"Ein Fest für Giacinto Scelsi": So lautete eine der zentralen Veranstaltungen des Musikprotokolls '89. Das Festival hatte unter dem thematischen Profil "revolutionäre Prozesse" gestanden. Welche Rolle aber sollte der römische Aristokrat Scelsi in diesem Zusammenhang spielen? Einige Jahre zuvor war er hierzulande noch ein vollkommen Unbekannter. In den letzten Jahren war einer wachsenden Öffentlichkeit immer bewußter geworden, daß die Art und Weise, wie sich Scelsi in den 50iger Jahren von der abendländischen Tradition des Komponierens verabschiedet hatte‚ zweifellos revolutionäre Züge aufweist. Und so sollte diese Scelsi-Nacht das bisher größte Panorama dieses ungewöhnlichen Komponisten, dessen künstlerische Biographie stets abseits der Hauptströme der Musikgeschichte verlaufen war, in Österreich entwerfen. 1200 Menschen waren gekommen. Sämtliche Kapazitäten im ehrwürdigen Stefaniensaal waren ausgelastet. Sogar der Stehplatz, der sich sonst den Aktivitäten der Neuen Musik stets beharrlich verschlossen gezeigt hatte, mußte seine Pforten öffen. Um sieben Uhr abends war es dann soweit, als die Cellistin Frances-Marie Uitti mit geheimnisvollem Ton diese Nacht eröffnete. Ihr war es auch vorbehalten, nach einer achtstündigen Reise durch sieben Klanginseln um drei Uhr morgens die letzten 300 Besucher mit einem letzten Pianissimo-Hauch zu elektrisieren. Viele weitere exzellente Interpreten waren gekommen, um in dieser langen Nacht eine abwechslungsreiche Entdeckungsreise ins Innere des Klangs des ein Jahr zuvor verstorbenen Meisters zu präsentieren.
Der Pianist Bernhard Wambach, die Schlagzeuger Robyn Schulkowsky‚ Isao Nakamura und Johannes Beer, das Berner Streichquartett, das Radio-Symphonie-Orchester Krakau (Dirigent: Jürg Wyttenbach), die unvergleichliche Sängerin Michiko Hirayama, das Klangforum Wien (Dirigent: Beat Furrer), der Flötist Dieter Flury sowie der Oboist Marian Vasile. Daß diese Scelsi-Nacht im Theatercafe bis in die frühen Morgenstunden ihre Fortsetzung gefunden haben soll, wird mittlerweile als unwiderlegbare Tatsache angesehen. Hier allerdings verlieren sich die Aufnahmen im spurlosen Dunkel der Nacht. Ganz sicher nicht verloren haben sich die Spuren des "magischen Klangs".
Zu den Kompositionen dieser CD
Schon am Vorabend der Scelsi-Nacht sorgte Hans Zender mit dem ORF-Symphonieorchester für einen kraftvollen Auftakt. Zender lernte Scelsi schon 1963 kennen und beschrieb dem Komponisten und Dirigenten schon damals seine Arbeitsweise, auf Spezialinstrumenten improvisierend seine Konzepte festzuhalten, um sie dann - von anderen - schriftlich fixieren zu lassen. Zender fühlt sich bei dieser Notationsweise an die blitzartige Malweise bestimmter Tachisten bzw. Maler des Informell erinnert.
"Hymnos", 1963 für Orgel und Orchester geschrieben, verlangt von allen für Orchester geschriebenen Werken Scelsis neben "Konx-om-pax" (1968/69) die größte Besetzung. Bei "Hymnos" handelt es sich um einen großdimensionierten Prozess für zwei Orchestergruppen, die beinahe gleich aufgebaut und um die Symmetrieachse aus Pauken, Schlagzeug und Orgel angeordnet sind. "Wenn wir die bildhafte Deutung zugrundelegen, wonach jeder Formabschnitt einen ins Überdimensionale ausgehörten Schwingungsvorgang einfängt, haben wir uns "Hymnos" als eine Antiphonie vorzustellen" (Wolfgang Becker). Die Verlaufskurve von "Hymnos" wird nun wesentlich durch die Pulsationen bestimmt, mit denen sich der Klangstrom von seinem Ausgangston entfernt. Die beinahe durchgehende Verunklarung von Taktschwerpunkten sowie die ständigen Veränderungen der Intervallamplituden der einzelnen Klänge tragen wesentlich zu jenem vibrierenden Eindruck eines organisch-flutenden und alle Grenzen beseitigenden Strömens bei.
Giacinto Scelsi hat 1962 zwei Kompositionen mit dem Titel "Riti" geschrieben: Eine für vier Schlagzeuger (Ritueller Marsch: Das Begräbnis des Achilles) sowie ein Werk für Tuba, Kontrabaß, Kontrafagott‚ elektronische Orgel und Schlagzeug (Ritueller Marsch: Das Begräbnis Alexanders). Obwohl die Version für vier Schlagzeuger den Untertitel "Ritueller Marsch" trägt, ist das Werk von marschartigen Elementen frei. Allenfalls könnten noch einige periodisch wiederkehrende Klänge als ferne Evokation des genannten Untertitels verstanden werden. Werke wie "Riti" und "Ko-Tha" stehen paradigmatisch für Scelsis Aufbruch ins Innere des Klanges: als Beschreibung eines Raums, der Prozesse und damit Zeit ausblendet; ein Raum, der in die Tiefe führt. Scelsis "Versenkung in die zeitliche Strukturierung von Resonanzen" (Christian Scheib) könnte man, wie schon in "Okanagon", als "Herzschlag der Erde" (Scelsi) auffassen; in der Reduktion des Materials als faszinierende Erkundung unserer Tiefenschichten, als perspektivisches Eindringen in entlegenste und gleichzeitig nächste Räume.
Über den langen Zeitraum von zehn Jahren (1962/72) erstreckt sich Scelsis Arbeit am Liederzyklus "Canti del capricorno" (Gesänge des Steinbocks) für Sopran solo. Größtenteils in Zusammenarbeit mit der japanischen, in Rom lebenden Sängerin Michiko Hirayama entstanden, ist in diesen Soli "die für den Ton prinzipielle Differenz zwischen Kern und Hülle, Innen- und Außenseite, aufgehoben" (Martin Zenck). Vorschlagsnoten und Flatterzunge, verschiedene Vokalansätze und die als Text fungierenden Phoneme, extremes Vibrato und schlagartiges Verändern der Stimmcharakteristik erscheinen nicht mehr als die einen Ton zusätzlich bestimmenden Merkmale. Es geht also letztlich "um das Beschwören eines Klanges, das Eintauchen in die Intensität seiner Wirkung" (Christian Scheib). Aus den über zwanzig "Canti del capricorno" hatte Michiko Hirayama für die Scelsi-Nacht beim Musikprotokoll zehn Gesänge ausgesucht.
"Rucke di Guck" für Piccoloflöte und Oboe steht an der Schwelle in Scelsis Schaffensprozess. Wie auch "Riti" und die "Canti del capricorno" löst dieses wunderbare Duo Zenders Formulierung ein, wonach Scelsis Musik "einer archaischen Konzeption von Kunst, die noch vor der Differenzierung in Einzelkünste angesiedelt ist", entspringt.
Quelle: Peter Oswald, im Booklet
TRACKLIST steirischer herbst MUSIKPROTOKOLL 89 Giacinto Scelsi (1905-1988) [1] HYMNOS (Nomos) 13:02 für Orgel und Orchester (1963) ’ ORF-Symphonieorchester, Dirigent: Hans Zender Aufnahmeleiter: Gerhard Lang Ton: Kurt Kindl [2] RITI. I Funerali d 'Achille 7:20 für 3 Schlagzeuger (1962) Uraufführung einer neuen Version Robyn Schulkowsky, Isao Nakamura, Johannes Beer Aufnahmeleiter: Heinz Dieter Sibitz Ton: Edgar Gruber [3] Aus "CANTI DEL CAPRICORNO" 23:40 für Frauenstimme (1962/72) I Lentamente II Andante III Sostenuto ma violento lV Allegro non molto V Non veloce, ma kitmatissimo e aspro VI Il tutto molto secco, aspro e sforzato VII Moderato I VIII Molto lentamente IX Moderato X Moderato Michiko Hirayama - Sopran . Aufnahmeleiter: Franz Josef Kerstinger Ton: Andreas Sattler [4] RUCKE DI GUCK 9:42 für Piccoloflöte und Oboe (1957) Dieter Flury - Piccoloflöte, Vasile Marian - Oboe Aufnahmeleiter: Heinz Dieter Sibitz Ton: Edgar Gruber Gesamtzeit: 54:12 (P) 1989
Fanny von Galgenberg - die älteste Frauenstatuette der Welt
Weibliche Statuette vom Galgenberg, 30000 vor Christus; Rückseite mit Vorritzungen |
Vor 30 000 Jahren — als in Europa die Eiszeit herrschte — bildete dieser humose Horizont jene Oberfläche, auf der sich das Leben der Jäger und Sammler abspielte: Hier wurden an Feuerstellen Fleischstücke verzehrt und auch Steingeräte und -waffen erzeugt. Vieles davon kann heute von den Archäologen mit minutiösen Methoden freigelegt, dokumentiert und geborgen werden. Dadurch bekommt der Prähistoriker bei der späteren wissenschaftlichen Auswertung sogar in diesen ältesten Abschnitt der schriftlosen Menschheitsgeschichte Einblick. Die in kleine Flächen unterteilte Schicht muß mit feinen Werkzeugen abgeschabt werden, wobei Holzkohlenreste der Lagerfeuer vorerst ebenso an Ort und Stelle verbleiben wie größere Steinobjekte oder tierische Knochen. Sie werden vor ihrer Bergung fotografiert, in Detailpläne eingezeichnet und protokolliert. Das entfernte Erdmaterial wird durchgesehen, gesiebt und wenn notwendig auch mit Hilfe von Wasser ausgeschlemmt. So entgehen den wachsamen Augen der Forscher auch nicht die kleinsten Überreste aus der Altsteinzeit. Rauchen ist bei diesen Arbeiten verboten, denn die ebenfalls anfallenden Holzkohlenreste müssen rein und unverfälscht bleiben. Nur dann stimmen die späteren Radiokohlenstoffdatierungen, bei denen mit Hilfe des radioaktiven Kohlenstoffisotops C 14, das in der Holzkohle enthalten ist, ein einigermaßen gesichertes Alter ermittelt werden kann.
Zeichnung der aus Bruchstücken zusammengesetzten Frauenstatuette |
Am Vormittag des nächsten Tages lagen dank dieser Detektivarbeit vier Bruchstücke vor, die zusammengesetzt tatsächlich eine 7,2 cm hohe Frauenplastik ergaben. Die bislang älteste Frauenstatuette der Welt war gefunden! Ein Kunstwerk, um mehrere Jahrtausende älter als die berühmte Venus von Willendorf, die gerade in diesem Jahr im Mittelpunkt von Jubiläumsfeiern stand. Denn sie war am 7. August 1908 vom Prähistoriker Josef Bayer in Willendorf in der Wachau entdeckt worden. Seither gilt sie als Prunkstück der prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien.
Die am Kremser Galgenberg entdeckte Frauenstatuette wurde wegen des zur Seite gedrehten Oberkörpers und wegen der bewegten, tänzerischen Haltung bei einem spontanen Grabungsfest liebevoll »Fanny« getauft — nach der berühmten Wiener Tänzerin Fanny Elßler (1810-1884).
Steingeräte des Aurignacien vom Galgenberg |
Wenngleich die Entdeckung der Venus vom Galgenberg eine archäologische Sensation darstellt, so passen die Rettungsgrabungen von Stratzing und Krems-Rehberg nur allzugut in den Alltag der österreichischen Urgeschichtsforschung.
Ende August 1985 wurde der Autor über seine Dienststelle im Bundesdenkmalamt von einer Fundmeldung des Kulturamtes des Magistrats der Stadt Krems unterrichtet, daß bei Bauarbeiten im Zuge der Verlängerung der Kremser Schnellstraße S 33 bei Gneixendorf prähistorische Funde gemacht worden wären. Bei einer Besichtigung Anfang September konnten jedoch trotz gewaltiger Einschnitte in die Lößwände keine altsteinzeitlichen Kulturschichten festgestellt werden. Klärende Grabungen waren wegen der Steilheit der Straßenböschungen, wo zum Teil schon verheerende Rutschungen niedergegangen waren, keinesfalls möglich.
Im Gespräch mit einem Raupenfahrer erfuhren die Archäologen jedoch, daß ihm auf dem nahegelegenen Galgenberg (374 m Seehöhe) bei Stratzing bei einem größeren Aushub für einen neuen Hochbehälter der Kremser Wasserwerke dunkle Bänder im hellen Löß, Feuerstellen und auch Steinbrocken aufgefallen waren. Zum Beweis seiner Worte holte er aus der Werkzeugkiste der tonnenschweren Schubraupe mehrere grobe, jedoch eindeutig von Menschenhand zugerichtete Feuersteinknollen hervor. Unter eilig gesprochenen Dankesworten verabschiedeten sich die Archäologen und machten sich schnellstens auf die Suche. Man durfte keine Zeit verlieren! Bereits nach wenigen Erkundigungen bei Einheimischen war die Stelle gefunden. Und tatsächlich konnte man in der 30 mal 30 Meter großen Baugrube zwei parallel verlaufende dunklere Bänderungen im anstehenden hellen Löß als die gesuchten altsteinzeitlichen Kulturschichten erkennen.
Nach Abklärung aller rechtlichen Fragen mit den Stadtwerken Krems als Grundeigentümer und Bauherr konnte im Laufe des Septembers und Oktobers 1985 noch eine Fläche von 100 m2 untersucht werden. Glücklicherweise war der Baubeginn des Hochbehälters erst mit Ende Oktober 1985 festgesetzt worden! Die bei dieser zweimonatigen Grabung entdeckten Feuersteingeräte ließen darauf schließen, daß es sich um einen Rastplatz von Jägern und Sammlern am Anfang der Spätphase der Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) handelte. Genauer gesagt geht es um den nach einem französischen Fundort benannten Zeitabschnitt Aurignacien (35 000-28 000 v. Chr.). Bei der Durchsicht der Fachliteratur wurde für diese Zuordnung eine weitere Bestätigung gefunden. Der Sammler Emil Weinfurter hatte bereits 1941 in einem nahegelegenen Hohlweg einige Steinwerkzeuge geborgen. In der 1950 von ihm veröffentlichten Notiz darüber ordnete er seine Fundstücke ebenfalls dem Aurignacien zu.
Der Galgenberg von Stratzing. Niederösterreich, von Nordwesten |
Im Jahre 1987 mußten neben einigen Sondagen auf einer größeren Ackerfläche am Galgenberg, die dem Stift Kremsmünster gehörte, erneut Rettungsgrabungen durchgeführt werden. Geplante Tiefpflügungen als Vorbereitung für das Neuaussetzen von Weinreben ließen nämlich Zerstörungen der in diesem Bereich relativ seicht liegenden fundführenden Schichten befürchten. Die im September 1988 vorgenommenen Untersuchungen der letzten noch nicht als Weingarten genutzten Parzelle auf der Rehberger Seite des Galgenberges südwestlich des Hochbehälters von Stratzing war in der Folge ein dringendes denkmalpflegerisches Gebot.
Die archäologischen Forschungen von 1985 bis 1988 in Krems-Rehberg und Stratzing gaben einen ausgezeichneten Einblick in das Leben der Eiszeitjäger des Aurignacien. So stellte man fest, daß die Menschen die benötigten Geräte und Waffen aus an Ort und Stelle aufgelesenen Steinknollen herstellten. Sie fanden diese nicht nur im Schotter des Donaugeschiebes‚ sondern vor allem am West- und Südhang des Galgenberges, wo tertiäre Schotterschichten an die Oberfläche treten. Da dieses Rohmaterial nur von mäßiger Qualität ist, dominieren unter den ausgegrabenen Fundstücken grobe Geräte und derbe Abfallstücke. Für anspruchsvollere Werkzeuge mußten hochwertigere Feuersteine aus weit entfernten Gebieten, so aus dem mährischen Raum, herbeigeschafft werden. Dazu zählen verschiedenartige Schaberformen zum Zerlegen und Abhäuten des erlegten Wildes, zum Geschmeidigmachen der Tierhäute und zur Knochen- bzw. Holzbearbeitung sowie Klingen für alle Schneidetätigkeiten und Stichel zum Gravieren und Schnitzen. Übrigens entdeckte man bei den Grabungen auch aus fossilen Schnecken gearbeitete Schmuckröllchen.
Überblick über die Grabungskampagne 1988 am Galgenberg bei Stratzing mit der Fundstelle der Frauenstattuette |
Obwohl bislang in Österreich noch keine menschlichen Skelette aus dem Aurignacien ausgegraben werden konnten, wissen wir durch Funde aus den Nachbarländern, daß sich dieser »Homo sapiens fossilis« nicht mehr wesentlich vom Jetztmenschen »Homo sapiens recens« unterschied. Auch seine Intelligenz darf nicht unterschätzt werden. So sind sämtliche Geräte, die er verwendete, wie Messer, Bohrer, Pfrieme usw. Erfindungen dieses Spätsteinzeitmenschen. Und er war auch zu ungewöhnlicher Kunstäußerung fähig, wie die tanzende Venus bewies, die übrigens zur Gänze komplettiert werden konnte:
Bei der Durchsicht aller gesiebten und ausgeschlemmten Steinsplitter entdeckte man weitere drei Fragmente, sodaß der bis dahin fehlende rechte Arm angefügt werden konnte. Das Material, aus dem sie hergestellt ist — ein grünlicher, stark glänzender Schiefer (chloritisierter Amphibolit) — beweist, daß auch dieses Kleinkunstwerk an Ort und Stelle geschaffen wurde. Denn das entsprechende Gestein kommt in einer Entfernung von nur 500 Metern vor. Zudem fanden sich in der Nähe der Fundstelle noch einige Schnitzabfälle.
Mit Steinen befestigte Feuerstelle der Jagdstation des Aurignacien am Galgenberg, Grabung 1989 |
Während die jüngeren Venusstatuetten des ebenfalls nach einem französischen Fundort benannten Gravettien (28 000-20000 v, Chr.) massive, fettleibige Damen in ruhenden Positionen wiedergeben — ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die Venus von Willendorf —, so ist hier eine sich bewegende Frau ohne überbetonte Körperpartien dargestellt. Trotz der dünnen Steinplatte von nur 0,7 cm wurde versucht, perspektivisch eine Drehung des Körpers mit einem Gestus nach oben anzudeuten. Einer Abwendung von dieser Welt hin zu einer höheren, jenseitigen Vorstellungswelt?
Allgemein werden viele Kunstäußerungen der Urzeit nicht als Kunst um der Kunst willen gesehen, sondern kultisch-religiöse Inhalte dahinter vermutet. Von den wohlbeleibten weiblichen Statuetten wie z.B. der Venus von Willendorf nimmt man an, daß sie die Fruchtbarkeit in einer sehr weiten Bandbreite symbolisieren. Diese reicht vom Hüten des Feuers über die Förderung des Jagdglücks und der Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungsversorgung bis hin zur Gewährleistung einer möglichst zahlreichen Nachkommenschaft, die das Überleben der Population sichert. Von kleinen Tierplastiken weiß man aus völkerkundlichen Parallelen, daß sie bei der Pirsch mitgeführt oder auf das Gewand aufgenäht wurden, um das Jagdglück zu fördern. Schematische Darstellungen tanzender Mädchen werden als Einweihungsriten interpretiert. Gegen den Himmel erhobene Arme werden je nach der Handstellung als bittende oder betende Haltung erklärt.
Die Zuordnung der Venus vom Galgenberg zum kultisch-religiösen Bereich ist also kaum anzuzweifeln. Diese frühe Vorläuferin der fettleibigen‚ statisch dargestellten Damen zeigt in ihrer Haltung eine aktive Lebensäußerung. Der Gestus könnte eine vermittelnde Rolle zwischen Mensch und »Höherem« andeuten. Aus der Beinstellung könnte sogar auf eine Tanzhaltung geschlossen werden. Somit ist die »Fanny« vom Galgenberg jedoch nicht nur archäologische Tagessensation, nicht nur die bisher älteste Frauendarstellung der Welt, sondern ein ungemein wertvoller Schlüssel zu der verlorengegangenen Vorstellungs- und Geisteswelt der Eiszeitjäger vor 30 000 Jahren.
Quelle: Johannes-Wolfgang Neugebauer: Österreichs Urzeit. Bärenjäger - Bauern - Bergleute. Amalthea Wien/München 1990, ISBN 3-85002-281-1, Seiten 9 bis 14
Neue Musik, frisch aus der (Kammermusik)-Kammer:
Lennox und Michael Berkeley: Kammermusik für Streicher. | Raymond Aron: Die Intellektuellen und ihr Vaterland.
Hanns Eisler / Arnold Schönberg: Quintette für Bläser. | Navid Kermanis ungläubiges Staunen über den Sohn.
Henry Cowell: Klavier-, Kammer- und Vokalmusik. | Hugo Friedrich: "Wer Laura war, können wir allein von Petrarca selber erfahren."
Aribert Reimann: Lear (Live, Oper Frankfurt, 2008) = Mein Post Nr. 200, mit einer sentimentalen Rückschau und Grüßen zum Jahreswechsel.
Heinz Holliger: Streichquartett - Die Jahreszeiten - Chaconne. | Gedichte von Hölderlin - Bilder für Erzherzog Leopold Wilhelm.
Krzysztof Penderecki: Sextett - Klarinettenquartett. | Philip Larkin; The (not complete) Poems. »Larkins Lyrik ist keine Lyrik der großen Worte, sie vermeidet jede Sentimentalität, seine Sprache ist schlicht, der Ton unterkühlt.« (Jay, in seinen Silvae)
Viktor Ullmann: Streichquartett - Klaviersonaten. | Theodor Adorno über Oswald Spengler: Nach einem populären Anfangserfolg hat sich die öffentliche Meinung in Deutschland sehr rasch gegen den »Untergang des Abendlandes« gekehrt.
CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Pictures) 8 MB
MEGA --- Depositfile
Unpack x379.rar and read the file "Download Links.txt" for links to the FLAC+LOG files: [54:12] 3 parts 193 MB