Skrjabin ist wie Schönberg ein gutes Beispiel für das fieberhafte Experimentieren und den überstürzten Radikalismus der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Jedoch muß man ihm zugestehen, daß er nie die Fähigkeit verlor, zu bezaubern und zu verzaubern. In den Klaviersonaten manifestiert sich ein künstlerischer Fortschritt, der von der chopinartigen 1. Sonate (1892) bis zur 10. Sonate (1913) reicht, in der seine Klangwelt sinnlich und süchtig sowie ausgesprochen originell ist.
Das auffallendste Merkmal der 1. Sonate besteht in dem Trauerfinale, das das berühmtere Finale von Tschaikowskis 6. Sinfonie, Pathétique, quasi vorwegnimmt. Dieser düstere Schluß bedeutete für Skrjabin ein "Aufschrei gegen das Schicksal, gegen Gott", da ihn eine Handverletzung befürchten ließ, das Ende seiner Laufbahn als Klaviervirtuose erreicht zu haben.
Der Präzedenzfall von Beethovens "Mondscheinsonate" erlaubte es Skrjabin, sich den Luxus eines langsamen Anfangssatzes für seine 2. Sonate zu leisten, die folgendes Programm enthält: "Der erste Teil stellt eine ruhige Nacht an einem Strand im Süden dar; die Durchführung besteht in der dunklen Bewegtheit der tiefen, tiefen See. Der Mittelteil in E-Dur beschreibt das sanfte, nach der ersten Dunkelheit der Nacht heraufsteigende Mondlicht. Der zweite Satz stellt den weiten, vom Sturm bewegten Ozean dar."
Die frische und belebende 3. Sonate ist neben dynamischen und dramatischen Episoden von hinreißender Zartheit. Skrjabin soll diese Sonate als "gotisch" bezeichnet und die Vision einer Schloßruine beschworen haben. Als sein Geist einige Jahre später in komplizierte philosophische Strudel geriet, verlieh er der Sonate den Titel "Seelenzustände", der mit einem Programm verbunden ist, das den Weg der Seele durch Leiden und Zwietracht, eine trügerische Atempause aus Blumen und Gesang, das unaussprechliche Meer der Gefühle und am Ende den Abgrund des Nichts beschreibt.
Alexander Skrjabin (1872-1915)
Die 4. Sonate entstand 1903, in einem für Skrjabin entscheidenden Jahr. Sein Stil bewegte sich schnell auf die berauschende, fiebrige Welt des Poème de l'Extase und des Prometheus zu. Deutlicher Ausdruck für diese neuen Horizonte sind das Divin Poème (3. Sinfonie) und diese Sonate. Das Werk besteht nominell aus zwei Sätzen - trotz der Wiederkehr der Anfangsidee, die einen Blick auf die ätherische, verschleierte Welt erlaubt, der viele seiner späteren Werke angehören. Die Deux Poèmes entstammen ebenfalls diesem besonders fruchtbaren Jahr.
Die eng mit dem Poème de l'Extase verbundene 5. Sonate ist das Ergebnis eines fieberhaften Schaffensdrangs, den Skrjabin als ein Geschenk erfuhr, das einen nahezu göttlichen Zustand versprach. Sogar in den wenigen Augenblicken sehnsüchtiger Reflexion dominiert eine rastlose Energie, wobei eine wirkungsvollere Darstellung des Zwiespalts zwischen schöpferischer Energie und kultureller Dekadenz nicht vorstellbar ist. Die beiden Werkreihen der Quatre Morceaux, op. 51 und 56 (von 1906 bzw. 1907) bilden ebenfalls einen Teil des Wegs, den Skrjabin zu dem neuen machtvollen Stil des Poème de l'Extase zurücklegte.
Die letzten, 1911-13 entstandenen fünf Sonaten, können zu Recht als die Summe des schöpferischen Lebenswerks von Skrjabin und seiner mystisch-philosophischen Weltanschauung betrachtet werden. Seine 6. Sonate, die ihn beängstigte, spielte er nie in der Öffentlichkeit, weil er sie als "alptraumhaft, düster, unrein und unheilvoll" erlebte. Das Werk besitzt kein ausgesprochenes Programm, aber die in ihm vorhandenen Stimmungen sind deutlich erkennbar - dazu zählt ein Moment des Horrors, den der Komponist als "l'épouvante surgit" (das Hervortreten des Schreckens) bezeichnet hat. Die letzten Seiten des Notentextes sind außerordentlich farbig und, wie in einem kunstvollen Prélude von Debussy, wunderbar verschleiert, während am Ende die dunkleren Kräfte freigesetzt werden.
Seine 7. Sonate, der er einen priesterlichen Charakter zuschrieb, hat Skrjabin sehr geschätzt und ihr den Untertitel "Weiße Messe" beigegeben. Die französischen Worte, die wie ein Kommentar über die Noten verstreut sind, suggerieren Bilder, die von einem mit Flügeln bewehrten Flug sowie von sinnlicher Ekstase, versteckter Bedrohung und von überwältigender Kraft sprechen. Dennoch besitzt die Sonate keine programmatische Abfolge. Die Kontraste in der 7. Sonate sind - im Gegensatz zur ihrer unmittelbaren Vorgängerin - eher von größerer Helligkeit als von Dunkelheit geprägt, oder sie sind "eher gut als böse", wie Skrjabin es ausgedrückt hätte.
Wladimir Dawidowitsch Aschkenasi, (geb. 1937) in jüngeren (nicht all zu jungen) Jahren
Der Charakter der 8. Sonate erscheint weniger ausgeprägt als der der beiden Vorgängerwerke. Es sind dort weniger aggressive Dissonanzen, keine leidenschaftlichen Höhepunkte sowie kaum erläuternde Kennzeichnungen zu finden. Skrjabin betrachtete einige Teile dieser Sonate, die er nie öffentlich gespielt hat, als "die tragischste Episode meines schöpferischen Werks" und beschrieb ihre Harmonik als "nach der Natur gezeichnet, als ob diese zuvor nicht existiert hätte."
Die 9. Sonate ("Schwarze Messe") ist ohne jeden Zweifel ein Meisterwerk. Ihre Kennzeichnung als "légendaire" fängt die Wahrnehmung eines aus weiter Ferne kommenden, geheimnisvollen Klagens ein, das an Kraft und Bedrohlichkeit zunimmt und schließlich mit raschen Kaskaden in einen grotesken Marsch übergeht. Skrjabin entwirft eine durchgängige Struktur organisierter Vielschichtigkeit und Spannung, verfolgt mit ungewöhnlicher Beharrlichkeit die Kombination von Themen und gelangt schließlich zu einem in seiner Musik sonst nie erreichten schroffen Höhepunkt.
Die Anfangsatmosphäre der 10. Sonate erscheint wie ein Echo Debussys: verschleiert und in die Ferne gerückt. Doch bald schleichen sich Triller in alle Winkel der Musik ein, und gegen Ende werden sie - als groteske Erinnerung an Beethoven und ein Vorausahnen von Messiaen - in ein wahnsinniges Zwitschern verwandelt, das aber dennoch ausgesprochen charakteristisch für die eigene phantasievolle Welt des Komponisten ist. Skrjabin bezeichnete dieses Werk als eine "Sonate von Insekten".
Die Deux Danses entstanden 1914, als Skrjabin zunehmend zur Gewißheit fand, daß die Welt bereits in naher Zukunft durch ein umwälzendes Ereignis erneuert würde. Daher begrüßte er sogar den Ausbruch des Weltkriegs, aber durch seinen Tod im April 1915 blieb ihm der volle Schrecken des Kriegs erspart.
Quelle: DECCA 1997, übersetzt von Theo Schmitt, im Booklet
Yves Klein: RE 19 (1958
TRACKLIST
ALEXANDER SCRIABIN 1872-1915
The Piano Sonatas
VLADIMIR ASHKENAZY
CD 1 76.43
Piano Sonata No.1 in F minor, op.6 (1892)*
fa mineur · f-Moll · fa minore
[01] I. Allegro con fuoco 6.31
[02] II. [Adagio] 4.47
[03] III. Presto 3.20
[04] IV. Funebre 6.04
Piano Sonata No.2 in G sharp minor, op.19 (1892-97)
'Sonata-fantasy'
sol dièse mineur · gis-Moll · sol diesis minore
[05] I. Andante 8.19
[06] II. Presto 3.48
Piano Sonata No.3 in F sharp minor, op.23 (1897-98)
fa dièse mineur · fis-Moll · fa diesis minore
[07] I. Drammatico 6.19
[08] II. Allegretto 2.17
[09] III. Andante - 5.03
[10] IV. Presto con fuoco 5.48
Piano Sonata No.4 in F sharp major, op.30 (1903)
fa dièse majeur · Fis-Dur · fa diesis maggiore
[11] I. Andante 3.08
[12] II. Prestissimo volando 5.01
[13] Quatre Morceaux, op.56 (1907) 5.03
I. Prélude (Violent, très accentué)
II. Ironies (Vivo scherzoso)
III. Nuances (Fondu, velouté)
IV. Étude (Presto)
[14] Deux Danses, op.73 (1914) 5.12
I. Guirlandes
II. Flammes sombres
[15] Deux Poèmes, op.32 (1903) 4.50
I. Andante cantabile
II. Allegro con eleganza. Con fiducia
CD 1 Track 12 Piano Sonata No 4 in F sharp major, II. Prestissimo volando
CD 2 75.28
[1] Piano Sonata No.5, op.53 (1907) 11.53
[2] Piano Sonata No.6, op.62 (1911)* 11.28
[3] Piano Sonata No.7, op.64 (1911) 10.46
'White Mass' . "Messe blanche"
"Weiße Messe" . "Messa bianca"
[4] Piano Sonata No.8, op.66 (1912-13)* 13.16
[5] Piano Sonata No.9, op.68 (1912-13) 8.00
'Black Mass' . "Messe noire"
"Schwarze Messe" . "Messa nera"
[6] Piano Sonata No.10, op.70 (1913) 12.10
[7] Quatre Morceaux, op.51 (1906)* 6.55
I. Fragilité
II. Prélude
III. Poème ailé
IV. Danse languide
[ADD] / [DDD]*
CD 2 Track 5 Piano Sonata No 9 'Black Mass'
Producers: Ray Minshull (Sonatas 3, 4, 5 & 9), Andrew Comall (Sonatas 1, 6 & 8; Quatre Morceaux, op.51),
Richard Beswick (Sonatas 2, 7 & 10; Quatre Morceaux, op.56; Deux Poemes, op.32; Deux Danses, op.73)
Recording engineers: John Dunkerley (Sonatas 1, 2, 7, 8 & 9; Quatre Morceaux, op.56; Deux Poemes, op.32; Deux Danses, op.73),
Tryggvi Tryggvason (Sonatas 3, 4, 5, 8 & 9), Stanley Goodall (Sonata 6; Quatre Morceaux, op.51)
Recorded between 1972 and 1984 in the Kingsway Hall, London (Sonatas 1-5 & 7-9; Quatre Morceaux, op.51; Quatre Morceaux, op.56;
Deux Poemes, op.32; Deux Danses, op.73); Walthamstow Assembly Hall (Sonata 6) & All Saints' Church, Petersham, Surrey (Sonata 10)
Art direction: David Chase
(P) 1975, 1978, 1987 (C) 1997
Der Mensch im Raum. Der Maler des Raumes stürzt sich in die Leere, 1960 Der Traum vom Fliegen gehört zu den ältesten Phantasien der Menschheitsgeschichte. Mit dem Sprung in die Leere macht Yves Klein ihn ein Stück weit zu seiner Wirklichkeit und porträtiert damit gleichzeitig sein künstlerisches Universum.
Der Sprung in die Leere
Mit dem Sprung in die Leere - von Yves Klein benannt als Der Mensch im Raum. Der Maler des Raumes stürzt sich in die Leere, fotografiert von Harry Shunk, 1960 in der kleinen Vorortstraße Rue Gentil-Bernard in Fontenay-aux-Roses bei Paris, inszenierte Yves Klein ein Selbstporträt seines künstlerischen Universums. Der Sprung in die Leere wurde zur Bild-Ikone des 20. Jahrhunderts.
Im Jahr 1957 wurde der »Sputnik« als erster Satellit in eine schwerelose Umlaufbahn ins All geschossen, und die Raumfahrt schien das physikalische Gesetz und unausweichliche Schicksal des Menschen, schwerer als Luft zu sein, aufzuheben. Vor diesem Hintergrund wird der künstlerischen Inspiration Yves Kleins zur Darstellung eines fliegenden Menschen im freien Raum, noch ein Jahr, bevor ein bemanntes Raumschiff zum Mond startet, eine ganz neue Bildwirkung zuteil. Die Fotomontage Der Mensch im Raum aktivierte zugleich das unmittelbare Erinnerungsreservoir des uralten Traums vom Fliegen und entsprach als Abbildung des Zeitgeistes den zukunftsorientierten Möglichkeiten einer kommenden Kunst.
Als formalen Anlaß der Veröffentlichung gab es die offizielle Einladung von Jacques Poliéri im Rahmen des dritten Pariser Festivals avantgardistischer Kunst im Palais des Expositions an der Porte des Versailles, an einem Aktions-Schauspiel teilzunehmen. Intuitiv nutzte Yves Klein die Situation, um in der Erfindung einer Zeitung zum Thema »Theater der Leere« auf die Pariser Öffentlichkeit einzuwirken, und - das ist der Höhepunkt - sein außergewöhnliches Selbstporträt ganz unbemerkt, quasi nebenbei auf der Titelseite einer Pariser Sonntagszeitung abzudrucken. Es war eine Zeitung, die er als willkommenen Beitrag erfunden hatte, um spontane Ideen für das Theater in vorgetäuschter aktueller Berichterstattung vorzustellen. Genau im Format des »Journal du Dimanche« (Sonntagsausgabe der Pariser Tageszeitung »France-Soir« machte er eine einzige Nummer für Sonntag, den 27. November 1960, und beschrieb in ihr seine bislang unveröffentlichten theatralischen Szenarios als Ritual eines Welttages für das Theater. Die Zeitung wurde auf den Druckpressen der Tageszeitung »Combat« in mehreren tausend Exemplaren vervielfältigt und mit Hilfe von Freunden an die Pariser Zeitungskioske verteilt und auch verkauft.
Selbst heute, angesichts einer neuen Generation einer mit hohen Geschwindigkeiten ausgestatteten Nachrichtenübermittlung über den vernetzten Luftraum, bleibt der mediale Erfindungsgeist dieses Künstlers beachtlich. Daß Yves Klein schon vor dreißig Jahren ein mittels Medien veröffentlichtes Selbstporträt als neues Terrain für die Kunst der reinen Imagination eroberte, erklärt bis heute die weltweite Bedeutung seines Sprungs in die Leere. Sein authentisches Statement zum Bild vom Fliegen macht deutlich, warum Yves Klein nicht nur zum Pionier der Kunst der 60er Jahre par excellence in Europa wurde, sondern darüber hinaus zum geheimen Star der 70er und 80er Jahre auf internationaler Ebene. Joseph Kosuth feierte ihn als Begründer der Concept Art. Fluxus-Bewegung, Happening, Performance, Body Art und alle innovativen Kunstformen bezogen sich in ihrer Struktur darauf. Der Antrieb war, über nationale Grenzen hinweg eine universelle Kreativität zu entdecken und diese in formalen Kriterien auszuarbeiten und bekannt zu machen. Hier galt Yves Klein als der klassische Botschafter für eine kommende Kultur - unsichtbar für das Auge, aber gleichwohl allgemein gegenwärtig.
»Was ist Sensibilität? Das, was außerhalb unseres Wesens existiert und uns trotzdem immer gehört. - Das Leben gehört uns nicht; nur mit der Sensibilität, die uns gehört, können wir es kaufen. Die Sensibilität ist die Währung des Universums, des Weltraums, der großen Natur, die uns erlaubt, das Leben als Rohstoff zu kaufen. Die Imagination ist der Träger der Sensibilität! Von der Imagination getragen gelangen wir zum Leben, zum eigentlichen Leben, das die absolute Kunst ist«, formulierte er 1959 sein Credo der Kunst im 20. Jahrhundert, das ihm damals noch niemand glauben wollte.
Bis 1959 hatte Yves Klein noch hauptsächlich sein Leben als Judolehrer finanziert, und man sagt auch, daß seine Judofreunde bei seinem Sprung, den er an verschiedenen Tagen erprobte, auf der Straße anwesend waren, um ihn aufzufangen. Auch die Idee der Körperabdrücke ist sicherlich nicht ohne das Training im freien Fall beim Judo zu verstehen, da die Körper auf den Bodenmatten sichtbare Abdrücke hinterlassen. Schon am 27. Juni 1958 hatte er in der Wohnung von Robert Godet, der u.a. auch ein großer Judomeister war, einen ersten Versuch gemacht, bei dem ein nacktes, blau eingefärbtes Modell über ein auf dem Boden liegendes Papier rollte, bis das Blatt mit den Spuren gefärbt war. Offensichtlich erhielt diese Vorführung aber für Yves Klein zu viele zufällige Elemente wie in der Aktionsmalerei von Georges Mathieu, der damals in Paris Furore machte. Diese Art Kunst hatte für Yves Klein nicht genügend Distanz für eine bewußte Gestaltung, aber die Idee, »mit lebenden Pinseln« zu malen, ließ ihn nicht mehr los.
1. Vorführung der Anthropometrien der Blauen Epoche am 9. März 1960 in der Galerie Internationale d' Art Contemporain
Am Abend des 23. Februar fand in der Pariser Wohnung, 14 Rue Campagne-Première, die Uraufführung im Beisein von Pierre Restany, Rotraut, dem Modell Jacqueline und dem Kunsthistoriker Udo Kultermann statt: Auf ein Zeichen von Yves Klein entkleidete sich das Modell, Rotraut bestrich die Brüste, den Bauch und die Schenkel bis zu den Knien mit einer blauen Pigmentemulsion, und nach Anweisung von Yves Klein drückte das Modell seinen Körper fünfmal gegen ein an der Wand befestigtes Papier. Es war Piene Restany, der voller Spontanität und Begeisterung ausrief: »Dies sind die Anthropometrien der Blauen Epochei« Damit war der Titel geboren. Die Formen des weiblichen Körpers waren auf die wesentliche Dimension des Rumpfes reduziert als anthropometrisches, d. h. auf die Lehre vom Maß des menschlichen Körpers bezogenes Symbol. Sie waren für Yves Klein die konzentrierteste Ausdrucksform vitaler Energie. Sie stellten die »Gesundheit, die uns zum Sein bringt«, wie er es nannte, dar, um das Leben durch die Spur des Lebens selbst festzuhalten, in gleichzeitiger Gegenwart und transpersonaler Abwesenheit.
Für seine großen Vorhaben, die Pierre Restany als »kosmogonisches Aufblühen seiner Vision« bezeichnete, benötigte er weiterführende Gesprächspartner und die entsprechenden finanziellen Mittel zu ihrer Verwirklichung. So kam es zu einem Bruch mit der Avantgardegalerie von Iris Clert. Die Kunsthändler Samy Tarica, Jean Larcade und George Marci vermittelten nun die internationalen Kontakte und die finanzielle Unterstützung für seine Projekte.
Yves Klein: ANT 123 (1961) Es war Pierre Restany, der spontan und voller Begeisterung ausrief: »Das sind die Anthropometrien der Blauen Epoche!« Somit war der Titel geboren. Und Yves Klein notierte 1958: »Sehr schnell wußte ich, daß der Block des Körpers, das heißt, der Rumpf und ein Teil der Schenkel mich faszinierten.«
Das Ereignis der ersten Vorführung der Anthropometrien der Blauen Epoche am 9. März 1960 in der Galerie Internationale d' Art Contemporain des Graf von Arquian war eine Sensation. Der Inhaber war bekannt für seine qualitätvollen Präsentationen zeitgenössischer Kunst in Paris und Brüssel, zu denen in Paris auch internationale Künstler wie Georges Mathieu, die Brüder Arnaldo und Giò Pomodoro zählten. Die vornehm-seriöse Atmosphäre der Räume in der Pariser Rue Saint-Honoré kamen dem etwas riskanten Vorhaben entgegen, eine erhabene, feierliche Situation mit der ungewöhnlichen Darbietung durch nackte weibliche Modelle und einem Orchester mit zwanzig Solisten vor einem ausgesuchten geladenen Publikum zu manifestieren. Nach leidenschaftlichen nächtlichen Diskussionen um die Kunst von Yves Klein war der eigenwillige Kunstkenner Arquian bereit, die Anthropometrien der Blauen Epoche als ein groß inszeniertes Schauspiel darzustellen, allerdings nur unter der Bedingung, daß der Abend nicht öffentlich sein sollte, die Besucher im Abendanzug zu erscheinen hätten und der von ihm gegründete Cercle d'Art Contemporain die versandten Einladungen überprüfen würde. Yves Klein kam im schwarzen Smoking, und auf sein Handzeichen begann das Orchester die Aufführung der Monotonen Symphonie (diesmal ein zwanzig Minuten andauernder, ununterbrochener Ton mit zwanzig Minuten anschließender Stille.) Innerhalb dieses orchestralen Klangs kamen drei nackte Modelle mit Gefäßen blauer Farbe herein, und unter der nervösen Spannung des Publikums und gleichzeitiger Konzentration auf die Aufführung dirigierte der Künstler in der Art einer telekinetischen Anweisung die blauen Abdrücke. Die Aktion, die die Sublimierung des nackten Fleisches im gleichwohl sinnlichen Akt einer erotischen Handlung nicht zuletzt durch das Entstehen von Kunstwerken dem Publikum unmittelbar vor Augen führte, vollzog sich in einem nahezu magisch-märchenhaften Ablauf. Jedoch sofort nach Ende der immerhin vierzig Minuten andauernden Veranstaltung kam es zu einer lebhaften Diskussion über die Funktion von Mythos und Ritual in der Kunst, die sich wesentlich auf die Begegnung zwischen den beiden Künstlern Georges Mathieu und Yves Klein konzentrierte.
Im Studio, 1961 »Die Form des menschlichen Körpers, seine Linien, seine Farbe zwischen Leben und Tod interessieren mich nicht; es geht mir ausschließlich um das Klima der Empfindungen; es zählt: Das Fleisch ... ! Gewiß, der ganze Leib ist aus Fleisch gemacht, aber die eigentliche Masse - das ist der Rumpf, die Schenkel. Genau hier befindet sich das wirkliche Universum, die verborgene Schöpfung.«
In der Folgezeit entstanden über hundertundfünfzig Anthropometrien (ANT) auf Papier und etwa dreißig auf nicht präparierten Seidentüchern als Anthropométries Suaires (ANT SU), die auch Schweißtücher genannt werden. Sie unterscheiden sich in Größe, Technik und Gestalt voneinander. Das kleinste mißt 27,5 mal 21,5 Zentimeter und das größte, das Vorhanggedicht, 148 mal 78 Zentimeter. Die Morphologie des Bildes ist abhängig von der Anatomie und dem Ausdruck und Temperament des Modells. Je nach der Stellung, die der Körperabdruck auf dem Bild einnimmt, werden die Anthropometrien in statische oder dynamische, positive oder negative unterteilt. Neben den erwähnten positiven Abdrücken gibt es Negativabdrücke, in denen mit einer Farbpistole um die Modelle herum gesprüht wurde, so daß die Körperformen ausgespart bleiben. Gelegentlich werden auch beide Techniken kombiniert. Allen gemeinsam ist der Spurencharakter, wobei die unmittelbare Handschrift des Künstlers ausgeschaltet ist und die Abdrücke sich nach genauen mündlichen Anweisungen in einem privaten oder öffentlichen Ritual vollziehen
Quelle: Hannah Weitemeier: Yves Klein. 1928-1962. International Klein Blue. Köln, Taschen, 1994. Seite 51-61
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Reposted on September 12, 2014
Yves Klein und Jean Tinguely. Paris 1958
»Yves Klein le Monochrome ist ein stolzer Angreifer
er macht seine Handlung total grundlos
und sehr stark und geschmeidig
Auflöser der gegebenen Einrichtung
genialer Architekt
großer Meister und sehr schöne Wahnsinnsideen
der beste Kamerad
der beste Herausforderer, den ich je gefunden habe
ein großer Dichter: sehr reich
konzentriert absolut umgänglich
Luft pochend und wahrhaft lebhaft
ein sehr großer Erfinder
logisch und absurd
und wirksam und menschlich und
angenehm und Antifaschist
sonst niemals »Anti«
sehr guter Maler
großer Bildhauer
es lebe Yves:
Jean Tinguely 12. Okt. 67«
Ed or fra noi parliam da buoni amici
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*cher public* is reminded one final time to contribute to our new regular
feature before it launches on Wednesday
The post Ed or fra noi parliam da buoni...
vor 11 Stunden
3 Kommentare:
Your blog still is one of the bests, or the best of the classical music blogs! Congrats! This post is fantastic!
Hugs!!!!
Erlen
Happy 2012 Captain Nemo!
:)
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