Wir haben die Bildkunst des vorigen Jahrhunderts wieder schätzen gelernt. Sie führt uns zu Mendelssohns Klavierstücken. Felix Mendelssohn Bartholdy — das Sonntagskind, »der schöne Zwischenfall der deutschen Musik« (Nietzsche) — hatte, im Gegensatz zu vielen Musikern, eine leidenschaftliche und fruchtbare Beziehung zur bildenden Kunst, teils als Folge seiner klassisch—humanistischen Bildung, teils aus Anlage, denn er war, was widersprüchlich klingen mag, ein Augenmensch nach Art seines Mentors Goethe. Das zeigen seine Reisebriefe, die zu den schönsten Landschaftsbildern deutscher Prosa gehören. Das belegen die vielen Zeichnungen, die er — »das wandelnde Skizzenbuch«‚ wie ihn Schwager Henselt nannte — unterwegs mit sicherem Strich aufs Papier zu werfen liebte. Wie alles in der Kunst und im Leben fiel ihm das Zeichnen leicht. Er besaß den aufs Wesentliche des Objekts gerichteten, aufnehmenden Blick, den Sinn für das räumliche Tiefe gewinnende Detail, die schlanke Präzision der Umrisse und die Gabe, eine Szenerie in sich zu runden, zu intimisieren und dem Betrachter ans Herz zu legen — kurz, jene Tugenden, wie sie den aus der Seh-Schule des Klassizismus hervorgegangenen Malern und Graphikern des Biedermeier wie der Romantik deutscher und englischer Herkunft eigen sind.
Felix Mendelssohn Bartholdy nach Carl Jäger, um 1870. |
Mendelssohns Klavier—Graphik versagt sich, Goethescher Maximen eingedenk, dem »Experiment«‚ der uferlosen Expression, dem Visionären und Provokanten. Mendelssohn mißtraute der explosiven französischen Romantik; in Frankreich, wo der Reiz des Ungewöhnlichen zählt, hat er denn auch nie Furore gemacht. Hingegen begegneten sich er und die distinguierte englische Romantik. Das viktorianisehe England war neben Leipzig und Berlin die Hochburg der Mendelssohn-Verehrung. Die insulare Neugotik entsprach Mendelssohns Oratorien und Bach-Adaptionen, das englische Genrebild seinen Jäger- und Spinnerliedern, seine Symmetrie den in Oxford und Cambridge gelehrten platonisch—aristotelischen Grundsätzen der Ästhetik.
Felix Mendelssohn Bartholdy im Doktormantel, Stich nach Hildebrandt, um 1835. |
Der Begriff Salon schillert. Er bezeichnet die gute Stube des Bürgers, wo das Klavier, das Leitfossil der bürgerlichen Musikkultur, stand und wo die kleinformatigen Bilder der Zeitgenossen zwischen biedermeierlichem Mobiliar hingen; er benennt aber auch den Treffpunkt anspruchsvoller, avantgardistischer und mitunter exzentrischer Geister, die sich zu Kunstgenuß und Gespräch um eine kluge Frau von Welt scharten, wie etwa um Rahel Varnhagen von Ense im Berlin des jungen Mendelssohn. Im Salon herrschte nicht unbedingt Stickluft. Im Gegenteil, die Fenster standen weit offen zur Natur. Die Natur, »das Natürliche« waren Themen der Zeit. Keine Epoche der bildenden Kunst hat — die alten Niederländer ausgenommen — so viel Natur dargestellt. Auch das beliebte Interieur war ein Stück Natur, Umwelt, Zuständlichkeit.
Der Augenblick, der Zustand, das Verweilen prägen diese bei aller Bewegtheit des Details statische Kunst. Wenig später kommt die Photographie auf, die Momentaufnahme. Der Ire John Field (1782—1837), der Vater des Nocturne und des pianistischen Salonstücks, lehrte, nur »Melodien in Ruhelage« seien wahrhafte Melodien, und träumte von einer »stehenden Musik«‚ dem äußersten Gegensatz zur großräumig bewegten Musik der Klassik.
Die musikalische Entsprechung zur Natur und Natürlichkeit war für Mendelssohn das Lied, das er, ähnlich wie Clemens Brentano und die Frühromantiker, in der reinsten, einfachsten Gestalt anonym dem Volksmund entsprungen glaubte. Dieser Schlichtheit gilt es nachzueifern. Die Einfachheit des melodischen Einfalls deckt sich mit der klaren Prägnanz des zeichnerischen Grundrisses. Mendelssohn hat viele Lieder mit und ohne Worte komponiert; durch geradlinige Sanglichkeit unterscheidet sich ihre komprimierte Lyrik von den differenzierten Seelenzuständen Schuberts wie Schumanns. Goethes Auffassung wirkte nach, einer schlicht geprägten Melodie müsse man sämtliche Strophen eines Gedichts unterlegen können, ganz wie im Volkslied. Es gibt »Lieder ohne Worte«, die Mendelssohn sogar mit »Volkslied« überschrieben hat, so Opus 53 Nr. 5, wo eine Sackpfeifermelodie einem a-moll—Lied im schottischen Tonfall präludiert.
Arbeitszimmer des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy Museum im Mendelssohn-Haus. |
Das Stimmungsbild im Kleinformat, der verdichtete Augenblick, zieht sich, meist andeutungsweise programmatisch, durch fast alle acht Hefte der Liederfolge. Es wurde — gegen Mendelssohns Willen, dem Illustratives, handgreiflich Programmatisches und biederer Naturalismus verhaßt waren — zum Ausgangspunkt für das rasch in Banalität ausgleitende »Charakterstück«, die Salon-Pièce der höheren Töchter. Mendelssohn behandelt solche Szenen mit einem schwerelosen Realismus. der vollends von der feingegliederten Form, vom Absolut-Musikalischen aufgefangen wird. Das eichendorffisch überhauchte, sogenannte »Jägerlied« (op. l9 Nr. 3) intensiviert die gängige Jagdszene der romantischen Malerei: schmetternde Einleitungsfanfaren, eine chorische A-dur-Melodie in dreiteiliger Verarbeitung (Mittelteil in cis-moll), breites, sozusagen orchestrales Nachspiel in der Coda. Das später so genannte »Spinnerlied« (op. 67 Nr. 4) ist ein Perpetuum mobile, das mit Presto-Sechzehnteln um einen Hauptton kreist, was wohl zur Assoziation Spinnrad geführt hat. Der Vergleich mit dem ungefähr gleichzeitig entstandenen Spinnrad-Chor der norwegischen Mädchen in Wagners »Fliegendem Holländer« — Heinrich Eduard Jacob stellt ihn an in seinem unübertroffen poetischen Werk über Mendelssohn — zeigt sogleich den Unterschied zwischen intimer und expansiver Romantik, zwischen Miniatur- und Großformatmalerei.
Musiksalon der Familie Mendelssohn, Museum im Mendelssohn-Haus |
Mendelssohn-Haus, Leipzig |
Man zeige jemandem, der keine Noten lesen kann, einige Seiten Mendelssohn und lasse ihn den Eindruck des Druckbilds wiedergeben. Er wird es graphisch, ja kalligraphisch nennen. In der Tat ist Mendelssohn ein musizierender Graphiker, in den nadelfeinen Linien seiner Melodik, in der kontrapunktischen Schraffierung, im Aussparen und Andeuten, in der zeichnerischen Klarheit des Aufrisses. Es war ein Irrtum der wagnerisch beeinflußten Nachwelt, Mendelssohn auf betuliche Kurzatmigkeit, Lavendel, Albumblattpoesie und Konservatorium festzulegen. Er war als Graphiker auf dem Klavier ein Seitenstück zu William Turner — dessen Zeichnungen übrigens denen Mendelssohns ähneln —, zu Ingres, Corot, Whistler und Theodore Rousseau; letztere in ihrer Eigenschaft als Graphiker verstanden. Wo Mendelssohn Farben verwendet, in den Klavierstücken wie in den Orchesterpartituren, bleiben diese Farbwerte stets in den zeichnerischen Umriß eingebunden. Er ist kein Kolorist, so viele Valeurs er auch kennt. Als Maler von Landschaften und Interieurs hat er zwar den Impressionismus vorbereiten helfen, aber er würde ihn nicht gebilligt haben.
Interieurs, Innenräume, Seelenansichten sind die rein instrumental angelegten Lieder ohne Worte, die in jedem der acht Hefte neben die lied- und genrehaft empfundenen Stücke treten. Manches streift Chopins Verbindung von poetischer Idee und technischer Studie, so die »Zwei Klavierstücke«, die erst 1860 gedruckt wurden, so das Perpetuum-mobile-Scherzo in b-moll op. 30 Nr. 2, so das auf Geläufigkeit der linken Hand und Oktavenmelodik der rechten abzielende Andante op. 30 Nr. 5, so die Leggiero-Studie op. 67 Nr. 2. Einige Agitato-Szenen sympathisieren mit dem Freunde Schumann, seinen Aufschwüngen, Nachtstücken, Visionen und Humorausbrüchen, seinem dichteren Klaviersatz und seiner verschränkten Stimmführung. Eine Nachtszene im schumannesken fis-moll ist Opus 19 Nr. 5, entwickelt aus einem gespenstischen Piano; das Seitenstück im hämmernden 3/8-Takt bildet das Agitato e con fuoco op. 30 Nr. 4, weitere Pendants sind Opus 38 Nr. 5 im 12/8-Rhythmus und mit Mittelstimmensynkopen, das Molto Allegro, vivace opus 53 Nr. 6 und das Allegro agitato opus 85 Nr. 2. Das 1872 als Opus 117 edierte »Albumblatt« entspricht im Aufbau dem kantablen Typus der Lieder ohne Worte und klingt in seinem E-dur-Mittelteil ausgesprochen schubertisch.
Felix Mendelssohn Bartholdy: Blick aus Reichels Garten auf das winterliche Leipzig, 1836, Aquarell, Mendelssohn-Haus Leipzig. |
Jedes Lied ohne Worte rundet sich, maßvoll, verbindlich, wie in einem feingeschnitzten Rahmen. Abrupte Schlüsse, Verblüffungseffekte, Ausbrechen aus der Grundtonart und ähnliche Praktiken der bekenntnissüchtigen, autobiographischen Romantik kommen nicht vor. Mit gutem Grund konnte Hans von Bülow sagen, ein Lied ohne Worte sei für ihn ebenso klassisch wie ein Gedicht von Goethe; wobei sein Vergleich hellsichtig das Goethesche in Mendelssohn erkennt. Der Typus »Lied ohne Worte« — dessen ungefähre Vorläufer in Beethovens Bagatellen und im Albumblatt »Für Elise«, bei Field und (weniger komprimiert) bei Schubert zu suchen wären — zieht sich durch die ganze Instrumentalmusik Mendelssohns. So ist das Streichquartett op. 13 die Explikation eines als Motto vorangestellten Liedes ohne Worte. Das kleine Format, die formvollendet gezeiehnete Miniatur, enthält das Essentielle Mendelssohns, des Biedermeier, der frühen Romantik und des Europa um 1840.
Quelle: Karl Schumann, im Booklet
Die Bilder zu diesem Text stammen vom Webportal des »Mendelsohn-Hauses und Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung«
William Turner: Venedig, 1834. Öl auf Leinwand, 90 x 122 cm, National Gallery of Art, Washington (D.C.) [Quelle] |
Und hier noch ein Link zu einer privaten Webside über Joseph Mallord William Turner mit vielen, zum Teil wenig bekannten Bildern.
TRACKLIST FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847) Lieder ohne Worte Songs without Words - Romances sans Paroles - Romanze senza parole - Romanzas sin palabras Kinderstücke op. 72 Pieces for Children - Pièces Enfantines - Pezzi infantili - Piezas infantiles Gondellied Gondola Song - Chanson des Gondoliers - Canto del gondoliere - Canción del gondolero 2 Klavierstücke 2 Piano Pieces - 2 Pièces pour Piano - 2 Pezzi per pianoforte - 2 Piezas para piano Albumblatt op. ll7 Album leaf - Feuille d’Album - Foglio d’album - Hoja de álbum DANIEL BARENBOIM, Piano COMPACT DISC 1 [60:03] Lieder ohne Worte, op. 19 01. Nr 1 E-Dur [03:08] 02. Nr 2 a-moll [02:19] 03. Nr 3 A-Dur "Jägerlied" [02:09] 04. Nr 4 A-Dur [02:02] 05. Nr 5 fis-moll [03:02] 06. Nr 6 g-moll "Venezianisches Gondellied" [01:52] Lieder ohne Worte, op. 30 07. Nr 1 Es-Dur [04:23] 08. Nr 2 b-moll [01:55] 09. Nr 3 E-Dur [02:13] 10. Nr 4 h-moll [02:29] 11. Nr 5 D-Dur [01:38] 12. Nr 6 fis-moll "Venezianisches Gondellied" [02:56] Lieder ohne Worte, op. 38 13. Nr 1 Es-Dur [02:40] 14. Nr 2 c-moll [01:53] 15. Nr 3 E-Dur [02:12] 16. Nr 4 A-Dur [02:26] 17. Nr 5 a-moll [02:15] 18. Nr 6 As-Dur "Duetto" [02:17] Lieder ohne Worte, op. 53 19. Nr 1 As-Dur [03:22] 20. Nr 2 Es-Dur [02:39] 21. Nr 3 g-moll [02:29] 22. Nr 4 F-Dur [02:23] 23. Nr 5 a-moll "Volkslied" [02:46] 24. Nr 6 A-Dur [02:35] COMPACT DISC 2 [72:43] Lieder ohne Worte, op. 62 01. Nr. 1 G-Dur [02:03] 02. Nr. 2 B-Dur [01:36] 03. Nr. 3 e-moll "Trauermarsch" [02:48] 04. Nr. 4 G-Dur [01:25] 05. Nr. 5 a-moll "Venezianisches Gondellied" [02:50] 06. Nr. 6 A-Dur "Frühlingslied" [02:08] Lieder ohne Worte, op. 67 07. Nr. 1 Es-Dur [02:24] 08. Nr. 2 fis-moll [02:08] 09. Nr. 3 B-Dur [02:41] 10. Nr. 4 C-Dur "Spinnerlied" [01:54] 11. Nr. 5 h-moll [02:10] 12. Nr. 6 E-Dur "Wiegenlied" [02:11] Lieder ohne Worte, op. 85 13. Nr. 1 F-Dur [02:24] 14. Nr. 2 a-moll [00:56] 15. Nr. 3 Es-Dur [02:22] 16. Nr. 4 D-Dur [02:51] 17. Nr. 5 A-Dur [01:48] 18. Nr. 6 B-Dur [02:01] Lieder ohne Worte, op. 102 19. Nr. 1 e-moll [03:10] 20. Nr. 2 D-Dur [02:13] 21. Nr. 3 D-dur [01:17] 22. Nr. 4 g-moll [02:16] 23. Nr. 5 A-Dur [01:06] 24. Nr. 6 C-Dur [02:34] Kinderstücke op. 72 25. Nr 1. Allegro non troppo [00:58] 26. Nr 2. Andante sostenuto [01:47] 27. Nr 3. Allegretto [00:57] 28. Nr 4. Andante con moto [01:47] 29. Nr 5. Allegro assai [01:31] 30. Nr 6. Vivace [01:28] 31. Gondellied (Barcarole) A-Dur Allegretto non troppo [02:32] 2 Klavierstücke 32. 1. Andante cantabile [03:07] 33. 2. Presto agitato [02:31] 34. Albumblatt op. 117, Allegro [04:49] Recording: Paris, Studio Europa Sonor, 6/1973; London, Rosslyn Hill Chapel, l2/l973 Executive Producer: Günter Breest - Recording Producer: Cord Garben Tonmeister (Balance Engineer): Hans Peter Schweigmann (P) 1974
Werner Krauss: Gracián und die Psychologen
Baltasar Gracián y Morales S.J. (1601-1658). |
Kant hatte die Stellung der Psychologie mit großer Vorsicht ausgemittelt und ihr „ein Plätzchen in der Metaphysik“ verstattet, obgleich „sie schon durch die Idee derselben davon gänzlich ausgeschlossen“ wäre. Denkbar war indessen nur eine „empirische Psychologie“. Der Begründer der positivistischen Wissenschaftslehre, Comte, war konsequent genug, um die Psychologie aus seinem System zu. verbannen. Das betrachtende Subjekt kann nicht zugleich betrachtetes Objekt sein: an die Stelle der Psychologie tritt daher folgerichtig die Soziologie. Unterdessen hatte die experimentelle Psychologie den Beweis erbracht, daß sie auf ihrem beschränkten Gebiet mit einem streng naturwissenschaftlichen Induktionsverfahren zu arbeiten verstand. Die Unergiebigkeit dieser Richtung, ihre grundsätzliche Blindheit gegenüber allen eigentlich seelischen Phänomen führte im Verlauf des Ablösungsprozesses von der positivistischen Wissenschaft zu der Entdeckung, daß den seelischen Erscheinungen nur Introspektion und Intuition gerecht werden könne. Das Verhältnis zu den Geisteswissenschaften, die sich ihrerseits zu konstituieren begannen, blieb dabei völlig in der Schwebe.
El Criticón (Erster Teil), Zaragoza 1651, von Baltasar Gracián. |
Oraculo Manual y Arte de Prudencia, 1669, von Baltasar Graciàn. |
Gracián gibt seinen beiden Helden einen solchen „Entzifferer“ (descifrador) als Begleiter mit durch das Maskentreiben der Einbildung. Seine Chiffrierkunst dringt mit ihren emblematischen Schlüsseln in jede Erscheinung. Sie legt mit einem einzigen Kennwort die innerste Absicht bloß. Grammatische Figuren geben mit einem Schlag das Bewegungsgesetz von ganzen Menschengruppen zu erkennen. Der Entzifferer kennt Menschen, die nur Diphthonge sind, bei denen die Mischung der Teile so gründlich verfehlt ist, daß sie nur lose oder in widerspruchsvoller Einheit zusammenhängen. Und neben der verunglückten Harmonie dieser Monstren gibt es die eingeklammerten Existenzen, die Parenthesenmenschen, „die nichts binden und lösen, sondern nur den Weltlauf verwickeln“, diese Ausgeburten der geschöpflichen Verlegenheit. Der Entzifferer ist kein anderer als der Gott der Desillusion (desengaño). Über ihn sind die Meinungen geteilt. Für den abgeklärten Geist Crítilos ist er ein „Sohn der Wahrheit“ — für Andrenios noch fester dem Dasein verhafteten Sinn ein „Stiefvater des Lebens“.
Gracians "El Discreto" von 1645, 1693 ins Französische übersetzt [Quelle] |
Kein Wunder, daß die Psychologen hier Morgenluft wittern. Immer wieder spricht Gracián von den „zahoríes del corazón“, den magischen Deutern des Herzens. Sie brauchen keinen Spalt, um ins Innere zu gelangen.
Aus einem Eintrag über Gracián in einem spanischen Blog [Quelle]. |
Andere Geister haben vielleicht zur selben Zeit in tieferen Lagen der menschlichen Seele geschürft (Pascal) oder ihr beschränkteres Wissen zur Einheit des Systems gebracht (wie Vives, Huarte de San Juán, Descartes) oder durch ihre blasierte Haltung in dem Glanz einer rein beschreibenden Haltung den Anschein unbedingter Sachtreue wahren können. Das ist der Fall des Herzogs von La Rochefoucauld, der offensichtlich vielerorten an seinen spanischen Vorgänger anknüpft. Wenn Gracián beispielsweise den Rat gab, den Leidenschaften kurz vor Toresschluß zu entsagen, so heißt es in La Rochefoucaulds Maximen monumental: nicht wir verlassen die Leidenschaften, vielmehr sind es die Leidenschaften, die uns verlassen! Zweifellos faßt die geschliffene Eleganz dieses skeptischen Spruchs nur die eine Seite der menschlichen Wahrheit. Das Streben nach Dauer bleibt ja, auch wenn die Leidenschaft wegging. Mit seiner ewig wiederkehrenden Doppelthese, daß alles Streben auf Eigenliebe und alle Eigenliebe auf Schwachheit beruht, kreist La Rochefoucauld um den Befund des erlösungsbedürftigen Menschen, um den Menschen, der ohne die Gottesliebe ins Nichts absinkt.
Baltasar Gracián, Porträt nach einer Zeichnung von Vicente Carderera (1796-1880) [Quelle] |
Werner Krauss (1900-1976), Romanist und Widerstandskämpfer |
Krauss schrieb dieses Buch über den spanischen Moralisten Baltasar Gracián in der Todeszelle des Zuchthauses Plötzensee.
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