In diesem Lager hat er das Quatuor pour la fin du temps geschrieben, die »Eingebung dazu empfangen«, wie Messiaen als gläubiger Katholik sagt. Die ungewöhnliche Besetzung hat damit zu tun, dass außer dem Pianisten Messiaen noch drei weitere Franzosen unter den 5000 Gefangenen exzellente Musiker waren. Ein Geiger, ein Klarinettist, ein Cellist. Dass es überhaupt zur Realisierung des Quatuor kommen konnte, ist einem deutschen Offizier zu verdanken. Karl-Albert Brüll war Musikliebhaber. Er besorgte dem Gefangenen Schreibzeug und Arbeitsraum. Und er bildete mit anderen deutschen Offizieren und rund dreihundert Gefangenen das frierende Publikum der Uraufführung.
Mit dem Titel Das Ende der Zeiten bezog sich Messiaen auf die Offenbarung des Johannes. Dort fällt der Untergang der Welt zusammen mit dem Beginn der Ewigkeit. Das ist für Nichtgläubige wenig trostreich, doch bei Messiaen hört man, dass Ewigkeit nicht erst am Jüngsten Tag beginnen muss. Sie beginnt bei den Gesprächen der Vögel, setzt sich fort mit dem Regenbogen, der in sanften Akkordwellen des Klaviers schimmert, und sie wird immer menschlicher. Der Vogel, der als Soloklarinette über dem »Abgrund der Zeit« singt, ist ein Melancholiker. Für die »Ewigkeit Jesu« entfalten Cello und Klavier Linien der Sehnsucht in unendlich zärtlicher Langsamkeit. Man muss nicht katholisch sein, um da Liebe zu hören.
Anzeige der Uraufführung, 15.01.1941, mit der Besetzung Olivier Messiaen (Klavier), Jean le Boulaire (Violine), Étienne Pasquier (Violoncello), Henri Akoka (Klarinette)
Denn hier waltet kein Missionar, sondern ein Musiker, der sich als Subjekt zurücknimmt und Töne existenziell werden lässt. Darum geraten auch vermeintlich überkommene Gesten in neue Gegenwart, und gewagteste Unberechenbarkeiten scheinen Naturgesetzen zu folgen. Metrische Partien stehen schlüssig neben irregulären, zeitaufhebenden Rhythmen, Durakkorde neben solchen, die nur noch Farbe sind. Psychedelische Lichtstöße entschießen dem Engel, der im vorletzten Satz die Ewigkeit ankündigt. Die ist am Ende sinnlich. In der »Unsterblichkeit Jesu« scheint die Geige mit ihren Linien, hierhin, dorthin, verweilend, zurückkehrend, behutsam den Körper eines Menschen zu ertasten. Und keiner friert mehr.
(Quelle: Volker Hagedorn: Ewig ist jetzt, © DIE ZEIT, 11.05.2006)
TRACKLIST Olivier Messiaen (1908-1992) Quatuor pour la fin du temps Quartett für das Ende der Zeit für Violine, Klarinette, Violoncello und Klavier (1940-41) [01] I. Liturgie de cristal 2.29 (Violine, Klarinette, Violoncello, Klavier) [02] II. Vocalise, pour l'Ange qui annonce la Fin du Temps 4.25 (Violine, Klarinette, Violoncello, Klavier) [03] III. Abime des oiseaux 7.46 (Klarinette) [04] IV. Intermède 1.39 (Violine, Klarinette, Violoncello) [05] V. Louange a l'Éternité de Jésus 8.07 (Violoncello, Klavier) [06] VI. Danse de la fureur, pour les sept trompettes 6.04 (Violine, Klarinette, Violoncello, Klavier (unisono)) [07] VII. Fouillis d'arcs-en-ciel, pour l'Ange qui annonce la Fin du Temps 7.13 (Violine, Klarinette, Violoncello, Klavier) [08] VIII. Louange à l'Immortalité de Jésus 8.28 (Violine, Klavier) Thema und Variationen tür Violine & Klavier [09] Thème: Modéré 2.04 [10] 1. Variation - Modéré 2.11 [11] 2. Variation - Un peu moins modéré 1.06 [12] 3. Variation - Modéré, avec éclat 0.53 [13] 4. Variation - Vif et passionné 1.17 [14] 5. Variation - Très modéré 4.44 TOTAL 58.57 Yvonne Loriod, Klavier Christoph Poppen, Violine Manuel Fischer-Dieskau, Violoncello Wolfgang Meyer, Klarinette Aufgenommen: XI.1990, Église Notre-Dame du Liban, Paris (In Anwesenheit des Komponisten) Produzent: Gerd Berg Tonmeister: Hartwig Paulsen Design concept: Smith & Milton Cover painting: Francis Danby Editorial: David Ashman (P) 1991, (C) 2002
Tom Phillips: Portrait of Olivier Messiaen (Vingt Regards), 1993 (French National Collection)
WEBFUNDE:
Gute Biographien und Werksverzeichnisse finden sich bei Wikipedia (Deutsch) bzw. (Französisch) und bei IRCAM.
Malcolm Ball betreibt eine private Fanpage über Messiaen, die sehr bunt und enthusiastisch ausfällt.
Ein ganz anderes Kaliber ist Theodor Albertus Magnus Frey (er signiert seine künstlerischen Werke mit TAM). Seine Messiaen-Seite ist eingebunden in ein breiteres Interesse an Philosophie, Theologie, Kunst, und glänzt durch dezente Farb- und Sinngebung.
Wolfgang Fulda steuert eine ausführliche musikalische Analyse des "Quatour pour la Fin du Temps" bei.Die Abbildung der Uraufführungsankündigung habe ich einem französischen Blog entnommen.
Messiaens Portrait wurde von Tom Phillips selbst in seinem Blog veröffentlicht, und wird hier daher vermutlich mit Erlaubnis reproduziert.
CD Info and Scans (Tracklist, Covers, Booklet, Music Samples, Pictures) 14 MB
rapidgator --- embedupload --- Filepost --- Depositfile --- uploadable
Unpack x47.rar and read the file "Download Links.txt" for links to the Flac+Cue+Log Files [58.57] 3 parts 246 MB
Reposted on May 24, 2015
1 Kommentar:
All the links are dead, I'm afraid - could you please reupload this wonderful recording?
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