Unter den frühen Kammermusiken, die Lachner an der Seite Schuberts in seinen Wiener Jugendjahren komponierte, ragt eines durch seine Besetzung und Ausdehnung besonders hervor: das Septett in Es-Dur. Beim Durchblättern der Partitur kommt einem sogleich Schuberts großes Oktett in F-Dur in den Sinn. Tatsächlich wurden beide Werke gewissermaßen Seite an Seite 1824 in Wien geschrieben.
Auch ohne dieses Kompositionsjahr zu kennen, wäre dem Lachnerschen Septett ohne weiteres anzuhören, dass es in Wien im Umkreis des Schubertschen Oktetts entstand. Letzteres wurde bekanntlich für den Grafen Troyer, den Haushofmeister des Erzherzogs Rudolph geschrieben, der ein begeisterter Klarinettist und Interpret des Septetts von Ludwig van Beethoven war. Er bestellte bei Schubert ein Gegenstück zu diesem Urbild aller Septette. Offensichtlich aus dem gleichen Impetus heraus schuf auch Lachner sein Septett.
Der Bayer Lachner hatte 1823 als Organist der lutherischen Kirche in Wien Aufnahme gefunden und sich rasch mit dem sechs Jahre älteren Schubert angefreundet. In dessen letzten Lebensjahren wich er kaum von seiner Seite. Nachweislich stellte Lachner sein Gartenhaus auf der Wiener Landstraße für die Uraufführungen von Kammermusikwerken seines Freundes zur Verfügung, darunter für die Premiere des Oktetts. Man kann sich leicht vorstellen, dass daneben auch Lachner selbst sein Septett vorstellte, ja, dass die beiden sogar Hand in Hand entstanden. Denn die Freunde tauschten “Arbeiten im Entwurfe aus”, um sie gegenseitig zu begutachten. Sie berieten sich insbesondere über Fragen der Instrumentation und der Form in der Instrumentalmusik, alles Dinge, die man an einem Oktett bzw. Septett ideal studieren konnte.
Beide Freunde hatten sich dazu entschlossen, die Besetzung des großen Vorbilds, also des Beethoven-Septetts, zu variieren. Schubert fügte in seinem Oktett bekanntlich eine zweite Geige hinzu. Lachner blieb zwar bei der Septettgröße und bei Beethovens Gegenüberstellung von drei Bläsern und vier Streichern, ersetzte aber das Fagott durch eine Flöte, wodurch der Klang in seinem Bläsertrio – Flöte, Klarinette und Horn – licht, hell und brillant wird. Dem stehen jeweils eine Geige, Bratsche, Cello und Bass gegenüber.
Im Aufbau zeigt Lachners Septett genügend Parallelen zum Oktett des Freundes. Auch sein erster Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung, Andante maestoso, aus feierlichen punktierten Rhythmen der Streicher und lyrischen Bläsersoli.
Franz Lachner,
Lithographie von Andreas Staub, um 1835
Das erste Allegro stellt gleich im Hauptthema Klarinette und Flöte als die heimlichen Solisten den Streichern gegenüber. Das jubelnde Thema der beiden Holzbläser aus Sechzehntelschleifer und gebrochenem Dreiklang wandert in der Folge beständig durch die Stimmen. Es wird auf sinfonische Weise gesteigert. Offenbar hatte auch Lachner – wie sein Freund Schubert – im Sinn, sich mit seinem Septett “den Weg zur großen Sinfonie zu bahnen”. Weite Modulationen, lyrisch ausgebreitete Klangflächen im typischen Schubert-Ton und virtuose Soli der Klarinette lösen einander beständig ab. Der Herausgeber des Septetts, Franz Beyer, musste in diesem Satz übrigens knapp 70 Takte rekonstruieren, da sie in der Partitur fehlen. Mithilfe der vorhandenen Stimmen von Violine, Viola und Horn und der analogen Stellen in der zweiten Hälfte des Satzes war die Lücke jedoch leicht zu schließen.
Zwei Tanzsätze umrahmen – ähnlich wie in Schuberts Oktett – den langsamen Satz. Zunächst hört man ein Menuett, das im Hauptteil eher wie ein Ländler für die Klarinette, ein Stück Wiener Tanzbodenmusik, daherkommt. Zwei nicht minder volkstümliche Trios folgen: ein Cellosolo in As-Dur und ein von kessen Staccati begleitetes Solo für das Horn in Es, beide im Ländlerrhythmus gehalten.
Das Andante steht – wie in Schuberts Oktett und Forellenquintett – in Variationenform. Dabei hat Lachner vom Duktus eines langsamen Marsches höchst originellen Gebrauch gemacht. Eine ruhige, lang gezogene C-Dur-Melodie der Bläser wird zu Beginn von einem Marschrhythmus der Streicher grundiert, der im weiteren Verlauf immer mehr an Bedeutung gewinnt, während das Thema immer stärker variiert wird. Orchestrale Klangeffekte und Schubertsche Modulationen durchziehen diesen höchst originellen, am Ende im Pianissimo verklingenden Satz.
In scharfem Kontrast zum lichten C-Dur dieses Satzes folgt ein quasi Beethovensches Scherzo in c-Moll, das uns daran erinnert, dass noch der junge Lachner und Schubert im Schatten des “Titans” Beethoven komponierten. Sein übermächtiges Vorbild ist in diesem Satz omnipräsent.
Das Finale, Allegro moderato, dagegen verbindet die schlichte Melodik bayerisch-österreichischer Volksweisen mit dem nimmermüden Tanzschritt eines Perpetuum mobile im Sechsachteltakt und der ausladenden Sonatenrondoform, wie man sie auch so oft bei Schubert findet.
Insgesamt zählt das Lachnerseptett zu den originellsten Wiener Kammermusikstücken aus der reifen Zeit um Schubert.
Franz Lachner (links) mit Franz Schubert und
Eduard von Bauernfeld beim Heurigen
(Moritz von Schwind, 1862)
Robert Fuchs: Quintett für Klarinette und Streichquartett Es-Dur, op. 102
“Fuchs ist ein famoser Musiker. So fein und so gewandt, so reizvoll erfunden ist alles, man hat immer seine Freude daran!” Selten hat Johannes Brahms einen Kollegen so uneingeschränkt gelobt, selten eine so deutliche Nähe zu seiner eigenen Musik verspürt wie im Falle von Robert Fuchs.
Wenn man die Lebens- und Schaffensdaten der beiden miteinander vergleicht, fällt auf, dass sich die Wiener Karriere von Fuchs in etwa parallel zur Etablierung des 14 Jahre älteren Hamburgers in der K.u.K. Metropole abspielte. Fuchs als Brahms-Epigonen zu bezeichnen, ist deshalb historisch falsch. Sie haben parallel gewirkt, wobei der Jüngere in seiner Bescheidenheit, seiner unprätentiösen Ästhetik und dem schieren Können Brahms so nahe kam wie kaum ein anderer. Dass es in den Werken von Fuchs so seltsam “brahminisch” zugeht, hängt mit dieser Wahlverwandtschaft zusammen. Es war schlicht Sympathie - menschlich wie künstlerisch -, welche die beiden Wahlwiener miteinander verband, und Brahms hat dies in seinen Briefen auch Dritten gegenüber zur Genüge bekundet. So hat er etwa an der Entstehung der Fuchs-Oper Die Königsbraut 1888 regen Anteil genommen - nicht zuletzt deshalb, weil er seine eigenen Opernpläne damals noch nicht ad acta gelegt hatte. Dass dem Werk des Freundes kein Erfolg beschieden war, hat er ehrlich bedauert. Auch den Sinfoniker Fuchs hat er nie als Konkurrenten empfunden. Beide fanden eine gemeinsame Wurzel in Franz Schubert, dessen Musik in der ihren aufgehoben erscheint.
In die Annalen der Wiener Musikgeschichte ist Robert Fuchs freilich weder als Brahmsfreund noch als Schubertverehrer eingegangen. Sein Schaffen wird gewöhnlich unter zwei anderen Schlagworten subsumiert. Einerseits gilt er als der “Serenaden-Fuchs”, weil er in Wien der Gattung der Orchesterserenade und diese wiederum ihm zum Durchbruch verhalf; andererseits war er der Lehrer so prominenter Schüler wie Gustav Mahler, Hugo Wolf, Arnold Schönberg, Franz Schreker und Alexander von Zemlinsky. Sie alle gingen durch seinen Unterricht in den Fächern Harmonielehre und Kontrapunkt am Wiener Konservatorium ,- zu ihrem Vor-, nicht Nachteil. Auch hier kann man, wie bei seiner Freundschaft mit Brahms, von einer wechselseitigen Anerkennung und Beeinflussung sprechen, die den Spätwerken von Fuchs eine Aura von Mahler und frühem Schönberg verleiht.
Eine weitere Eigenart des Robert Fuchs war seine Anhänglichkeit an die steirische Heimat. Er wurde am 15. Februar 1847 in Frauenthal im Sulmtal geboren, und zwar als 13. Kind eines keineswegs wohlhabenden Schullehrers, Organisten und Komponisten - eine sozusagen grundsteirische Familie. Was ihnen an materiellen Gütern abging, das ersetzten sie durch die Musik. So fand der kleine Robert in seinem Schwager in St. Peter im Sulmtal einen eifrigen musikalischen Lehrmeister. Mit 16 trat er in die Fußstapfen seines fünf Jahre älteren Bruders Johann Nepomuk, der in Graz als Komponist und Leiter des Akademischen Gesangsvereins sein Glück gemacht hatte, und ging in die steirische Hauptstadt. Während er den Präparandenkurs zum Lehramt absolvierte - daher seine später so erfolgreiche Didaktik -, perfektionierte er sich musikalisch beim Domorganisten Carl Seydler.
Robert Fuchs
1865 zog es ihn dann doch weiter nach Wien, wo er Desoff-Schüler wurde und nach nur zwei Jahren am Konservatorium eine h-Moll-Sinfonie (seine “Nullte”) als Abschlussarbeit vorlegte, die von den Philharmonikern in Teilen aufgeführt und mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde. 1874 begann er mit der Serie seiner fünf Orchesterserenaden, seinem größten Erfolg zu Lebzeiten. Die Uraufführung der ersten Serenade Opus 9 wurde für ihn zum Durchbruch beim Wiener Publikum, dem er erst viel später seine beiden ersten Sinfonien folgen ließ. Er schrieb sie erst, nachdem Brahms seinen sinfonischen Zyklus bereits beendet hatte: 1886 und 1887. Die Dritte ließ weitere zwei Jahrzehnte auf sich warten (1907) und fand erst in einer Aufführung unter Felix Weingartner breitere Anerkennung, die 1923 zum 75. Gebustag des Komponisten erklang. Er starb 5 Jahre später, wenige Tage nach den Feiern zu seinem 80. und – so wird berichtet – aus Erschöpfung über dieselben.
Im Schatten der Orchesterwerke schuf Fuchs in 50 Jahren kompositorischer Tätigkeit in Wien ein umfangreiches Chor-, Lied- und Kammermusikschaffen. Letzteres umfasst 20 Opera in den Genres der Zeit: neben dem Klarinettenquintett diverse Streich- und Klavierquartette, zwei Cellosonaten und sechs Violinsonaten.
Das Klarinettenquintett steht ganz am Ende dieser Serie. Fuchs schrieb es Anfang 1917, im Vorfeld seines 70. Geburtstags, der ebenso aufwendig musikalisch gefeiert wurde wie die beiden folgenden runden. Zum Festkonzert-Programm in Wien gehörte die Uraufführung des Klarinettenquintetts im März 1917, die von Presse und Publikum einhellig gefeiert wurde. Avantgardistische Maßstäbe legte man an den Altmeister aus der Brahmsära nicht an, und so hörte auch der Kritiker der Neuen Presse aus dem Quintett nur “den Duft frischer Frühlingsblumen” heraus.
Reminiszenzen an das Klarinettenquintett von Brahms aus dem Jahre 1891 müssen Fuchs schon bei der Komposition begleitet haben. Brahms hatte mit seinem h-Moll-Quintett, op. 115, sein letztes größeres Kammermusikstück komponiert, und so drängt sich auch beim Hören des Fuchs-Quintetts der Eindruck eines kammermusikalischen “Schwanengesangs” auf. Zu schön, zu rund und selig beschwingt kommt diese Musik für das Jahr 1917 daher, um nicht auch wehmütiger Nachgesang auf die entschwundene Epoche der Brahmszeit zu sein.
Robert Fuchs
Dabei ist Fuchs dem Vorbild des Brahmsquintetts in Tonart und Form scheinbar ausgewichen: Der erste Satz greift zwar im schwingenden Dreiermetrum auf diverse Brahms-Opera zurück (op. 78, 111, 115), doch die Tonart Es-Dur suggeriert leichte, lichte Helle, wo sich Brahms in grüblerischem h-Moll verstrickt. Die drei Themen des Satzes sind wunderbar aufeinander abgestimmt: Über einem erwartungsvoll gespannten rhythmischen Klanggrund der Streicher singt die Klarinette ein Thema aus gebrochenem Durdreiklang und empfindsamer Vorhaltswendung. Nachher taucht die erste Violine mit diesem Thema in einen pastosen Brahmsklang aus satten Streicherakkorden und Klarinetten-Arpeggi ein. Die Überleitung wirkt straussisch kapriziös, nimmt dann aber doch eine typische Brahmswendung nach Moll. Die Idee, das Seitenthema ganz unbestimmt vor sich hin modulieren zu lassen, bis es sich in einem Fanfarenmotiv sammelt, ist ein reizvoller Einfall des “Serenaden-Fuchs”. In der Durchführung wechselt die brahmsische Verarbeitung des Hauptthemas mit Intermezzi über das Fanfarenmotiv ab. Wie dabei der Klang pastos und schwelgend sich auslebt in satten Mittellagen, das wäre selbst einem Robert Fuchs ohne das Klarinettenquintett von Brahms wohl kaum eingefallen.
Das Scherzo steht anders als im Brahmsquintett an zweiter Stelle, und es gewinnt einen ganz eigenständigen Charakter durch sein chevalreskes Thema, das sich allmählich in wienerischen Plauderton verstrickt. Ein träumerisches Trio der Streicher unterbricht diese Genreszene.
Im Andante konnte Fuchs Reminiszenzen an das herrliche Adagio des Brahmsquintetts wohl kaum vermeiden. Trotz eigenständiger Melodik schwingt sich der Satz zu jener leicht ungarisch gefärbten Wehmut auf, die Brahms so unnachahmlich einfing, und auch die pastose Fülle der Klangfarben, bei der die Streicher die Klarinette oft genug in die Mitte nehmen, ist dem klangsatten Vorbild des berühmten Kollegen abgelauscht. Es wirkt fast so, als habe Fuchs nach 26 Jahren den herrlichen Abschiedsgesang seines verstorbenen Freundes noch einmal aufgreifen und in ein fremd gewordenes Jahrhundert hineinsingen wollen.
Das Finale war seine letzte Verneigung vor dem Freund: Variationen wie im Finale des Opus 115. Das Variationenthema ist hier jedoch den Streichern anvertraut, und es ist so stark mit Chromatik durchsetzt, dass es schon deutlich der Strauss-Reger-Epoche angehört. In diese Richtung einer gleichsam vagierenden Jahrhundertwende-Musik gehen auch die Variationen mit ihren raumgreifenden Dialogen zwischen Klarinette und Streichern, die in einer effektvollen Coda gipfeln. Man darf der englischen Klarinettistin Thea King Recht geben, die meinte, dass Fuchs hier “the flavours of the young Mahler, Strauss and Schönberg” angenommen habe.
TRACKLIST
Franz LACHNER (1803-1890)
Septet in E Flat Major (completed by Franz Beyer)
1 Andante maestoso (11:07)
2 Menuetto (7:32)
3 Andante (6:33)
4 Scherzo. Allegro Vivace, quasi presto (7:00)
5 Finale. Allegro moderato (8:20)
Robert FUCHS (1847-1927)
Clarinet Quintet in E Flat Major Op. 102
6 Allegro molto moderato (11:11)
7 Allegro scherzando (6:21)
8 Andante sostenuto (7:01)
9 Allegretto grazioso (10:27)
Total: (75:45)
Ensemble Villa Musica
Jean Claude Gerard, Flute
Ulf Rodenhäuser, Clarinet
Ernö Sebestyen, Albert Boesen. Violins
Enrique Santiago, Viola
Marie-Luise Neunecker, Horn
Martin Ostertag. Cello
Wolfgang Güttler, Double Bass
Recorded at Tonstudio van Geest in Heidelberg from
26th September to 4th October. 1988.
Producer: Günter Appenheimer
Cover: View of Grinzing and Vienna (Painting by Balthasar Wigard).
(P)+(C) 1989
LIEBE
Navid Kermanis ungläubiges Staunen über Rembrandts Lazarus
Rembrandt (1606-1669): Die Auferweckung des Lazarus. Um 1630.
Öl auf Holz, 96,4 x 81,3 cm. Los Angeles County Museum of Art.
Nicht zu sagen, ob Jesus Augen und Mund vor Entsetzen oder bloß vor Anspannung aufreißt, die ausgebreitete Hand abwehrend oder gebietend hochhält. Nicht zu sagen, ob Marias Staunen verzückt oder panisch ist, ihre Hand zum offenen Grab geht oder den Bruder von sich abhält. Nicht zu sagen, ob Martha wirklich zurückweicht, so schemenhaft nur ist sie in der unteren linken Ecke zu erkennen. Nicht zu sagen, was in den Köpfen der drei Männer vorgeht, die auf den wiedererweckten Lazarus starren, ganz hinten womöglich der Apostel Petrus. Nicht zu sagen, ob Lazarus lächelt, wie mühsam und müde auch immer, oder eher Nein! schreit, ich will nicht. Rembrandt hat das offengelassen; hat nicht gedeutet und schon gar nicht gewertet. Aber er hat die Anstrengung kenntlich gemacht, die seelische und ebenso die körperliche Belastung Jesu, der nicht entspannt ein Wort spricht wie bei den anderen Malern, vielmehr «mit lauter Stimme» ins Grab ruft, was im Lutherdeutsch «schreien» oder «kreischen» meint, der «ergrimmt» ist und gerade noch geweint hat und voraussieht, daß die Hohenpriester ihn spätestens jetzt fürchten und zum Tode verurteilen werden, da sie seine Macht erkennen. Rembrandt hat die beiden Schwestern nicht fromm und dankbar die Hände zum Himmel heben lassen, sondern Maria ein fassungsloses Staunen, Martha die Andeutung eines Zurückweichens verliehen niemand ist hier froh, auch nicht die drei Männer, nicht einmal Petrus. Vor allem aber hat Rembrandt radikal mit seinen Vorgängern gebrochen, die Lazarus einen wohlgeformten Körper gemalt haben. Bei ihm trägt der Erweckte deutliche Züge der Verwesung und phosphoresziert auch noch leichenhaft grün.
Man muß sich klarmachen, daß niemand, der an die Auferstehung glaubt, in dieser Welt wiedergeboren werden möchte. Jesus selbst, der Lazarus mehr als andere Menschen «lieb hat», was im Lutherdeutsch eine Steigerung der Liebe ist, Jesus ist sich bewußt, daß er dem verstorbenen Freund keinen Dienst erweist, indem er ihn ins Leben zurückruft. Es geht Jesus um die Jünger «auf daß ihr glaubet» und die Umstehenden «daß sie glauben». Ja, anfangs, als die Nachricht von der Erkrankung des Lazarus eintrifft, stellt Jesus sogar klar, daß es im Kern um ihn selbst geht: «daß der Sohn Gottes dadurch geehrt werde». Denn er sieht richtig voraus, daß Lazarus sterben und dessen Erweckung den Anlaß liefern wird, Jesus selbst zu kreuzigen nichts anderes als Jesu Auferstehung ist schließlich mit «Verherrlichung» gemeint. Dem entspricht, daß Jesus seinen Gang nach Bethanien als Rückkehr nach Jerusalem versteht — «laßt uns wieder nach Judäa ziehen» —‚ ihn mit dem Zeitenlauf in Verbindung bringt «sind nicht des Tages zwölf Stunden?» und Thomas die anderen Jünger auffordert: «Laßt uns mitziehen, daß wir mit ihm sterben!» Dem entspricht zumal das Weinen, das sehr bemerkenswerte, wohl auch heftige Weinen Jesu in Bethanien, das oft als Trauer um Lazarus gelesen wird, doch weshalb sollte Jesus den Tod desjenigen betrauern, den er gleich wiedererweckt?
Hippolyt und andere Kirchenväter deuteten Jesu Tränen daher keineswegs als Trauer über den Tod des Freundes, sondern im Gegenteil als Betrübnis über dessen Wiederkehr ins Leben. Anders gesagt: Jesus gehen «die Augen über», weil er seinen Freund, den besonders geliebten Lazarus, ins Elend dieser Welt zurückzwingen muß, um selbst getötet zu werden und auferstehen zu können. Und tatsächlich gibt es, kaum beachtet, eine entscheidende Pause während der Totenerweckung, als die Grabplatte abgehoben wird: «Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast», sagt Jesus, als er die Leiche sieht. Erst danach ruft, nein, schreit und kreischt er und zwar «um des Volks willen‚ das umhersteht, sage ich's, daß sie glauben, du habest mich gesandt» Lazarus aus dem Grab heraus. Das heißt, der Dank, erhört worden zu sein, geht der leiblichen Auferweckung voraus, ist zeitlich und sprachlich von ihr getrennt. Der Dank scheint sich also auf etwas anderes zu beziehen. Aber worauf?
Ich gehe nochmals an den Anfang der Geschichte in Johannes II: «Unser Freund schläft», sagt Jesus, da er hört, daß Lazarus in Bethanien krank liegt. «Herr, schläft er, so wird's besser mit ihm», erwidern die Jünger, die meinen, Jesus spreche vom leiblichen Schlaf. Jesus jedoch klärt sie auf, daß Lazarus gestorben ist: «Ich gehe hin, daß ich ihn aufwecke.» Weil man das Ende der Geschichte schon kennt, setzt man voraus, daß Jesus hier ankündigt, Lazarus in die irdische Existenz zurückzurufen. Tatsächlich könnte mit aufwecken genausogut noch Erweckung im Sinne von Auferstehung gemeint sein. Jesus selbst sagt, als ihm vor Bethanien Martha entgegenkommt, die Schwester des Lazarus, der schon vier Tage im Grab liegt: «Dein Bruder soll auferstehen.» Worauf Martha sich nicht einmal wundert: «Ich weiß wohl, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage.» Und Jesus bestätigt, was Martha sagt: «Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.» Hier geht es deutlich um das ewige Leben - «ob er gleich stürbe» —, nicht um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme der zeitlich begrenzten irdischen Existenz: «Glaubst du das?» Worauf Martha, eine einfache Frau und nicht etwa einer der männlichen Jünger, das Bekenntnis der neuen Gemeinde spricht: «Ja, ich glaube, daß du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.» Der Dank, erhört worden zu sein, muß sich auf die eigentliche und eigentlich doch ewige Auferstehung beziehen. Die nachfolgende, leibliche Wiederbelebung des Lazarus ist da nur die Illustrierung, daß durch Jesus die Toten auferstehen, ein äußeres Zeichen für die Ungläubigen und Unsicheren, wohlgemerkt nicht für den armen Lazarus selbst.
Oder gehen Jesus die Augen deshalb über, weil er bei der Ankunft in Bethanien noch gar nicht daran denkt, Lazarus ins Leben zurückzurufen, also seinen Freund tatsächlich vermißt und noch nicht damit rechnet, ihn bald wiederzuhaben? «Siehe, wie hat er ihn so liebgehabt», haben selbst die Juden, die ihm so sehr mißtrauen, Mitgefühl mit ihm. Aber da nun einige unter ihnen Jesus provozieren, indem sie ihm vorhalten, den Tod des Freundes nicht verhindert zu haben, geht er zum Grab und verlangt, daß der Stein abgehoben werde. «Herr, er stinkt schon», will ihn Martha noch abhalten und erinnert: «Denn er ist vier Tage gelegen.» Doch Jesus mahnt Martha, an ihn zu glauben - an ihn also, der die Auferstehung und das Leben ist —, und läßt den Stein entfernen. Nachdem Jesus seine Augen emporgehoben und Gott gedankt hat, fährt er um des Volkes willen fort, damit es ihn als Gesandten anerkenne, und weckt den Verstorbenen auf. Worauf Lazarus aus dem Grab tritt, die Hände und Füße mit Tüchern verbunden, sein Gesicht sicher nicht zufällig von einem Schweißtuch verhüllt. Rembrandt freilich läßt das Schweißtuch fort und liefert so eine Erklärung für Jesu seltsame Reaktion. Denn statt den Freund, den er so betrauert hat, zu umarmen oder auch nur zu begrüßen, sagt Jesus nur: «Löset ihn auf und lasset ihn gehen» wohin?
Natürlich fragt man sich oder frage vielleicht nur ich mich, was für ein Leben das noch sein könnte, das Lazarus gerade wiedergewonnen hat, die Haut schon vermodert, das Fleisch eingefallen oder gar von Würmern angefressen, aasig riechend und also ein Schrecken für alle Leute, um von der seelischen Zersetzung gar nicht zu reden, dieser Schock, als Gerechter in Gottes Frieden zu ruhen, der ewig sein soll, und dann doch wieder in den Körper zurückversetzt zu werden, der nicht mehr bloß gebrechlich ist, sondern bereits fault? Und Jesus weiß doch schon, daß er selbst getötet wird, sehr bald und auf grausamste Weise, er weiß, daß Lazarus dann umgekehrt um ihn trauert, hat Lazarus bei der Salbung sogar bei sich, die die Passion einleitet wie kann ein Freund das einem Freunde antun? Oder tut er es ihm an, gerade weil Lazarus sein Freund ist, so wie auch ein Mann seine Frau, eine Frau ihren Mann oder Eltern ihre Kinder, deren Tod sie betrauern, ins Leben zurückschreien und -kreischen möchten, ob sie an die Auferstehung glauben oder nicht? Auch ich wünsche mir, spreche den Wunsch in eingestandener Selbstsucht gelegentlich aus, so Gott will vor meiner Frau und zumal vor unseren Kindern zu sterben, damit mir nicht die Augen an ihrem Grab übergehen. Nur Jesu Liebe übersteigt menschliches Maß. Lazarus hingegen hat er so liebgehabt. Nicht zu sagen, ob der Freund lächelt, wie mühsam und müde auch immer, oder eher Nein! schreit, ich will nicht.
Quelle: Navid Kermani: Ungläubiges Staunen. Über das Christentum. C.H.Beck, München 2015, edition C.H.Beck Paperback, ISBN 978 3 406 71469 6. Seite 27 bis 31.
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Im Werk von Paul Hindemith (1895-1963) übernimmt die Kammermusik eine Rolle von besonderer Bedeutung.
In einem musikalischen Umfeld schaffend, das direkt durch Spätromantik und besonders durch Brahms beeinflusst war, scheint Hindemith in der ersten Phase seiner Tätigkeit zwischen 1918 und 1923 eine eher aggressive und provokative stilistische Haltung einzunehmen, im Einklang mit dem durch die Weimarer Republik geförderten liberalen und innovativen Geist. In dieser Zeit verschmelzen Einflüsse von Richard Strauss, Puccini und Schreker zu einem Stil, der später einen deutlichen Einfluss Schönbergs zeigen würde.
Beispiele für diese Tendenz sind Werke wie Sancta Susanna und das Ballett Der Dämon; aber auch im Stück für Marionetten Das Nusch-Nuschi kann man ein Echo des Orientalismus identifizieren, mit dem Ravel und Strawinsky bereits experimentiert hatten.
In einer Zeit, in der sich die meisten Komponisten mit dem Orchester- und Opernrepertoire beschäftigten, wandte Hindemith seine Aufmerksamkeit der Kammermusik zu, als einem unabhängigem Territorium, wo Experiment und Geschmack bei der Herstellung von Hausmusik in der Lage sein sollten, im idealen Gleichgewicht zusammenzuarbeiten: Das Streichquartett, die Solosonate und auch das kleine Ensemble, auf den vom Pierrot lunaire und von der Histoire du soldat vorgegebenen Wegen, zeigten neuartige Gleichgewichte. Unter dieser Perspektive komponiert wurden solche Stücke wie die Kammermusik Nr. 1 für kleines Orchester, die Kleine Kammermusik für Bläserquintett, das Dritte und Vierte Streichquartett und der Liederzyklus Das Marienleben, wo die Verwendung von aufwendiger rhythmischer Struktur und intensiver kontrapunktischer Struktur mit Anleihen an barocke musikalische Formen vermischt ist.
Die Jahre zwischen 1923 und 1924 bildeten einen Wendepunkt in Hindemiths musikalischer Sprache. Durch zeitgenössische Experimente offensichtlich beeinflußt, entfernte er sich von den gewichtigen Konsequenzen der Subjektivität der spätromantischen Ästhetik, um für sich eine neue, objektive und positive Position zu suchen.
Diese Konzeption, die im musikalischen Kontext durch den Einsatz der strukturellen und formalen Linearität des Barock zum Ausdruck kommt, könnte man als seine motivierende und konstruktive Kraft bezeichnen. Diese Position ist nicht unähnlich jener von anderen Teilnehmern der zeitgenössischen Musikszene: aber was den Klassizismus Hindemiths von dem Strawinskys oder Poulenc‘ unterscheidet, ist das Bewusstsein der sprachlichen Auswirkungen der spätromantischen Harmonik, die er bereits als junger Komponist gründlich studiert und assimiliert hatte.
Auf die Krise des späten neunzehnten Jahrhunderts antwortete Hindemith daher mit einer Rückkehr zu den Symmetrien des Barocks, im Lichte der Erfahrungen der nachwagnerianischen Harmonik, weniger der abstrakten Diatonik (wie im Fall Strawinsky): Ein Neoklassizismus, der seinen eigenen historischen Hintergrund aufsucht, sich dem, was war, nicht tout court verweigert, sondern einfach Gebrauch davon macht, nicht als reines Spiel, sondern mit dem Bewusstsein historischer Kontinuität.
Unter diesen Umständen entstanden zwischen 1924 und 1927 die anderen sechs Kammermusiken, die Oper Cardillac(1926) und das Konzert für Orchester (1925).
Richard Gerstl: Selbstbildnis (Akt auf blauem Grund),
1902. 160 x 109 cm, Leopold Museum Wien
In den selben Jahren entstand das Trio Op.47 für Klavier, Bratsche und Heckelphon (1928): Das Heckelphon ist eine Bariton-Oboe, 1904 von den Brüdern Heckel konstruiert und bereits von Richard Strauss in Salome, in Elektra und in der Alpensinfonie verwendet. Das Gerät wird durch eine dunklere Klangfarbe als die Oboe (da es eine Oktave tiefer gestimmt ist) oder als das Englischhorn charakterisiert.
Das Trio Op.47 ist wie viele Werke Hindemiths in zwei Teile gegliedert, die ihrerseits weiter unterteilt sind.
Die beiden Teile stehen in besonderem Kontrast zu einander, als ob der Komponist beabsichtigt hätte, seinen eigenen jugendlichen Stil (im ersten Teil) gegen die Assimilationen seiner aktueller Phase zu konfrontieren. Der erste Teil (Solo. Sehr lebhaft. Stürmisch) öffnet in der Tat mit einem umfangreichen Solo auf dem Klavier, in dem wir die dicht chromatische Schreibweise feststellen können, die die erste Neue Wiener Schule direkt zu suchen scheint.
Auf diesen ersten, deutlich improvisatorischen, Abschnitt folgt ein Arioso (Sehr langsam), in dem die große Phrasierung des Heckelphons mit der immer eher rhythmischen Figuration des Klaviers kontrastiert; im dritten Teil (Duett. Lebhaft) tritt auch die Bratsche auf und bekräftigt den dramatischen Charakter und die dichte Chromatik der Einleitung.
Der zweite Teil des Trios, Poutpourri, ist in vier Teile unterteilt (Schnelle halbe; Lebhaft Ganze Takte; Schnelle halbe; Prestissimo) und stark rhythmisch in seiner Natur, als eine Art Suite von volkstümlichen Tänzen.
Daher erinnert die Ausarbeitung des thematischen Materials an Bartók, wenn auch der allgemeine Charakter des ganzen Abschnitts durch rhythmische Dynamik und individuell-harmonisches Gleichgewicht geprägt werden, wie es schon in den Kammermusiken evident geworden war.
Die folgenden Jahre zeigen eine immer größere Aufmerksamkeit Hindemiths für didaktische Probleme und Musik für Amateure, die sogenannte Gebrauchsmusik: Lehrstücknach Texten von Brecht, das in dieser Zeit zusammen mit den Kompositionen für mechanische Instrumente und Film- und Radiomusik verwirklicht werden.
In den frühen dreißiger Jahren kam es zu einer fortschreitenden Wandlung der Ästhetik des Komponisten, in Richtung einer lyrischen Dimension und gleichzeitig einer, durch knappere Diatonik geprägten, harmonischen Konzeption.
Merkmale, die bereits in den Konzertmusiken von 1930 zu sehen waren, wurden noch deutlicher in der Oper Mathis der Maler, mit der sich Hindemith mindestens drei Jahre lang, von 1932 bis 1935, beschäftigte.
Richard Gerstl: Die Schwestern Frey (Paula und Karoline Frey),
1905. 175 x 150 cm, Österreichische Galerie Belvedere, Wien
Hier beabsichtigt die kompositorische Sprache, vollen Gebrauch von der Zentralität der tonalen Funktion zu machen, aber in einem Kontext, der den harmonischen Fortschritt des späten neunzehnten und des frühen zwanzigsten Jahrhunderts nicht ignorieren konnte. Mathis der Maler ist ein zentrales Werk in der Ästhetik Hindemiths; wie die daraus abgeleitete Symphonie markiert es den Moment der maximalen Entwicklung entlang seines kreativen Wegs, realisiert in einer humanistischen Matrix des klassischen und romantischen Erbes.
Nach Mathis der Maler neigte Hindemith dazu, sich von den emotionalen und musikalischen Implikationen des Stückes zu distanzieren. Daher erscheinen die Werke dieser Periode ohne den für Hindemiths Frühwerk typischen lebhaften und aggressiven Stil und kultivieren stattdessen ein Klima der Reflexion und des Entzugs.
Anstelle der harmonischen Entwicklung, gelangten formale Strukturen in das Zentrum seiner Interessen, obwohl begleitete Melodien als ein grundlegendes Prinzip blieben; ein zentrales Element drückt sich in der immer häufigeren Verwendung von Fugen, Passacaglien, Variationen, cantus firmus aus und belebt den Geist der Sonatenform.
Die Verwandschaft dieser Entwicklung mit seinen didaktischen Aktivitäten wird in einer Arbeit mit theoretischer Zielsetzung klar, der Unterweisung im Tonsatz, zwischen 1937 und 1939 entstanden, und viele weitere Male überarbeitet, ohne dass jemals eine endgültige Ausgabe erreicht worden wäre.
Hier theoretisiert der Komponist über seinen "eigenen" Standpunkt mit Bezug auf die Probleme der Harmonik und bekräftigt die zentrale Rolle der Tonalität, indem er seine eigenen Vorstellung von der Beziehung zwischen den zwölf Tönen der chromatischen Tonleiter formuliert.
In diesem Zeitraum von 1933 bis zu seinem Tod im 1963 beendete Hindemith fünf Sinfonien, acht Konzerte und eine große Zahl von Solosonaten, die jeweils für ein anderes Instrument gedacht waren.
In diesem Kontext steht auch die Komposition desSeptetts für Bläser (Flöte, Oboe, Klarinette, Bassklarinette, Fagott, Horn und Trompete), einer Form, die im späten achtzehnten Jahrhundert und in den 1800er Jahren praktiziert wurde.
Komponiert 1948, besteht das Septett aus fünf Sätzen. Der erste Satz Lebhaft, mit seiner persönlichen Lesart der Sonatenform und seiner starken rhythmischen Charakterisierung, entfaltet den neuen Stil des Komponisten in einer sehr beredten Weise.
Der zweite Satz Intermezzo (Sehr langsam frei) in drei Teilen, von offensichtlichem improvisatorischen Charakter, agiert als eine Art Einführung in die folgende Variationenreihe (Mäßig schnell), in der das von der Trompete eingeführte Thema neun mal – rhymisch akzentuiert - variiert wird, abgeschlossen durch eine kurze Coda.
Der vierte Satz ist einmal mehr ein kurzes Intermezzo (Sehr Langsam) , in seiner Struktur sehr ähnlich dem vorhergehenden, gefolgt von der abschliessenden Fuge (Alter Berner Marsch), in der Hindemiths Fähigkeit, für Bläser zu komponieren, und seine große Meisterschaft in der Ausarbeitung in den Vordergrund rücken.
Richard Gerstl: Arnold Schönberg, 1906.
182 x 130 cm, Wien Museum
Die 1950er Jahren markieren die fortschreitende Abstraktion im musikalischen Schaffen Hindemiths: ein Prozess, der seinen Höhepunkt in der Oper Die Harmonie der Welt erreicht, ein hoch symbolisches Stück, das in der Persona Kepler die Harmonie der himmlischen Sphären reflektiert.
In dieser Oper, wie in den anderen Werken dieser Zeit, geht Hindemith mit Bedacht neuen Perspektiven nach, vor allem durch die Verwendung der Dissonanz, als extreme Versöhnung mit Schönberg.
Das Oktett für Bläser und Streicher (Klarinette, Fagott, Horn, Violine, zwei Violen, Violoncello und Kontrabass) kann in einem gewissen Sinne als Reflexion dieser neuen Gesichtspunkte verstanden werden. Und in der Tat hebt es sich, wegen der besonderen Verwendung von dissonanter Harmonik und wegen der Komplexität der rhythmischen Figuration von seinen Vorgängern ab.
Komponiert zwischen 1957 und 1958, und den Berliner Philharmonikern gewidmet, ist auch das Oktett fünfsätzig gestaltet, aber etwas mehr in die Breite gebaut.
Es beginnt mit einer dramatischen langsamen Einleitung (Breit), gefolgt von einam Satz Mäßig Schnell von bemerkenswerten konstruktiven Ansprüchen, der die Sonatenform erkennen läßt.
Es folgt eine Reihe von sechs Variationen (Mäßig bewegt), die jeweils durch die Verwendung von verschiedenen Besetzungen gekennzeichnet sind. (Solo-Horn in der dritten Variation, Klarinette und Fagott in der vierten und so weiter).
Der dritte Satz ist ein Lento (Langsam) in dreiteiliger Form (ABA): In den äußeren Abschnitten exponieren die Bläser eine Melodie, auf präzisen rhythmischen Figurationen basierend, über eine Streicherbegleitung; während im mittleren Abschnitt die Streicher das Thema tragen, begleitet durch »unterbrochene Arbeit« der Bläser.
Es folgt eine Art Scherzo Sehr Lebhaft, auch in dreigeteilter Form und entwickelt aus einem rhythmischen Ostinato, einem für Hindemith üblichen Komponierstil.
Eine Fuge und Drei altmodische Tänze beschließen die Arbeit: Auf das Thema der Fuge, die an den dramatischen Charakter der Einführung erinnert, folgt eine frenetische kontrapunktische Ausarbeitung, die schließlich drei beliebten Tänzen weicht: einem Walzer von offensichtlich Mahlerscher Provenienz, einer eleganten Polka und einem lebendigen Galopp, der die Arbeit mit einem virtuose Solo für die erste Bratsche abschließt, eine Reminiszenz des Komponisten, der, wie wir wissen, ein Virtuose auf diesem Instrument war.
Quelle: Andrea Zaccaria, im Booklet, aus der englischen Version übersetzt von WMS.Nemo
Track 6: Septett (1948) - I. Lebhaft
TRACKLISTPAUL HINDEMITH (1895 - 1963)
KAMMERMUSIK
Musica da camera - Chamber music - Musique de Chambre
OKTETT - OTTETTO - OCTET - OCTETTE (1957/58)
für Klarinette, Fagott, Horn, zwei Bratschen, Violoncello und Kontrabaß
per clarinetto, fagotto, corno, due viole, violoncello e contrabbasso
for clarinet, bassoon, horn, two violas, cello and double-bass
pour clarinette, basson, cor, deux altos, violoncelle et contrebasse
01 Breit - Mäßig schnell 7'13"
02 Mäßig bewegt 2'23"
03 Langsam 6'38"
04 Sehr lebhaft 2'28"
05 Fuge und drei altmodische Tänze 6'13"
SEPTETT - SETTIMINO - SEPTET - SEPTETTE (1948)
für Flöte, Oboe, Klarinette, Baß-Klarinette, Fagott, Horn und Trompete
per flauto, oboe, clarinetto, clarinetto basso, fagotto, corno e tromba
for flute, oboe, clarinet, bass-clarinet, bassoon, horn and trumpet
pour flûte, hautbois, clarinette, clarinette basse, basson, cor et trompette
06 Lebhaft 4'18"
07 Intermezzo. Sehr langsam frei 2'19"
08 Mäßig schnell 3'55"
09 Intermezzo. Sehr langsam 2'04"
10 Fuga. Alter Berner Marsch 3'30"
TRIO op. 47 (1928)
für Klavier, Bratsche und Heckelphon
per pianoforte, viola e heckelphon
for piano, viola and heckelphon
pour piano, alto et heckelphon
11 Erster Teil 6'12"
12 Zweiter Teil 7'06"
T.T. 54'39"
Mitglieder des - Membri del - Members of - Membres du
QUARTETTO STAUFFER
Carlo Feige: violino - violin - Violine - violon /
viola - Bratsche - alto (tracks 11 12)
Claudio Pavolini: viola I - Bratsche I - alto I (tracks 1-5)
Marco Decimo: violoncello - cello - violoncelle
QUINTETTO ARNOLD
Alberto Barletta: flauto - flute - Flöte - flûte
Francesco Pomarico: oboe e heckelphon - oboe and heckelphon -
Oboe und Heckelphon - hautbois et heckelphon
Maurizio Longoni: clarinetto - clarinet - Klarinette - clarinette
Leonardo Dosso: fagotta - bassoon - Fagott - basson
Ettore Bongiovanni; corno - horn - Horn - cor
Wim Janssen: viola 11- Bratsche 11 - alto 11 (tracks 1-5)
Silvio Albesiano: contrabbasso - double-bass - Kontrabaß - contrebasse
Stefania Redaelli: pianoforte - piano - Klavier
Sergio Del Mastro: clarinetto basso - bass clarinet - Baß-Klarinette -
clarinette basse
Francesco Tamiati: tromba - trumpet - Trompete - trompette
Registrazione - Recording: Ortisei, 1-3/5/1995 & Varna-Bressanone (BZ),
Salone dei Congressi. 3-4/6/1995 (Ottetto)
Direzione artistica - Recording supervision: Carlo Feige
Assistente di produzione - Production assistance: Michael Seberich
Tecnico dei suono e montaggi digitali - Recording engineer and digital editing:
Michael Seberich
DDD
(C) + (P) 1996
Richard Gerstl: Doppelbildnis Mathilde und Gertrud
Schönberg, 1906. 150 x 108 cm,
Österreichische Galerie Belvedere, Wien
Richard Gerstl (1883-1908)
Kindheit, Jugend und Ausbildung
Richard Gerstl wird am 14. September 1883 in Wien geboren. Seine Eltern, Emil (1834-1912) und Maria Gerstl (geborene Pfeifer; 1857-1910), hatten kurz zuvor, am 26. August 1883, geheiratet. Richard ist der dritte Sohn der beiden. Die älteren Brüder, August (1880-1945) und der spätere Berichterstatter von Richards kurzem Leben, Alois (1881-1961), wurden unehelich geboren. Der Grund für die so lange hinausgeschobene Eheschließung liegt in den unterschiedlichen Konfessionen des Paares: Emil Gerstl ist Jude, Maria Pfeifer Christin. Die Ehe wird nach mosaischem Gesetz im israelitischen Bethaus in Wien V geschlossen. Es ist umso verwunderlicher, daß Richard Gerstl röm. kath. getauft wurde, als beide Elternteile nunmehr mosaischer Konfession sind; treibende Kraft für die Taufe der Söhne ist die Mutter, die selbst bereits 1884 wieder aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft austritt. Viele Jahre lang bleibt sie ohne Bekenntnis. Die röm. kath. Kirche nimmt sie erst im Jänner 1904 - als sich ihr Mann Emil Gerstl zum Christen taufen läßt - wieder an.
So kompliziert sich die Verhältnisse in Fragen der Konfession in Richards Elternhaus - Wien IX, Nußdorferstraße 35 - gestalten, so gefestigt sind die finanziellen Verhältnisse der Familie Gerstl. Emil Gerstl hat ein beträchtliches Vermögen durch Börsengeschäfte erlangt, führt also das Leben eines Privatiers. Er kann es sich leisten, seine Söhne finanziell zu unterstützen. Letztlich ist es der Vater, der dem zu Lebzeiten als Maler finanziell erfolglosen Richard Gerstl die materielle Grundlage sichert. Wie wir den Erinnerungen von Gerstls Akademiekollegen und Freund Victor Hammer entnehmen können, ist das Verhältnis der Söhne zu ihren Eltern sehr herzlich und eng. Obgleich Emil Gerstl die künstlerischen Ambitionen seines jüngsten Sohnes - sie paßten nicht in seine Vorstellung eines soliden Lebenswegs - nicht gerne sieht, ist er bereit, dessen Studien zu finanzieren. […]
Im Oktober 1898 tritt der erst 15-jährige Richard Gerstl nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung in die "Allgemeine Malerschule" Professor Christian Griepenkerls an der Wiener Akademie der bildenden Künste in Wien ein. Dieses Lehrer-Schüler-Verhältnis ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ein Licht auf die Differenzen zwischen dem konservativen Professor und dem Schüler - dessen Betragen als "vorbildlich" gilt - werfen die überlieferten Aussprüche Griepenkerls: "Sie hat der Teufel an die Akademie geschickt", und später, "So wie Sie malen, kann ich in den Schnee brunzen".
Gerstl bleibt drei Jahre bei Griepenkerl, der seinen Schüler in den relevanten Fächern wie "Zeichnen des Naturkopfes", "Zeichnen im Abendakte", "Zeichnen des Gewandes" und "Malen des Naturkopfes" ebenso wie den "Fortschritt" Gerstls durchwegs mit "genügend" klassifiziert. Lediglich der "Fleiß" des jungen Malers wird mit "gut", einmal sogar mit "sehr gut" beurteilt. Weit besser schneidet Gerstl in den Hilfsfächern und Hilfswissenschaften ab: "Anatomie", "Stillehre", "Farbenlehre" und "Farbenchemie" werden mit "gut", lediglich "Perspektive" mit "genügend" bewertet. Alles in allem muß der junge Maler seinen Akademieaufenthalt bei Griepenkerl als unproduktiv erlebt haben.
Gemeinsam mit Victor Hammer verläßt Richard Gerstl im Sommer 1901 die "Allgemeine Malerschule". Es läßt sich freilich nur vermuten, ob Gerstl freiwillig ausgeschieden ist, oder ob er im vierten Jahrgang keine Aufnahme mehr gefunden hat, wie sein Bruder Alois berichtet. Jedenfalls wird Gerstl am 17. Oktober 1901 ein Zeugnis über das gesamte, 1898 begonnene Studium ausgestellt.
Richard Gerstl: Emil Gerstl, 1906. 209 x 150 cm,
Leopold Museum Wien
Die Malerschule von Nagybanya
Wie unbefriedigend für Gerstl das Studium bei Griepenkerl gewesen ist, zeigt seine Suche nach alternativen Möglichkeiten der künstlerischen Ausbildung. Er verbringt zwei Sommer bei Simon Hollósy an dessen Malerschule von Nagybánya (ehemals Ungarn, heute Siebenbürgen in Rumänien). Hollósy hat die von ihm 1896 gegründete Schule bereits 1901 verlassen; wir dürfen also annehmen, daß Gerstl sich 1900 beziehungsweise 1901 in Ungarn aufhält.
Die Malerschule von Nagybanya gilt um 1900 als Umschlagplatz moderner künstlerischer Tendenzen. Mit Simon Hollósy, der vor seinem ungarischen Intermezzo zehn Jahre lang in München gelebt und gearbeitet hat, gelangen impressionistische und postimpressionistische Ideen sowie die Freilichtmalerei ebenso nach Nagybánya wie fortschrittliche Lehrmethoden "gegen den schematischen, steifen Akademismus", die Richard Gerstl besonders entgegengekommen sein müssen. Die Künstlerkolonie war ein beliebter Treffpunkt junger Künstler unterschiedlichster Nationalitäten. Neben Schülern aus den verschiedensten Teilen Deutschlands, Englands, Polens, Rußlands, Spaniens, Ungarns und den Vereinigten Staaten führen die Namensverzeichnisse der Jahrgänge auch einige Wiener Studenten an, darunter auch Griepenkerl-Studenten.
Gerstls Freundschaft mit Victor Hammer
Richard Gerstl führt ein zurückgezogenes Leben. Seine Freundschaften sind spärlich, vor allem pflegt er keinerlei Kontakte zu den Wiener Künstlerkreisen. Drei Jahre - vom Sommer 1901 bis Herbst 1904 - bleibt er der Akademie fern. Daß sein Leben in dieser Zeit trotzdem nicht planlos verlaufen ist, entnehmen wir den Berichten von Alois Gerstl. Richard mietet sich ein Zimmer in der Haubenbiglgasse in Döbling, wo er malt, daneben eines im Therese Krones-Haus, Hohe Warte 37, um ungestört Sprachstudien betreiben zu können und sich in Philosophie und Musikwissenschaft zu vertiefen. Richard Gerstl lernt Italienisch und Spanisch nach der Toussaint-Langenscheidt-Methode, liest leidenschaftlich Werke von Otto Weininger und Sigmund Freud - dessen Traumlehre eben erst erschienen ist -, ebenso Stücke von Ibsen und Wedekind. Seine Begeisterung gilt jedoch der Musik; er überlegt sogar, Musikkritiker zu werden. Angesichts dieser von Alois Gerstl und Victor Hammer überlieferten biographischen Details und den Enttäuschungen über den Lehrbetrieb an der Akademie, verwundert es wenig, daß die künstlerische Produktion dieser Jahre numerisch klein ist.
In dieser Zeit dürfte Victor Hammer neben der Familie eine der wenigen Personen sein, zu denen Richard Gerstl engeren Kontakt hat. Außer Hammer ist uns nur noch Waldemar Unger, ein Jugendfreund, in Gerstls unmittelbarer Umgebung bekannt). Hammers Studienlaufbahn weist zahlreiche Überschneidungen mit der Gerstls auf. Neben der gemeinsamen Akademiezeit - beide beginnen ihre Studien bei Griepenkerl im Wintersemester 1898/99, beide treten im Sommer 1901 aus der Akademie aus - besuchen sie gemeinsam eine Zeitlang (frühestens 1902) die von Franz Hohenberger und Ferdinand Kruis geleitete Malerschule am Kohlmarkt 1. Hohenberger, der 1891 bis 1893 in Paris studiert hat, ist der frankophilen Neigung Gerstls sicher entgegengekommen.
Richard Gerstl: Bildnis eines Leutnants (Alois Gerstl), 1906.
150 x 125 cm, Leopold Museum Wien
Hammer berichtet von Spaziergängen mit seinem Freund in Heiligenstadt und auf der Hohen Warte sowie von Gesprächen über Gerstls Lektüre. "Gerstl erwähnte ein Buch von Moebius über die Kopfweite von Frauen, in dem er behauptete, enge Kopfweite sei ein Zeichen von Minderwertigkeit. Ich frug ihn: ,Haben Sie das Buch von Moebius gelesen?'. ,Ja', sagte er, ,und ich habe davon 71 cm Kopfweite bekommen."
Angesichts der Bedeutung, die die Freundschaft zu Victor Hammer für Gerstl in seiner Isolation zweifelsohne gehabt haben muß, ist es erstaunlich, daß sich die beiden jungen Männer siezen. Hammer berichtet, daß er und Gerstl "nie per Du (waren), was einmal einen unserer Kollegen zur Bemerkung veranlaßte, daß wir uns gegenseitig sehr zu achten scheinen, denn sonst war es üblich zwischen Kollegen, sich zu duzen." Tatsächlich dürften Richard Gerstl und Victor Hammer sehr unterschiedliche Persönlichkeiten gewesen sein; Hammer, der den Literaturkenntnissen seines Freundes - wie er selbst berichtet - in keiner Weise gewachsen ist, malt realistische Bilder nach Vorbildern der "Alten Meister", aktuelle Strömungen sind ihm vollkommen fremd.
Es ist interessant, daß Victor Hammer in seinen 1936 geschriebenen autobiographischen Erinnerungen Richard Gerstl mit keinem Wort erwähnt. Hammers von Otto Kallir 1974 veröffentlichten Berichte über Richard Gerstl datieren aus dem Jahr 1963. Sie wurden von Otto Kallir erbeten. Bezeichnet er in den späten Aufzeichnungen die Malart Gerstls als "eigentlich schon expressionistisch", so gibt er in den frühen Erinnerungen an, erst 1910 - während eines Paris-Aufenthalts - zum ersten Mal Werke expressionistischer Künstler gesehen zu haben.
Victor Hammer und Richard Gerstl arbeiten mehrfach in einem gemeinsamen Atelier: "Wir haben beide nackte Selbstportraits gemalt, und wir benutzten denselben Spiegel dazu, einmal er, dann wieder ich". Dennoch dürfte es sich dabei weniger um eine verschworene Ateliergemeinschaft gehandelt haben, als vielmehr um eine freundschaftliche und soziale Geste Gerstls dem vollkommen mittellosen Victor Hammer gegenüber.
Am 28. Oktober 1904 tritt Richard Gerstl wieder in die Klasse Griepenkerls ein. Seine Studien betreibt er jetzt offensichtlich mit noch weniger Erfolg als zuvor; auch die "Fleißbewertung" rutscht nun - wie wir dem Jahreszeugnis vom 26. Juli 1905 entnehmen können - auf "genügend" ab.
Richard Gerstl in der Spezialschule von Heinrich Lefler
Laut Alois Gerstl verdankt sein Bruder einem Zufall, daß er - nach einer einsemestrigen Unterbrechung - im März 1906 in die "Spezialschule für Malerei" von Heinrich Lefler eintreten kann. Bei einem Besuch des im Vergleich zu Griepenkerl viel fortschrittlicheren Lefler bei Victor Hammer fällt dem Professor Gerstls Bild Die Schwestern Karoline und Pauline Fey auf, das sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung Hammers befindet. Lefler sucht Gerstl auf und überredet ihn zum Eintritt in seine Klasse. Der junge Maler besteht auf einem eigenen Atelier, das ihm Lefler auch gewährt.
Richard Gerstl: Selbstbildnis mit
Palette, 1906-07, 187 x 59 cm,
Wien Museum
Das Verhältnis Leflers zu seinem neuen Schüler ist anfangs freundschaftlich. Der Professor kommt oft in Gerstls Atelier und "unterhielt sich mit ihm über verschiedene Themen". Lefler beabsichtigt, die Arbeiten Gerstls im "Hagenbund" auszustellen, ein Unternehmen, das er später doch nicht realisiert, da er einen Skandal fürchtet. Zwei andere geplante Ausstellungen, im "Ansorge-Verein" und in der von Carl Moll künstlerisch geleiteten Galerie Miethke, lehnt Gerstl ab; letztere, nach den Überlieferungen Alois Gerstls, weil einige Bilder Klimts mit ausgestellt werden sollten. Trotz der divergierenden künstlerischen Auffassungen von Klimt und Gerstl verwundert es, daß der junge und vollkommen unbekannte Maler eine Gemeinschaftsausstellung mit dem gefeierten Meister abgelehnt hat. Mehrere von Alois Gerstl überlieferte Anekdoten erzählen jedoch von Richards wenig verbindlichem, ja ruppigem Verhalten in Sachen Kunst. "Als meinen Bruder ein Gardeoberst [und Amateurmaler] in seinem Atelier im 9. Bezirk besuchte und ihm sagte: ,Das würde ich vielleicht so machen', wies ihm mein Bruder die Türe." Alois Gerstl erinnert sich auch einer Begebenheit im Kunsthistorischen Museum, wo Richard damit beschäftigt gewesen ist, ein Bild zu kopieren: "Ein meinem Bruder Unbekannter stellte sich zu ihm und gab sein Urteil ab, worüber mein Bruder verärgert war, (da) sagte er diesem Unbekannten ,Stören Sie mich nicht, Sie verstehen doch nichts', worauf dieser erwiderte: ,Ich bin der Direktor des Museums und ich kann Ihnen das Malen hier verbieten.' ,Mir können Sie nichts verbieten, ich habe die Erlaubnis vom Obersthofmeisteramt.' Daraufhin war die Angelegenheit erledigt. Mein Bruder arbeitete weiterhin unbehelligt." Von Gerstls Kopistentätigkeit hat sich ebensowenig erhalten wie von seinen Akademiestudien.
Die Verschlechterung von Gerstls Verhältnis zu Lefler gründet unmittelbar in kulturpolitischen Differenzen und Fragen des künstlerischen Selbstverständnisses. Gerstl moniert heftig Leflers Engagement für das kulturelle Establishment im Rahmen des Kaiser-Jubiläumsfestzugs vom 12. Juni 1908. "Dies dürfte Lefler irgendwie erfahren haben und entfernte ihn darauf aus der Spezialschule". Ganz so arg, wie Alois Gerstl berichtet, ist die Sache für Richard Gerstl offensichtlich nicht ausgegangen. Im Herbst 1907 entzieht Lefler zwar seinem Schüler das Privileg des eigenen Ateliers an der Akademie, Gerstl bleibt jedoch Schüler Leflers, wie wir dem Brief Gerstls an das Unterrichtsministerium vom 22. Juli 1908 - in welchem er sich ausdrücklich als Schüler Leflers bezeichnet - entnehmen können.
Gemeinsam mit Berthold Löffler, Oskar Kokoschka und anderen Künstlern ist Lefler mit der künstlerischen Ausgestaltung des historischen Teils des Umzugs (von Rudolf I. bis zu Feldmarschall Radetzky) beauftragt. Mit seiner Kritik steht Gerstl jedoch keineswegs allein da. Das Organisationskommitee wird sowohl, was die Dekoration des Festzugs anlangt (u. a. von Richard Muther und Ludwig Hevesi), als auch, was das finanzielle Gebaren der ausführenden Künstler betrifft, stark kritisiert. Die Affäre kulminiert und Lefler muß, nachdem er vom Stadtrat und in Zeitungsberichten beschuldigt worden ist, ein nicht vereinbartes Honorar vom Österreichischen Kostümatelier bezogen zn haben, im November 1909 gemeinsam mit dem Hauptverantwortlichen, Josef Urban, aus dem Hagenbund austreten und schließlich die Akademie im April 1910 "krankheitshalber" verlassen. Die künstlerisch motivierte Kritik Gerstls an Leflers Tätigkeit für den Kaiser-Jubiläumsumzug dürfte weniger schwer gewogen haben als der Umstand, daß ein Student - zumal in einer ungewohnten Form - einen Akademieprofessor zu attackieren wagte. […]
Richard Gerstl: Selbstbildnis, lachend, 1907. 39 x 30 cm,
Österreichische Galerie Belvedere, Wien
Gerstls Beschwerdebrief an das "Ministerium für Cultus und Unterricht"
Am 22. Juli 1908 schreibt Richard Gerstl von Traunstein aus einen Brief an das "Ministerium für Cultus und Unterricht": "Ich bin seit fünf Semestern Schüler der Specialschule an der Akademie der bildenden Künste in Wien des Herrn Professor Lefler. In der am 19. d. M. [19. Juli] eröffneten Schulausstellung wurde keines meiner Bilder ausgestellt; die Schulausstellung hat den Zweck über die Leistungen jedes Schülers Rechenschaft zu geben umso mehr hätte ich nicht nur das Recht gehabt, daß meine Bilder ausgestellt werden, als Hr Prof. Lefler einem meiner Collegen [gemeint ist Victor Hammer] gegenüber folgende Äußerung über mich machte: ,Er (nämlich ich) geht ganz neue Wege, man kann ihm schwer folgen, aber tun kann ich für ihn nichts'. Durch das Nichtausstellen meiner Bilder ohne mein Wissen u. meine Zustimmung, war ich von der Concurrenz um den Specialschulpreis ausgeschlossen, der Herrn Ignaz Schönfeld zuerkannt wurde; Herr Prof. Lefler hat diesen Schüler mir gegenüber wiederholt u. zum letzten Mal vor 4 Wochen für vollkommen talentlos erklärt. Da für mich der Rector der k. k. Akademie keine Instanz bildet, bitte ich das Unterrichtsministerium mich für diese Handlungsweise, die sicher mehr als incorrect ist, zu entschädigen. Gez. Richard Gerstl - Traunstein Nr. 18 bei Gmunden.
Gerstl wartet vergeblich auf Antwort. Der Akt wird am 20. August 1908 an Heinrich Lefler an die Akademie übersendet. Bearbeitet wird der Brief jedoch von Siegmund l'Allemand, dem Rektor der Akademie, der das Schreiben Gerstls am 6. September zurückweist und unbeantwortet ablegen läßt. […]
Gerstls Beziehung zu Arnold und Mathilde Schönberg
Als Maler hat sich Gerstl für einen künstlerischen Alleingang entschieden. Die Kritik, ja Geringschätzung, die er der zeitgenössischen Wiener Malerei entgegenbringt, hilft ihm nicht nur, "über seine Erfolglosigkeit hinwegzusehen, sondern scheint ihn in seinem Wege bestärkt zu haben." "Er stellte seine Bilder höher als alles, was damals in WIen geschaffen wurde, und je weniger die Mitwelt ihm Anerkennung zollte, umso überzeugter war er von der Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Weges". Diese Haltung Gerstls schließt Freund- und Seilschaften mit anderen Malern aus. Umso mehr interessiert ihn das Wiener Musikleben. "Mitunter dreimal die Woche besuchte er die Oper, bei klassischen Konzertaufführungen fehlte er nie", schreibt Alois Gerstl und Hammer überliefert Gerstls Verehrung für Gustav Mahler, den Direktor der Wiener Hofoper. Bei einem zufälligen Treffen bittet Gerstl den gefeierten Musiker, ihn portraitieren zu dürfen, Mahler lehnt ab. Dies sollte die Bewunderung Gerstls jedoch nicht schmälern. Gerstl ist - wie Schönberg und Klimt - unter den Anhängern Mahlers, die diesen nach seiner Entlassung von der Wiener Hofoper am Wiener Westbahnhof verabschieden.
Die erste Begegnung Richard Gerstls mit Arnold Schönberg findet nach den Erinnerungen des Bruders Alois im Jahr 1906 statt. Der junge Maler tritt nun an Schönberg mit dem Anliegen heran, sein Bildnis malen zu wollen. Schönbergs Musik, damals zwar weniger bekannt als die Mahlers, aber umso angefeindeter, wird von Gerstl äußerst geschätzt.
Richard Gerstl: Mathilde im Atelier, 1908.
171 x 60 cm, Stiftung Sammlung Kamm
- Kunsthaus Zug
Nach einer nur mündlichen Überlieferung des Bruders Alois hat sich Schönberg bei Gerstls Lehrer Heinrich Lefler über die Malkompetenz des ihm unbekannten jungen Künstlers erkundigt. Arnold Schönberg selbst erinnert sich 1938 an den Beginn der Bekanntschaft mit Gerstl: "Als dieser Mensch in mein Haus eindrang, war er Schüler Leflers, dem er angeblich zu radikal malte." Die Auskunft Leflers muß jedenfalls für Schönberg befriedigend gewesen sein. Noch im selben Jahr 1906 malt Gerstl die repräsentativen Bildnisse von Arnold Schönberg und dessen Frau Mathilde mit der Tochter Gertrud.
Schon bald entwickelt sich zwischen dem Komponisten und Gerstl ein freundschaftliches Verhältnis. Gerstl findet Aufnahme im "Schönberg-Kreis", einer in ihrer Bewunderung für Arnold Schönberg und dessen neuer Musik fest verschworenen Gruppe: alle musikbegeistert, viele von ihnen selbst Komponisten und Musiker, die meisten Schüler in Schönbergs musiktheoretischen Abendkursen, die der Komponist seit 1904 gibt. Gerstl lernt Alban und Smaragda Berg, Anton von Webern, Egon Wellesz, Heinrich Jalowetz, Viktor Krüger, Alexander von Zemlinsky - Schönbergs Schwager - und Ernst Diez kennen.
Öffentliche Mißerfolge bei Konzerten begleiten Schönberg während seiner gesamten Wiener Zeit. Unter strengster Geheimhaltung sichern seine Schüler - "meine Jünger", wie sie Schönberg in seinem Testamentsentwurf von 1908 nennt - durch Spenden die Aufführung von Konzerten und sorgen, unter Wahrung größter Verschwiegenheit, aus gemeinsamer Kassa für das Auskommen der Familie des Komponisten. Aufgrund der engen Beziehungen zur zentralen Figur Arnold Schönbergs verwundert es nicht, daß ab 1905 auch die Sommerferien gemeinsam mit ausgewählten Schülern und Freunden verbracht werden.
Im folgenden Jahr beginnt Schönberg zu malen. Die unterschiedliche Beurteilung der Rolle, die Richard Gerstl bei diesen ersten Versuchen gespielt hat, ist bezeichnend für das in einer menschlichen Katastrophe endende Verhältnis zwischen Arnold Schönberg, seiner Frau Mathilde und Richard Gerstl. So erinnert sich Hammer, daß "als Gerstl Arnold Schönberg kennenlernte, er es war, der Schönberg Unterricht im Malen gab und ihn dazu brachte, sich darin zu versuchen."
Dem steht die 1938 von Schönberg überlieferte Äußerung Gerstls gegenüber, wonach dieser sich von den amateurhaften Ergebnissen des Komponisten beeindruckt gezeigt habe: "Jetzt habe ich von Ihnen gelernt, wie man malen muß". Laut Schönberg sollen es neben den vielen gemeinsamen Gesprächen vor allem seine eigenen kläglichen Malversuche gewesen sein, die in Gerstls Schaffen zu einem abrupten Wendepunkt geführt haben: Gerstl sei bis dahin einem noch sehr zahmen Realismus verhaftet gewesen - "Sein Vorbild, sein Ideal war damals Liebermann" - und habe erst dann "modern" zu malen begonnen. In seinen Malerischen Einflüssen schildert Schönberg dann auch äußerst distanziert den Beginn der Bekanntschaft mit Richard Gerstl und resümiert die vielen Fachgespräche über bildende Kunst, Musik und anderes als "Verschwendung von Gedanken".
Richard Gerstl: Die Familie Schönberg, 1908. 89 x 110 cm,
MUMOK, Stiftung Ludwig, Wien
Vorerst jedoch ist das Verhältnis der beiden Männer außerordentlich freundschaftlich. Nicht zuletzt Gerstls spontane Beteuerung, "Schönberg sei der größte lebende Künstler", die laut Otto Breicha den Komponisten davon abhält, sich wegen des eklatanten Mißerfolgs der Aufführung des d-Moll-Quartetts zu erschießen, festigt die Freundschaft. Gerstl genießt Schönbergs vollstes Vertrauen und ist mit Wissen des überaus beschäftigten Komponisten Mathildes ständiger Begleiter bei musikalischen Veranstaltungen in Wien. Schließlich lädt Schönberg seinen jüngeren Freund ein, die Sommermonate 1907 gemeinsam in Traunstein zu verbringen.
In Traunstein wohnen Gerstl, die Familie Schönberg sowie die Schönberg-Schüler Krüger, Jalowetz, Webern und Horwitz in zwei kleinen Häusern, die zur "Feramühle" gehören. Aus der freundschaftlichen Beziehung zwischen Gerstl und Mathilde Schönberg entwickelt sich ein Liebesverhältnis, von dessen Existenz Schönberg früh gewußt haben muß. Denn aus der fraglichen Zeit referiert Breicha einen Brief Schönbergs, in dem dieser an den Freund appelliert: "Zwei wie wir sollten sich wegen einer Frau nicht entzweien."
In der Darstellung Gerstls erscheint das Verhältnis zu Schönberg jedoch ungetrübt. "Übrigens dürfte es Dich interessieren, ob ich mich mit meinen Bekannten aus Wien vertrage: sehr gut", lautet der optimistische Nachsatz eines Schreibens an seinen Bruder Alois am 26. Juli 1907, der Schönbergs Verbot, daß Mathilde in Zukunft Gerstls Atelier nicht betreten dürfe, widerspricht. Angeblich hat die Tochter Gertrud die Mutter und Richard Gerstl beim Küssen beobachtet und das dem Vater mitgeteilt.
Das Verhältnis zwischen Mathilde und Gerstl dauert jedenfalls an. Bereits vor dem Sommer 1908 muß sich Richard Gerstl in einer tiefen seelischen Krise befunden haben. In seinem Beileidsschreiben an Alois Gerstl nach dem Tod Richards berichtet Waldemar Unger - der Gefährte der "Sturm- und Drangjahre jener Zeit, in der der Mensch zu dem wird, was er einmal sein soll" - von zwei Treffen mit Richard im April 1908, bei denen er den Eindruck einer "momentanen Krise, wie sie in einem Künstlerleben unzweifelhaft vorkommt", gewonnen hat.
Mitte Juli 1908 - nach dem Ende des Sommersemesters - reist Gerstl zum zweiten Mal mit den Schönbergs an den Traunsee. Während Schönberg mit seiner Familie beim "Hoisen" Quartier bezieht, wohnt der Maler wie im Sommer zuvor in der "Feramühle" der Familie Prillinger. Hier verfaßt er auch den oben zitierten Beschwerdebrief an das Unterrichtsministerium. Arnold Schönberg kann in diesem Sommer - noch im Juli - das zweite Konzert seiner Schüler sichern.
Richard Gerstl: Gruppenbildnis mit Schönberg,
1908. 169 x 110 cm, Stiftung Sammlung Kamm
- Kunsthaus Zug
Daß die Spannungen zwischen Schönberg und Gerstl mittlerweile einen Höhepunkt erreicht haben müssen, geht aus einem 1908 verfaßten Testamentsentwurf des Komponisten hervor. Darin begründet Schönberg unter anderem seine Verzweiflung mit dem Treuebruch seiner Frau: "Nun ist aber doch nicht zu leugnen, daß ich über ihren Treuebruch äußerst unglücklich bin. Ich habe geweint, habe mich wie ein Verzweifelter gebärdet, habe Entschlüsse gefaßt und wieder verworfen, habe Selbstmordideen gehabt und beinahe ausgeführt, habe mich von einer Tollheit in die andere gestürzt - mit einem Wort, ich bin ganz zerrissen". Im Sommer 1908 kommt es zum Eklat: Schönberg selbst überrascht seine Frau mit Gerstl in einer verfänglichen Situation. Das Paar verläßt noch in derselben Nacht Traunstein und reist nach Wien.
Gerstl läßt offensichtlich die in diesem kurzen Sommer 1908 geschaffenen Werke in der Feramühle zurück. Der Sohn des damaligen Hausherrn, Georg Prillinger, informiert 1931 - nach der Wiederentdeckung Gerstls - Otto Nirenstein darüber, daß alle zurückgelassenen Arbeiten im Laufe der Zeit vernichtet wurden -, außer dem Bildnis seines Vaters, des ehemaligen Vermieters der Sommerbleibe Gerstls, Georg Prillinger:
"Werter Herr Doktor! Habe heute einen Artikel im ,Wiener Tag' zufällig gelesen, in welchem der Maler Richard Gerstl und seine Werke beschrieben sind. Es wird Sie vielleicht interessieren, daß der genannte Maler im Jahre 1907 bei meinem Vater den Sommer verbrachte und ihn auch porträtierte. Das Bild befindet sich noch in unsrem hause, mit seinem Namenszug gezeichnet. Alle andren Werke von ihm welche er hier liegen ließ, sind von uns verworfen worden. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie er mit einer kleinen Spachtel die Farben auf die Leinwand schmierte. Mit vorzüglicher Hochachtung Georg Prillinger, Traunsteinstraße 18, Feramühle Gmunden."
Viktor Krüger schildert in einem Brief an Gertrud Schönberg vom 10. August 1954 die Dramatik des Vorfalls in Traunstein und den Skandal, den Mathilde Schönberg und Richard Gerstl mit ihrer Flucht verursacht haben. "Eines Nachts hörte ich unter meinem Fenster Schönbergs Stimme: ,Krüger, kommen Sie schnell herunter!' ... Schönberg brachte nur die Worte heraus: ,Meine Frau ist mit Kerzl [i. e. Gerstl] davon. Kommen Sie mit mir nach Gmunden, wir müssen sie finden.' ... ich (eilte) mit ihm zu seinem Hause. Die beiden Kinder schliefen. Er nahm Trude auf den Arm, und kaum sie erwachte, fing sie an zu weinen. ,Mama kommt gleich', sagte Schönberg, um das Kind zu beruhigen. Da antwortete die Kleine: ,Mama kommt nicht mehr'. ... Am zweiten Morgen war ich auf der Fahrt nach Wien und direkt nach der Liechtensteinstraße - Schönberg öffnete mir die Türe, und als er mich sah, streckte er nur die Arme aus, um zu verhindern, daß ich eintrete. Seine Worte klangen wie von einem anderen Menschen, als er nun hervorstieß: ,Meine Frau ist hier. ... Wegen der Kinder bleiben wir beisammen'." Angeblich ist es Anton von Webern, der Mathilde überredet, zu ihrem Mann und zu ihren Kindern zurückzukehren. Richard Gerstl verliert nicht nur seine Geliebte, sondern in der Folge auch alle Kontakte zum "Schönberg-Kreis".
Richard Gerstl: Selbstporträt als Akt, 1908.
139 x 100 cm, Leopold Museum Wien
Der Selbstmord Gerstls
Kurz vor Gerstls Selbstmord, in der Zeit der völligen gesellschaftlichen Isolation, beabsichtigt der mit dem Künstler gut bekannte Dr. von Wymetal, der Präsident des "Ansorge-Vereins", eine Gerstl-Ausstellung zu veranstalten; Gerstl lehnt das Angebot jedoch aus unbekannten Gründen ab.
In der Nacht vom 4. auf den 5. November 1908 begeht Richard Gerstl in seinem Atelier in der Liechtensteinstraße 20, im 9. Wiener Gemeindebezirk, Selbstmord durch Erhängen. Mag es auch Zufall sein: Am Abend des 4. November findet im Großen Wiener Musikvereinssaal das Tonkünstlerorchesterkonzert mit Stücken von Schönberg, Webern und anderen seiner Schüler statt; jenes Konzert, um dessen Zustandekommen sich Schönberg im Juli desselben Jahres bemüht hat. Gerstl erhält zu diesem Konzert nachweislich keine Einladung. Die Zulassung ausschließlich geladener Besucher sollte eine Wiederholung vergangener Tumulte bei Schönberg-Aufführungen verhindern. Die von Alban Berg geführte Einladungsliste weist den Namen Richard Gerstl nicht auf.
Der Selbstmord Richard Gerstls wird von der Familie, die einen Skandal fürchtet, so weit als möglich geheim gehalten. Eine am 5. November erstellte ärztliche Unzurechnungfähigkeitserklärung sichert Richard Gerstl trotz des Selbstmords ein christliches Begräbnis. Richard Gerstl wird am Sieveringer Friedhof in Wien begraben. Auf ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen und Arnold Schönbergs werden nur spärliche Informationen - zur Wahrung des Ansehens und zum Schutz der Beteiligten vor journalistischen Nachforschungen - weitergegeben. In einem undatierten Brief appelliert Schönberg nach dem Tod Richards an dessen Bruder Alois, ihm gegenüber, "der doch an der ganzen Sache unschuldig ist und darunter gelitten hat und weiterleidet ... Rücksicht zu erweisen", seinen und Mathildes Namen gegenüber der Presse nicht zu erwähnen und "Kränkungen und Mißerfolge" Gerstls als Motiv für den Selbstmord anzugeben. Mathilde Schönberg selbst reagiert auf den Tod ihres Geliebten, den sie unter dem Druck familiärer und gesellschaftlicher Verhältnisse verlassen hat, fünf Tage nach Richard Gerstls Selbstmord mit einem Brief an dessen Bruder: "Glauben Sie mir, Richard hat von uns beiden den leichteren Weg gewählt. Leben zu müssen in so einem Fall ist schrecklich schwer".
Die im Atelier zurückgelassenen Arbeiten Gerstls werden in Kisten verpackt und bei der Spedition Rosin & Knauer eingelagert. Arnold Schönberg überläßt die beiden großen Bildnisse, die Gerstl 1906 von ihm und seiner Frau und Tochter gemalt hat, Alban Berg, der sie später an Schönbergs Sohn Georg weiterschenkt.
1931 sucht Alois Gerstl den Wiener Kunsthändler und Besitzer der Neuen Galerie, Otto Nirenstein, auf, um den Fachmann nach dem Wert der von Richard Gerstl hinterlassenen Werke zu befragen, weil sein Bruder August sich nicht mehr an den Lagerkosten beteiligen wolle. Otto Nirenstein erkennt die Bedeutung Gerstls, versieht alle greifbaren Werke mit einem eigens gefertigten Nachlaßstempel und organisiert eine monographische Ausstellung, die nicht nur in der Neuen Galerie in Wien, sondern auch in München, Berlin, Köln, Aachen und Salzburg gezeigt wird.
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