Geist, scharfem Verstande, Gelehrsamkeit und Umsicht, wenn sie zum Wählen kommen, gehn dennoch zu Grunde: sie ergreifen allemal das Schlechtste, als ob sie es darauf anlegten, irre zu gehn. Also ist dieses eine der größten Gaben von Oben.
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Nie aus der Fassung gerathen. Ein großer Punkt der Klugheit, nie sich zu entrüsten. Es zeigt einen ganzen Mann, von großem Herzen an: denn alles Große ist schwer zu bewegen. Die Affekten sind die krankhaften Säfte der Seele, und an jedem Uebermaaße derselben erkrankt die Klugheit: steigt gar das Uebel bis zum Munde hinaus; so läuft die Ehre Gefahr. Man sei daher so ganz Herr über sich und so groß, daß weder im größten Glück, noch im größten Unglück, man die Blöße einer Entrüstung gebe, vielmehr, als über jene erhaben, Bewundrung gebiete.
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Thätigkeit und Verstand. Was dieser ausführlich durchdacht hat, führt jene rasch aus. Eilfertigkeit ist eine Eigenschaft der Dummköpfe: weil sie den Punkt des Anstoßes nicht gewahr werden, gehn sie ohne Vorkehr zu Werke. Dagegen pflegen die Weisen eher durch Zurückhaltung zu fehlen: denn das Vorhersehn gebiert Vorkehrungen: und so vereitelt Mangel an Thatkraft bisweilen die Früchte des richtigen Urtheils. Schnelligkeit ist die Mutter des Glücks. Wer nichts auf Morgen ließ, hat viel gethan. Eile mit Weile, war ein recht Kaiserlicher Wahlspruch.
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Haare auf den Zähnen haben. Den todten Löwen zupfen sogar die Haasen an der Mähne. Mit der Tapferkeit läßt sich nicht Scherz treiben. Giebst du dem Ersten nach; so mußt du es auch dem Andern und so bis zum Letzten, und spät zu siegen, hast du die selbe Mühe, die dir gleich Anfangs viel mehr genutzt hätte. Der geistige Muth übertrifft die körperliche Kraft: er sei ein Schwerdt, das stets in der Scheide der Klugheit ruht, für die Gelegenheit bereit. Er ist der Schirm der Person: die geistige Schwäche setzt mehr herab als die körperliche. Viele hatten außerordentliche Fähigkeiten, aber weil es ihnen an Herz fehlte, lebten sie wie Todte und endigten begraben in ihrer Unthätigkeit. Nicht ohne Absicht hat die sorgsame Natur, in der Biene, die Süße des Honigs mit der Schärfe des Stachels verbunden. Sehnen und Knochen hat der Leib; so sei der Geist auch nicht lauter Sanftmuth.
Arthur Schopenhauer. Porträtfotografie von J. Schäfer, März 1859 |
Warten können. Es beweist ein großes Herz mit Reichthum an Geduld, wenn man nie in eiliger Hitze, nie leidenschaftlich ist. Erst sei man Herr über sich; so wird man es nachher über Andre seyn. Nur durch die weiten Räume der Zeit gelangt man zum Mittelpunkte der Gelegenheit. Weise Zurückhaltung bringt die richtigen, lange geheim zu haltenden Beschlüsse zur Reife. Die Krücke der Zeit richtet mehr aus als die eiserne Keule des Herkules. Gott selbst züchtigt nicht mit dem Knittel, sondern mit der Zeit. Es war ein großes Wort: „die Zeit und ich nehmen es mit zwei Andern auf." (Dies soll Philipp der Zweite gesagt haben.) Das Glück selbst krönt das Warten durch die Größe des Lohns.
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Geistesgegenwart haben. Sie entspringt aus einer glücklichen Schnelligkeit des Geistes. Für sie giebt es keine Gefahren noch Unfälle, Kraft ihrer Lebendigkeit und Aufgewecktheit. Manche denken viel nach, um nachher Alles zu verfehlen: Andre treffen Alles, ohne es vorher überlegt zu haben. Es giebt antiparastatische Genies, die erst in der Klemme am besten wirken: sie sind eine Art Ungeheuer, denen aus dem Stegreif Alles, mit Ueberlegung nichts gelingt: was ihnen nicht gleich einfällt, finden sie nie: in ihrem Kopfe ist kein Ap[p]ellationshof. Die Raschen also erlangen Beifall, weil sie den Beweis einer gewaltigen Fähigkeit, Feinheit im Denken und Klugheit im Thun ablegen.
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Sichrer sind die Ueberlegten: schnell genug geschieht was gut geschieht. Was sich auf der Stelle macht, kann auch auf der Stelle wieder zu nichte werden: aber was eine Ewigkeit dauern soll, braucht auch eine, um zu Stande zu kommen. Nur die Vollkommenheit gilt, und nur das Gelungene hat Dauer. Verstand und Gründlichkeit schaffen unsterbliche Werke. Was viel werth ist, kostet viel. Ist doch das edelste Metall das schwerste.
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Sich anzupassen verstehn. Nicht Allen soll man auf gleiche Weise seinen Verstand zeigen, und nie mehr Kraft verwenden, als grade nöthig ist. Nichts werde verschleudert‚ weder vom Wissen, noch vom Leisten. Der gescheute Falkonier läßt nicht mehr Vögel steigen, als die Jagd erfordert. Man lege nicht immer Alles zur Schau: sonst wird es Morgen Keiner mehr bewundern. Immer habe man etwas Neues, damit zu glänzen: denn wer jeden Tag mehr aufdeckt, unterhält die Erwartung, und nie werden die Gränzen seiner großen Fähigkeiten aufgefunden.
Quelle: Baltasar Gracián: Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit. Deutsch von Arthur Schopenhauer. Herausgegeben von Arthur Hübscher. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1985, dtv 2167, ISBN 3 423 02167 5, Seiten 16 bis 27
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