Das 19. Jahrhundert ist als die Blütezeit des Vierhändigen Klavierspiels anzusehen. Schuf doch diese Form des Musizierens nicht nur Freude und Entspannung bei Interpreten und Zuhörenden, sondern bot zudem die Möglichkeit, sich im häuslichen Rahmen mit Orchester- und Vokalwerken zu beschäftigen, die sonst nur im Konzertsaal oder auf der Bühne erklingen konnten. Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), selbst ein ausgezeichneter Pianist, hat sich des Klavierspiels mit Freunden und Familienmitgliedern ausgiebig angenommen. Zwar komponierte er nur wenige Originalwerke für Klavier zu Vier Händen, doch entstammen seiner Feder nicht weniger als achtzehn Bearbeitungen eigener Stücke, darunter zweier Sinfonien, eines Streichquartetts, mehrerer Ouvertüren sowie der gesamten Musik zu Shakespeares Ein Sommernachtstraum. Dazu kamen verschiedene Arrangements von Werken Haydns, Mozarts, Cherubinis sowie von Ignaz Moscheles.
Als Moscheles den Gewandhauskapellmeister Mendelssohn 1835 in Leipzig besuchte, berichtete er seiner Frau: „Mit ihm spielte ich vierhändig meine Ouvertüre und sein Octett; das ging wieder wie geschmiert […].“ Das Oktett für vier Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli op. 20 gehört zu den bekanntesten Werken Mendelssohns. Es entstand im Spätsommer 1825, knapp ein Jahr vor der Sommernachtstraum-Ouvertüre, und zeigt in eindrucksvoller Weise, wie der heranwachsende Komponist, damals sechzehn Jahre alt, zu seinem charakteristischen Stil fand. Die handschriftliche Partitur, die sich heute in der Library of Congress, Washington, D.C., befindet, wurde am 15. Oktober 1825 beendet und seinem Geigenlehrer Eduard Rietz kurz darauf zum 23. Geburtstag geschenkt. Von besonderer Originalität galt bereits bei den Zeitgenossen der dritte Satz des Werkes, ein leise dahinhuschendes Scherzo, das selbst die sonst kritische Schwester Fanny als „wahrlich gelungen“ bezeichnete. In einer kleinen Biographie führte sie dazu aus: „Er versuchte die Stelle aus Faust zu komponiren:
Wolkenflug und Nebelflor
Erhellen sich von oben,
Luft im Laub und Wind im Rohr
Und Alles ist zerstoben.
[…] Mir allein sagte er, was ihm vorgeschwebt. Das ganze Stück wird staccato und pianissimo vorgetragen, die einzelnen Tremulando-Schauer, die leicht aufblitzenden Pralltriller, alles ist neu, fremd und doch so ansprechend, so befreundet, man fühlt sich so nahe der Geisterwelt, so leicht in die Lüfte gehoben, ja man möchte selbst einen Besenstiel zur Hand nehmen, der luftigen Schaar besser zu folgen. Am Schlusse flattert die erste Geige federleicht auf — und Alles ist zerstoben.”
Mendelssohn selbst hatte eine besondere Affinität zu diesem Satz, der ihm von vornherein besonders gelungen erschien. Dafür spricht nicht nur der Umstand, dass das Scherzo im Zuge der Drucklegung sieben Jahre später als einziger Satz keinerlei nennenswerte Änderungen erfahren hat, sondern auch die Tatsache, dass das Scherzo außerhalb des Oktetts im Rahmen einiger Aufführungen der 1. Sinfonie op. 11 in einer um Bläserstimmen erweiterten Form eine eigene Überlieferungstradition bildete. Diese Sinfonie war zwar bereits 1824, also ein Jahr vor dem Oktett, entstanden, doch als Mendelssohn 1829 auf seine erste Englandreise ging, überarbeitete er das Orchesterstück für das Londoner Publikum. Die Konzerte dort hatten einen so durchschlagenden Erfolg, dass nun ein großes Interesse bestand, das Werk auch in kleinerer Besetzung zugänglich zu machen. Während Mendelssohn eine gewünschte Septettbesetzung ablehnte, ließ er sich doch dazu bewegen, ein Klavierarrangement mit zusätzlichen Streicherstimmen zu realisieren, wobei er wiederum als dritten Satz das Scherzo einbezog, das in dieser Version um 32 Takte kürzer ist als in der Originalfassung des Oktetts.
So erschien 1830 die Sinfonie Nr. 1 in c-Moll op. 11 bei J. B. Cramer, Addison &amb; Beale zunächst ohne Opuszahl als Grand Symphony in einer Besetzung, die im Gesamtschaffen Mendelssohns singulär ist: Klavier zu vier Händen mit Violine und Violoncello ad libitum. Es handelt sich um ein Arrangement auf höchstem künstlerischen Niveau, das sich aufgrund seines teilweise virtuosen Klavierparts an den anspruchsvollen Interpreten richtet. Zudem wird der Charakter eines selbständigen Kammermusikwerkes angestrebt. Der Zusatz ad libitum, der eine gewisse Entbehrlichkeit der Streichinstrumente nahelegen könnte, hatte wohl in erster Linie pragmatische Gründe, die eine Aufführung des Stückes auch dann rechtfertigen sollten, wenn nur zwei Pianisten anwesend waren.
Denn die zusätzlichen Streicherstimmen bieten einen das Klavier auf verschiedene Weise unterstützenden, in den besten Passagen völlig eigenständigen Part, der die drei Instrumente zu gleichberechtigten Partnern im Sinne eines (erweiterten) Klaviertrios werden lässt, so dass eine heutige Aufführung ohne Violine und Violoncello über weite Strecken als Kompromiss empfunden werden dürfte. Die Streicherstimmen verstärken orchestral angelegte Tuttistellen (besonders in den Rahmensätzen), unterstreichen andererseits durch klangfarbliche Kontraste die kammermusikalischen Züge mancher Passagen (besonders eindrucksvoll im 2. Satz durch die hohen Violoncellotöne, die zum Teil über denen der Violine liegen).
Gerade die Möglichkeit, mit Streichinstrumenten bestimmte dynamische Schattierungen vorzunehmen, die einem Tasteninstrument verschlossen sind, machen Violine und Violoncello besonders geeignet zur Ergänzung des vierhändigen Arrangements. So sind es nicht zuletzt diese Ad-libitum-Stimmen, die bei einer Aufführung des Werkes gegenüber der vierhändigen Klavierfassung zu einer stärkeren Klangdifferenzierung und zu der fulminanten Gesamtwirkung dieser Version beitragen.
TRACKLIST
FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847)
Octet for four Violins, two Violas & two Cellos in E-flat major, Op. 20
Oktett für vier Violinen, zwei Violen & zwei Violoncelli Es-dur op. 20
Version for piano duet by the composer
Fassung für Klavier zu vier Händen vorn Komponisten
[1] Allegro con fuoco ma moderato 14:05
[2] Andante 7:04
[3] Scherze. Allegro leggiero 4:11
[4] Presto 5:58
Piano Duo Yaara Tal & Andreas Groethuysen
Symphony No. 1 in C minor, Op. 11
Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 11
Version for piano duet, with violin & cello (ad lib.) by the composer
Fassung für Klavier zu vier Händen, mit Violine & Violoncello (ad lib.) vom Komponisten
[5] Molto allegro e vivace 9:25
[6] Andante con moto 6:29
[7] Intermezzo 3:46
[8] Finale. Allegro vivace 7:30
Piano Duo Yaara Tal & Andreas Groethuysen
Oliver Wille, Violin
Mikayel Hakhnazaryan, Cello
Total Time: 58:53
Recording: September 9-12, 2008, Funkstudio des SWR Stuttgart
Producer: Marlene Weber-Schäfer Recording Producer: Michael Sandner
Audio Engineer: Martin Vögele Editing: Michael Sandner
(P) + (C) 2009
Sechs Blinde stürzen quer durchs Bild
Pieter Bruegel d. Ä. (ca. 1525-1569): «Der Blindensturz», 1568, Tempera auf Leinwand,
Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte, Neapel.
Bruegels «Blindensturz» erzählt weniger von persönlicher Verfehlung als vielmehr vom Fall der christlichen Religion
Sechs Blinde haben sich zusammengetan, um gemeinsam zu betteln. Ein Teil der Gruppe wird musizieren, während der andere um Almosen bittet. Wahrscheinlich ist, dass die Gruppe auf dem Weg zur Kirche war, um den herauskommenden Gläubigen aufzuspielen. Das Unglück des kollektiven Sturzes ereignet sich in flacher brabantischer Landschaft. Besonders das spätmittelalterliche Kirchengebäude auf der rechten Bildhälfte sticht ins Auge. Während die meisten Gegenstände des Hintergrunds überschnitten dargestellt und verdeckt sind, ist die Kirche für den Betrachter gut erkennbar. Unser Augenpunkt befindet sich auf ihrer Höhe. Sie ist der Fluchtpunkt unserer Wahrnehmung.
Bruegels Gemälde «Der Blindensturz» stellt den Versuch dar, das Geschehen des Sturzes in seinem Verlauf zu beschreiben. Dabei muss man sich den ungeheuren Anspruch des Künstlers vor Augen führen, bemüht er sich doch, Beschleunigung darzustellen. Zudem stellt das Bild ein Meisterwerk der Affektdarstellung dar. Folgt man den Personen von links nach rechts, so steigert sich Unsicherheit zu blankem Entsetzen.
Diesem formalen Anspruch eines Historienbildes steht der niedere Inhalt des Gemäldes entgegen, will doch nicht recht passen, dass es sich bei den dargestellten Personen um versehrte Menschen handelt. Der Künstler wird allen Ansprüchen eines Historienbildes gerecht und hat dennoch keines geschaffen.
Rivalität der Konfessionen
Als Vergleichsbeispiel für den flämischen Künstler wurde ein Holzschnitt nach Hans Holbein d. J. zur Erklärung herangezogen. Links haben sich einfache evangelische Christen versammelt, die Christus als «wahrem Licht» folgen, rechts hingegen erkennt man die falschen katholischen Würdenträger, die trotz aller Autorität und antiker Gelehrsamkeit in die Grube fallen.
Dieser Hinweis auf den Holbeinschen Holzschnitt ist wichtig, weil er uns die Konfessionalisierung vor Augen führt, die mit der Blindensturz-Ikonografie im Reformationszeitalter einhergeht. Schon vor Bruegel wurde das biblische Gleichnis also genutzt, um die jeweils andere Konfession zu denunzieren. Immer wieder nennt Luther den Papst einen Blindenführer.
Wer je das Gemälde in Neapel hat studieren können, entdeckt, dass man vor der Kirche schemenhaft den Oberkörper eines Menschen erkennt. Durch unsachgemässe Reinigung sind die oberen Farbschichten der Leinwand stark abgerieben, so dass man einige Motive nur erahnen kann. Erst durch den Vergleich mit frühen Kopien des «Blindensturzes» lässt sich der ursprüngliche Motivbestand rekonstruieren.
Dann erkennt man auf der Wiese zwischen der Kirche und den Blinden einen Hirten mit Gänsen und Kühen, der sich auf seinen Stab stützt und in Richtung der Blinden schaut. Dabei entgeht ihm, dass sich eine seiner Kühe entfernt hat und nun im Begriff ist, in einen Wassergraben zu stürzen. Um zu trinken, hat sie sich zu weit vornübergebeugt. Im nächsten Moment wird sie fallen.
Der Fall der Blinden hat im Sturz des Tieres eine Entsprechung. Diese Analogie zielt darauf, dass wir nicht nur den Sturz, sondern im Anschluss daran den untreuen Hirten mit der steinernen Kirche parallelisieren können. Zudem fällt auf, dass alle Kopisten das Werk nach oben und rechts ergänzt haben. Bei Bruegel endet das Bild unmittelbar über der Kirchturmspitze, so dass es nicht zur Darstellung eines Kreuzes kommt. Aber warum fehlt es?
Eine wichtige Verstehenshilfe liefert ein Stich nach Hans Bol aus dem Jahr 1561. Dargestellt sind zwei blinde Jakobspilger, die in einen Bach stürzen. Aber anders als bei Bruegel werden in diesem Stich positive und negative Exempla gegenübergestellt. Im Hintergrund sieht man zwei Menschen, die vor einem Wegekreuz beten. Deutlich wird das dunkle Steinkreuz hervorgehoben, befindet es sich doch auf einer vertikalen Bildachse mit der dahinter befindlichen Kirche.
Bol führt dem Betrachter dadurch vor Augen, dass die katholischen Jakobspilger die christliche Botschaft verfehlt haben, während die fromm Betenden im Hintergrund auf dem rechten Weg zu Gott sind. Die dargestellte Kirche und ihr Kreuzzeichen werden den Blinden ausdrücklich gegenübergestellt. So hat in Bols ikonografischem Konzept das Kreuz durchweg die Funktion, den rechten Glauben anzuzeigen.
Genau diese besitzanzeigende Funktion des Kreuzes findet sich bei Bruegel nicht. Durch seinen Bildausschnitt erzwingt der Künstler die Abwesenheit des Kreuzes. Das Kreuz als Zeichen der Heilsgewissheit taucht nicht auf. Es ist kein besitzanzeigendes Zeichen der Orthodoxie mehr. Im Gegenteil ist das Kreuz lediglich ein weiterer Gegenstand, den die Blinden bei sich tragen. Der zweite Blinde von links trägt es um den Hals. Es bewahrt ihn jedoch weder davor, zu irren, noch davor, zu stürzen.
Schwierige Gottessuche
Wenn dies zutrifft, muss Bruegels «Blindensturz» dann nicht als ein Sinnbild für die Schwierigkeit der Gottessuche gelesen werden? In seinem Bild reicht es offensichtlich nicht aus, ein Kreuz um den Hals zu hängen. Mit einigem Grund hat Hans Sedlmayr im Rahmen seiner Deutung des «Blindensturzes» auf den Gegensatz von Ecclesia und Synagoge hingewiesen.
Der steinernen Kirche stünden die Irrlehren der Häretiker gegenüber, die von den Blinden repräsentiert werden. In mittelalterlicher Kathedralplastik steht dem Triumphkreuz der Kirche traditionell das zerbrochene Herrschaftszeichen der Synagoge gegenüber. Zudem wird deren Blindheit durch eine Augenbinde offenbar. Doch gerade was im Rahmen dieser Opposition so zwingend und einleuchtend erscheint, wird von Bruegel infrage gestellt.
Im Zusammenhang der blinden Synagoge und der Vorstellung häretischer Irrlehren ist es unerlässlich, auf Sebastian Francks «Ketzerchronik» von 1531 hinzuweisen, die sich in der «Chronica, Zeytbuch und geschychtbibel» findet, die schon 1558 ins Niederländische übersetzt wurde. Seine Vorrede beginnt der deutsche Theologe damit, dass der Leser nicht glauben dürfe, er würde wirklich all jene für Ketzer halten, die er im Folgenden aufzählt. Im Gegenteil würde ein solches Urteil nicht dasjenige des Verfassers, sondern des Papstes wiedergeben. Radikaler als Franck kann man es kaum formulieren, der Christus als ersten Ketzer erachtet und die wahren Christen in dessen Tradition sieht.
Bruegels «Blindensturz» inszeniert diese Weltsicht. Die Kirche selbst sieht sich am Ende als Blindenführerin entlarvt. Vor dem Hintergrund von Francks positiver Bewertung des Ketzertums erscheint das Bild der Blinden in neuem Licht. Wir haben zu lernen, dass in Bezug auf die Gotteserkenntnis alle Menschen blind sind und es nicht ändern können. So gesehen wäre der Blindenstock ein ambivalentes Dingsymbol.
Solange er als Wissensmetapher fungiert und die prinzipielle Ausschnitthaftigkeit der Erkenntnis vergegenwärtigt, ist er positiv zu bewerten und stellt ein radikales Bild für die prinzipielle Unerkennbarkeit Gottes dar. Wenn man jedoch glaubt, er könne den rechten Weg garantieren, und ihn als zuverlässigen Richtungsindikator missversteht, so, als könne man Gott ertasten, geht es schief, wie wir unschwer erkennen können.
Im Sinn irenischer Theologie erzählt Bruegels «Blindensturz» weniger von persönlicher Verfehlung als vielmehr vom Fall der christlichen Religion. Diese wird zur Blindenführerin, wenn sie sich als eine um Orthodoxie bemühte Institution missversteht. Bruegel wäre nicht Bruegel, würde er nicht auch dem Betrachter des Bildes eine Botschaft mitteilen und ihn zur Selbstbescheidung auffordern.
Bequem könnte sich dieser in einer Welt voller religiöser Irrtümer eingerichtet haben und glauben, dass ihm ein solcher Fall erspart bleibt. Aber das Bild enthält eine Pointe, die auf den Betrachter zielt und ihn auf diskrete Weise ermahnt. Wie beschrieben, ist die Spitze des Kirchturms durch die Bildgrenze abgeschnitten. Allerdings ist genau dieser fehlende Teil des Turms jenseits des Hügels links von der Bildmitte am Horizont sichtbar.
Skulptur von Alexander Taratynov, aus einer Ausstellung im
Katharinenpark bei St. Petersburg [Quelle]
Die Erkenntnis eigener Schuld
Der Maler lässt also den fehlenden Teil des Kirchturms an anderer Stelle wiederauftauchen. Dabei kann man die Kirchturmspitze hinter dem Hügel als Achse für das Geschehen im Vordergrund begreifen. Sie teilt die Personengruppe in diejenigen, die schon im Fall begriffen sind, und jene, die noch fallen werden. Geht man zu weit, wenn man dies als eine Ermahnung des Betrachters verstehen will? Dieser befindet sich in derselben Position wie der dritte Blinde von links, von dem wir nicht wissen, ob er stürzen wird.
Zu Unrecht erhöbe sich der Rezipient über die unglücklichen und verblendeten Menschen des Vordergrunds, läuft doch auch er Gefahr, einer Blindenführerin zu folgen, ohne es zu merken. Seit je gehören Blindheit und Blindensturz im Christentum zu den bestimmenden Exklusionsmetaphern der Orthodoxie. In meiner Deutung des «Blindensturzes» ging es darum, dass der Künstler den ausschliessenden Gegensatz von wahrer Kirche und Irrlehre infrage stellt. Sein Bild kritisiert das Prinzip von Denunziation und Ausschluss.
Jacob Burckhardt hat einmal geschrieben, ein gelungenes Kunstwerk sei wie ein Pfeil, der durch die Jahrhunderte schiesst. Wer in die leeren Augen des stürzenden Blinden schaut, wird dies nicht so schnell vergessen. Denn in diesen Augenhöhlen sehen wir nicht nur den Schrecken angesichts des Sturzes, sondern die jähe Erkenntnis eigener Schuld.
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Als Orlando Gibbons während seiner Dienstzeit an der Chapel Royal zu Canterbury am 5. Juni 1625 einer vermuteten Gehirnblutung zum Opfer fiel, verlor England einen seiner begabtesten und vielseitigsten Komponisten im Alter von einundvierzig Jahren. Gibbons, der als gewandter Tasteninstrumentalist galt (ein 1693 veröffentlichtes Buch von 1692 beschreibt ihn als den 'besten Finger' seiner Epoche), war ein Musiker, der das Komponieren für geistliche wie weltliche Ensembles mit gleichem Geschick bewerkstelligte. Er entstammte einer musikalischen Familie: Sein Vater zog zweimal zwischen Oxford und Cambridge hin und her, um am jeweiligen Ort die Stadtmusikanten zu leiten. In Cambridge wurde, wahrscheinlich Anfang 1568, Orlandos älterer Bruder Edward geboren, während Orlando am Weihnachtstag 1583 in Oxford getauft wurde. 1590 befand sich die Familie Gibbons wieder in Cambridge, wo Edward 1592 Kantoreisänger am King's College wurde und Orlando ab 1596 im selben Chor seine musikalische Grundausbildung als Chorknabe erhielt. Gerade sieben Jahre später sollte er den bedeutendsten Teil seiner kurzen Laufbahn an der Chapel Royal in London beginnen.
Zu jener Zeit war die Unterstützung eines Gönners für den Kirchenmusiker von zentraler Bedeutung. Er mochte an einer der Kathedralen oder einer akademischen Institution tätig sein, aber vom Prestige her war es für Aufstrebende unabdingbar, Verbindungen zur Chapel Royal zu knüpfen. Das hatte auch seine Nachteile: Der Monarch, und König Jakob I. ganz besonders, ließ sich gern schmeicheln, denn er betrachtete sich als Fürst von Gottes Gnaden - ja sogar als von Natur aus göttlich; seine Hofmusiker konnten demzufolge ihr Ansehen erhöhen, indem sie Musik zu Texten schrieben, die eine doppelte Auslegung zuließen. Im Anthem Hosanna to the son of David mochten sich die Worte 'Gelobt sei der König' (der Ruf der Menge bei Christi Einzug in Jerusalem) genauso gut auf Seine Majestät beziehen. Aus der Existenz von Vertonungen gewisser Texte, die im Proprium für einen Abschnitt des Kirchenjahrs vorgesehen sind, darf somit nicht unbedingt geschlossen werden, daß diese Musik in erster Linie liturgischen Zwecken gedient hat.
Gibbons' Kirchenmusik erstreckt sich im wesentlichen auf zwei Bereiche. Einerseits handelt es sich um Vertonungen für das Ordinarium - die Cantica für das Morgen- und Abendgebet - sowie um einige Bittgebete und Psalmen. Im Gegensatz dazu stehen die Anthems, die sich wiederum (wie die Gottesdienste) in Full Anthems und Verse Anthems aufteilen. Das Full Anthem ist leicht erklärt: Es ist eine Vertonung für den gesamten Chor (hier vertreten durch Hosanna to the son of David und O Lord, in thy wrath rebuke me not), der auch antiphonal aufgeteilt sein kann, wie im großangelegten O clap your hands. Das Verse Anthem setzt, in der Regel von Anfang des Werks an, Soli für eine oder mehrere Stimmen zwischen kurze Chorpassagen, die das vorhergehende Solomaterial wiederholen oder bestätigen.
Die Full Anthems orientieren sich in vielem eindeutig an der Musik von Thomas Tallis, einem von Gibbons' berühmten Vorgängern an der Chapel Royal. Es war Tallis, der jenen Stil etablierte, den Musiker jahrhundertelang als Inbegriff englischer Polyphonie des 16. Jahrhunderts ansahen. Die Verse Anthems haben ihren stilistischen Ursprung wohl im Consortlied, einer Gattung weltlichen Sologesangs mit Gambenbegleitung, ersonnen für die Chorknabenschauspiele des späten 16. Jahrhunderts, an denen die Londoner "Children of the Chapel" teilnahmen. In der ins Kirchliche übertragenen Form entwickelte Gibbons einen flüssigen, unverwechselbaren Stil. Auf Musik dieser Art konzentrieren sich die vorliegenden Aufnahmen.
Orlando Gibbons (1583-1625)
Es gibt höchst unterschiedliche Meinungen zur Tonhöhe der Instrumente in den Kathedralen der betreffenden Epoche - ein allgegenwärtiges Problem bei der Aufnahme dieser Art von Musik. Es gab keinen überall gültigen Standard, und viele Orte hatten eigene Vorstellungen von der richtigen Tonhöhe - wie sie ja auch vor dem Zeitalter der Eisenbahn ihre eigene Uhrzeit bestimmten. Jede Einrichtung existierte in einer gewissen örtlichen Isolation. Die erhaltenen Belege können sich also nur auf einen bestimmten Ort beziehen und keine allgemeingültigen Angaben sein. Im Englischen Bürgerkrieg wurden viele Orgeln von den Parlamentstruppen zerstört oder unwiderruflich beschädigt. Als nun Thomas Thamar 1665 den Wiederaufbau der Orgel (deren Tonhöhe wir genau kennen) in Angriff nahm, hat er da seinem Instrument in Winchester wirklich eine ganz andere Tonhöhe als zuvor auferlegt? Hätte er sich von der einen oder anderen erhaltenen Großpfeife aus der Zeit vor dem Commonwealth beeinflussen lassen? Schließlich ist an anderen Stätten der zuvor übliche "Chorton" erhalten geblieben. All dies ist natürlich Spekulation, aber wir haben sie in dieser Aufnahme dem Experiment zugrunde gelegt, sämtliche Werke in niedrigerer Tonlage darzubieten, als es in den letzten siebzig Jahren üblich geworden ist. Die Altpartien erhalten dadurch einen tieferen Stimmumfang, als es heutige Sänger gewohnt sind, aber der Klang wird weitaus üppiger und weniger spröde.
Nur drei von Gibbons' Verse Anthems sind für einen Solisten allein gesetzt. Zwei der hier vertretenen (This is the record of John und Behold, thou hast made my days) weisen das Solo dem Alt zu, jener Stimme, für die die meisten Versparts geschrieben sind. Die Altstimme ist es auch, die zur Herstellung einer fünfstimmigen Struktur am häufigsten geteilt wird. Von den übrigen Verse Anthems ist Glorious and powerful God über alle Versabschnitte hinweg durch ein Duett zwischen Alt und Baß gekennzeichnet, während andere Werke kontrastierende Solistengruppen verwenden. Für mehrere der Anthems sind Gambenbegleitungen erhalten, was angesichts des völligen Mangels an Belegen für einen Einsatz in der Kirche bedeuten könnte, daß als Alternative eine weltliche Darbietung vorgesehen war. Das könnte darauf hindeuten, daß einige der Anthems von vornherein nicht ausschließlich zum liturgischen Gebrauch entstanden sind.
Ein Anthem, das eindeutig nicht in die Kirche gehört, dem jedoch durch die Begleitung auf der Orgel ein religiöser Anstrich verliehen wurde, ist Great king of gods. Wir haben es um seiner Qualität willen in unsere Einspielung aufgenommen, und auch deshalb, weil es sonst im Repertoire "auf dem Trockenen" säße. Es ist ein Gelegenheitswerk aus Anlaß des Besuchs, den König Jakob I. Schottland trotz heftiger Opposition vor Ort im Jahre 1617 abstattete. Philip Brett hat die Vermutung geäußert, es könne bei der Ankunft des Königs im Holyrood Palace zu Edinburgh aufgeführt worden sein, nachdem seine gesamte Chapel Royal mit dem Schiff aus London angereist war. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Text durch einen eher kirchentauglichen mit dem Titel "Great Lord of Lords" ersetzt.
Detail aus dem Chor von Winchester Cathedral
(Eichenholz, 14.Jahrhundert). [Quelle]
Es existieren zwei Vertonungen der Cantica zur Abendandacht. Der Erste oder Kurze Gottesdienst (First or Short Service, in der vorliegenden Aufnahme nicht enthalten) ist fast vollständig homophon und für vollständigen Chor gesetzt, während es sich beim Zweiten Gottesdienst (Second Evening Service) um eine kunstvolle Vertonung mit zahlreichen Versen handelt. Die verwendete Edition wurde hauptsächlich anhand der in John Barnards Zusammenstellung Selected Church Music von 1641 veröffentlichten Fassung eingerichtet. In einigen Fällen enthält diese Quelle in den Versen nicht alle Stimmen, die in anderen Ausgaben zu finden sind. Bei "for behold from henceforth" ist die Tenorstimme, die aus modernen Editionen seit den 1920er Jahren bekannt ist, möglicherweise unecht; am Beginn des Nunc dimittis ist eine zusätzliche, noch zweifelhaftere Diskantstimme aus dem Orgelpart abgeleitet worden. Die Textgrundlage, die E.H. Fellowes zu modernisieren suchte, ist wiederhergestellt worden, und insgesamt sind die Orgelbegleitungen in diesen Aufnahmen ohne den zweifelhaften Vorzug der erheblichen Zusätze und der "imitativen Findigkeit" zu hören, die vor etwa fünfundsiebzig Jahren in Fellowes' Ausgaben eingingen.
Die Vielfalt der Strukturen und kompositionstechnischen Mittel in den Verse Anthems zeigen Gibbons von seiner besten Seite, obwohl er in diesem Bereich erst in den letzten vierzig Jahren zu Ansehen gelangt ist. Vielleicht lag Fellowes' Bereitschaft, zu ändern und zu "verbessern", darin begründet, daß er seinerzeit Gibbons' Full Anthems für besser hielt und die Verse Anthems "auf erheblich niedrigerer Ebene" einstufte. Aber der Versstil war ein Produkt seiner Epoche, und Gibbons war sein Hauptvertreter. Wäre er nicht jung gestorben, hätten Gibbons' Neuerungen, wie John Harley angemerkt hat, vielleicht mit der Zeit direkteren Einfluß ausgeübt. Auch so diente die Form des Verse Anthem dank Henry Purcell, Maurice Greene und William Boyce noch anderthalb Jahrhunderte nach Gibbons als Grundlage vieler Kathedral-Anthems. In seinen Principles of musik konnte Charles Butler 1636 den Versstil enthusiastisch loben: "Ein feierliches Anthem, worin ein süß melodischer Diskant oder Countertenor vereinzelt singt und der ganze Chor antwortet (umso mehr, wenn zwei solche einzelnen Stimmen und zwei Chöre einander antworten und zuletzt zusammenfinden) … ergibt eine solch himmlische Harmonie, daß Gott und die Menschen sich gleichermaßen daran erfreuen."
Quelle: Andrew Parker (Übersetzung Anne Steeb, Bernd Müller), im Booklet
TRACKLIST
ORLANDO GIBBONS
(1583-1625)
ANTHEMS AND VERSE ANTHEMS
[01] Hosanna to the son of David 2'44
[02] Sing unto the Lord 5'55
[03] This is the record of John 4'18
[04] If ye be risen again with Christ 4'47
[05] O Lord, in thy wrath rebuke me not 3'50
Second Evening Service
[06] Magnificat 6'10
[07] Nunc dimittis 3'22
[08] Behold, thou hast made my days 4'33
[09] O God, the king of glory 4'13
[10] Glorious and powerful God 5'10
[11] Fantasia in A minor (organ solo) 5'07
[12] O clap your hands 5'32
[13] Thou God of wisdom 5'49
[14] Blessed are all they that fear the Lord 4'42
[15] Great king of gods 4'43
Total Time: 72'31
ROBIN BLAZE countertenor
STEPHEN VARCOE baritone
THE CHOIR OF WINCHESTER CATHEDRAL
STEPHEN FARR, SARAH BALDOCK organ
DAVID HILL Director of Music
Recorded in Winchester Cathedral on 28-30 April 1999
Recording Engineers Antony Howell, Julian Millard
Recording Producer Mark Brown
Executive Producers Edward Perry, Simon Perry
(P) 2000
(C) 2007
Track 2: Sing unto the Lord (Psalm 30, 5-11)
Psalm 30, 5-11
Sing unto the Lord, O ye saints of his,
and give thanks at the remembrance of his holiness:
for his anger endures but a moment, in his favour is life:
Weeping may endure for a night, but joy comes in the morning.
And in my prosperity I said, I shall never be moved:
Lord, by thy favour, thou hast made my mountain to stand strong.
Thou didst hide thy face and I was troubled.
I cried to thee, O Lord
and unto the Lord I made my supplication.
What profit is there in my blood, when I go down into the pit?
Shall the dust praise thee, shall it declare thy truth?
Hear, O Lord, and have mercy upon me: Lord, be thou my helper.
Lobsingt dem HERRN, ihr seine Getreuen,
und preist seinen heiligen Namen!
Denn sein Zorn währt einen Augenblick, seine Gnade aber lebenslang;
am Abend kehrt das Weinen ein und am Morgen der Jubel.
Und ich sprach, als es mir gut ging: »Ich werde ewiglich nicht wanken!«
HERR, durch deine Gnade hattest du meinen Berg fest hingestellt;
als du aber dein Angesicht verbargst, wurde ich bestürzt.
Zu dir, HERR, rief ich;
zu dem Herrn flehte ich um Gnade:
»Wozu ist mein Blut gut, wenn ich in die Grube fahre?
Wird dir der Staub danken, wird er deine Treue verkündigen?
Höre, o HERR, und sei mir gnädig; HERR, sei du mein Helfer!«
Zum Bedeutungswandel von Motivzitaten
Altniederländische Rezeptionen im Œuvre Pieter Brueghels des Älteren
Abb.1: Hubert van Eyck (?), Kreuztragung, 1. Viertel 15. Jh., Bleistift auf
Papier, 250 x 279 mm, Graphische Sammlung Albertina, Wien.
Um 1500 erfolgt in der altniederländischen bildenden Kunst eine inhaltliche wie stilistische Neuorientierung. Anlaß ist der durch Heirat erzielte Zusammenschluß der vom aufblühenden Bürgertum bestimmten niederländischen Grafschaften mit dem Herzogtum Burgund. Im Zentrum steht die Entwicklung neuer Bildgattungen, die auf der Bedeutungsverlagerung der Bildinhalte beruht: Aus der figuralen Einzeldarstellung heraus entsteht, auch unter dem Einfluß der Sepulkralplastik, das autonome Portrait. Aus der traditionellen bloßen Angabe von Attributen entfaltet sich durch eine gesteigerte Artikulierung der Gegenständlichkeit das autonome Stilleben. Die bislang nur summarisch wiedergegebene Umgebung oder Landschaft wird nun ausführlicher behandelt, schmückende Details gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Durch die gesteigerte Konzentration auf die Darstellung realer Gegenstände soll der symbolische Gehalt nun visuell erfaßbar werden. Dies steht im Gegensatz zur frühchristlichen Bildtradition, in der Symbolwerte hinter Alltagsgegenständen versteckt und nur vom Eingeweihten im Symbolgehalt verstanden werden sollten: Die dominanten herkömmlichen Themen treten damit zugunsten des ehemaligen Beiwerks allmählich in den Hintergrund und dienen im 16. Jahrhundert schließlich nur mehr als funktioneller Vorwand, als Staffage für die nun autonom entwickelten neuen Bildgattungen: nämlich Portrait-, Genre-, Stillleben- und Landschaftsmalerei sowie Architektur- und Interieurdarstellungen. Die althergebrachten ikonographischen Sujets und das ehemalige bloße Beiwerk haben damit endgültig ihre Rollen getauscht.
Abb.2: Pieter Bruegel d. Ä., Kreuztragung Christi,
Detail von Abb. 4.
Eine Vorstufe dieser Entwicklung kann bereits bei Jan van Eyck beobachtet werden: Der bildliche Faktor im Werk des Künstlers, der besonders durch gegenständliche Motive erreicht wird, die die Sicht in den Tiefenraum verstellen, erzeugt durch die Beruhigung des Blickes eine optische Stabilisierung und führt in den immanenten Aussagewert der Gegenstände ein. Dieser Bedeutungswechsel der innerbildlichen Funktionen emanzipiert sich im späteren Werk Pieter Brueghels des Älteren so sehr, daß man beispielsweise bei der "Bauernhochzeit" aus der Beschreibung allein die ursprüngliche Herkunft des Bildes nicht mehr ermitteln kann. Dies führt mitunter zu phantasievollen Bilderklärungen anstatt zu einer zielführenden, d. h. deduktiven, auf der Basis des Vergleiches vorgenommenen Einordnung. Gewiß, Bildthemen wie der "Triumph des Todes" - thematisch der letztlich aus dem italienischen Trecento stammenden Totentanz-Ikonographie verpflichtet - lassen bei Brueghels Bild "De dulle Griet" prima vista nicht an die altniederländische Malerei denken, obwohl das schaurig über die Figurenmasse hinwegreitende Gerippe an das geflügelte Skelett der Weltgerichtsdarstellung im Diptychon des Meisters des Turiner Gebetbuches, also jenes Werkes, in dem eine Arbeit Hubert van Eycks vermutet werden kann, erinnert, wenngleich die kompositionellen Faktoren deutlich abweichen.
Dagegen läßt sich die "Kreuztragung Christi" (Abb. 4), die den Gang nach Golgotha über einen weiträumigen, spiralig verlaufenden Weg zeigt, in eine bis zur früh-eyckischen Malerei zurückreichende Entwicklungslinie einordnen. Das Kompositionsprinzip, das den szenischen Effekt einer Drehbühne vorwegnimmt, geht, wie durch ein zeitgenössisches Fragment einer Zeichnung (Abb. 1) und eine um 1500 gemalte Replik (Abb. 3) dargelegt ist, auf Hubert van Eyck zurück. Durch die Reliefplastik, vor allem aber durch die Reproduktionsgraphik Martin Schongauers findet es weite Verbreitung. Bei Brueghel, der möglicherweise das als verschollen geltende Original Hubert van Eycks kannte, wird das Prinzip noch erheblich gesteigert: Hier führt der spiralige Weg links aus der Bildtiefe, aus Jerusalem, heraus. Die zentrale, am Wendepunkt der Kurve angeordnete Kreuztragungsgruppe, ist zwar an prominenter Stelle, aber kleinfigurig und staffageartig dargestellt. Der ansteigende Weg endet an der Richtstätte Golgotha, wo sich bereits eine Menschenmenge kreisförmig versammelt hat. Der transitorische Charakter der Szene wird sowohl durch die zur Richtstätte vorauseilenden, als auch durch die aus der Stadt nacheilenden Menschen unterstrichen.
Abb.3: Nach Jan van Eyck, Kreuztragung, um 1500, Öl auf Holz,
97 x 129 cm, Museum der bildenden Künste, Budapest.
Das dramatische Geschehen entfaltet sich als weites, landschaftliches Panorama, das von einem erhöhten Podest eingesehen wird. Die verhältnismäßig großfigurig wiedergegebene Gruppe der trauernden Anhänger Christi rechts im Vordergrund setzt nicht nur figural den Hauptakzent, sie trennt auch das Hauptthema "die Kreuztragung" vom Bildbewohnertum, das durch die anekdotisch anmutende Repoussoirfigur des sitzenden Hirten eingeführt wird. Der thematische Schwerpunkt, der unter der Kreuzeslast zusammengesunkene Christus, stellt einen Moment des Innehaltens dar und ist dadurch gleichzeitig eine Konzession an die Statik des zweidimensionalen Bildwerkes. Die dynamischen Elemente des Bildes - der ansteigende, kurvige Wegverlauf und die Bewegungsimpulse der sich zusammenschließenden Figurengruppen - werden dagegen durch die horizontalen Räder der Galgen und das Plateau der Windmühle trotz der zur großräumigen, kreisenden Bewegungsemphase artverwandten Form zu einem ordnenden Tiefenkorrelat erfolgreich genutzt.
Diese Dynamik wird durch die Windmühle, die den Felsen, die zentrale vertikale Achse der Gesamtkomposition, bekrönt, zum atmosphärischen Ausdrucksfaktor: Die Flügel scheinen von einem Windstoß erfaßt, der sich in dem das dramatische Geschehen steigernden, wechselnden Gewölk am Firmament abzeichnet. Obwohl Pieter Brueghel den früh-eyckischen Drehbühneneffekt der Komposition und seine Dynamik erheblich ausweitet und erhöht, dient dieser dennoch als Staffage eines Panoramabildes, in dem sich die schrittweise Verschlimmerung eines dramatisch-tragischen Schaugeschehens in der geschilderten Atmosphäre widerspiegelt. Die herkömmlichen ikonographischen Motive - Kreuztragung, Anhänger Christi - bleiben in diesem Bild in ihrer Authentizität vollgültig faßbar.
Abb.4: Pieter Bruegel d. Ä., Kreuztragung Christi, 1564, Öl auf Holz, 124 x 170 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.
Brueghels "Turmbau zu Babel" erinnert grundsätzlich noch an die Darstellung der Gefangennahme Christi im Turiner Gebetbuch, besonders in der Spannung zwischen der Figurengruppe um Nimrod auf dem scheinbar erhöht liegenden Landschaftsstück links im Vordergrund und der weiträumigen, zwischen den Konturen des Vordergrundes eingebetteten Landschaft mit dem zentralen, achsial ausgerichteten Turm. Dagegen ist in dem Bild der Heiligen Barbara Jan van Eycks eine unmittelbare Vorstufe für die gesteigerte bildliche Version Brueghels zu erkennen: Auch hier erhält der jeweils bis an den oberen Bildrand reichende Turm seine überragende Dimension durch das Absenken des Landschaftsgrundes, den tiefliegenden Horizont und die weitreichende "Weltraumlandschaft". Jan van Eycks Bild steigert seine Darstellung des Turmes zu einem in eine Landschaft eingebetteten Architekturportrait: Auch Brueghels Turm zeigt portraithafte Züge, in dem die Struktur des Kolosseums in Rom paraphrasiert und Bauformen romanischen Ursprungs miteinbezogen werden.
In den bisher genannten Werken bleibt die traditionelle Ikonographie zwar auf den ersten Blick noch erfaßbar, die genremäßige Akzentverschiebung ist aber bereits deutlich spürbar: In der Kreuztragung dominiert das weiträumige Landschaftsbild, im Turmbau zu Babel die Architekturdarstellung in der Landschaft. Die Kompositionsstruktur der Kreuztragung, - der um ein vertikales, achsial angeordnetes Felsenmotiv sich aufwärts windende Weg, - beherrscht auch die auf den ersten Blick nicht leicht nachzuvollziehende Spiralstruktur des Turmes zu Babel.
Abb.5: Pieter Bruegel d. A, Paulus-Sturz, 1567, Öl auf Holz, 108 x 156 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.
Dieselbe Kompositionsform variiert Brueghel erneut im "Paulus-Sturz" (Abb. 5). Strukturbestimmend in diesem dramatisch aufwärts gestaffelten Landschaftsbild ist der starke Kontrast zwischen der vordersten Bildebene, der fernen, tiefliegenden Küstengegend im linken Bildausschnitt und den kühn sich auftürmenden Felsformationen im Bildmittelgrund, zwischen denen sich der schmale, steil ansteigende Pfad mit der Figurengruppe windet, die als kleinfigurige, von vitalem Bewegungsduktus erfaßte Massenszene wiedergegeben ist. Die Landschaft ist so dominierend, daß die Titelszene, die auf einem isoliert hochgefahrenen Felsenpodest im Vordergrund zugleich als Narbe des kurvig ansteigenden Pfades dargestellt ist, beinahe übersehen wird, ja zum anekdotischen Detail, zur Staffage gerät.
Das Spiralkompositionsmodell ist gesteigert und gestrafft durch vertikale Elemente, zwischen denendie Landschaftspartien eingespannt sind. Damit entsteht in der weitläufigen Landschaft der Eindruck von Ausschnitthaftigkeit: Die senkrechte, auch bei der Kreuztragung und beim Turmbau zu Babel optisch wirksame Achse, um die sich das landschaftliche Szenarium zu drehen scheint, tritt als kompaktes Bildzentrum in Erscheinung und gewährt den umgebenden Bereichen nur Fragmentcharakter. Dabei erhält die wohl nur fernsichtig gedachte Mittelpartie der Felslandschaft im Bild des Paulus-Sturzes durch ihre proportionale Akzentverschiebung nahsichtigen Charakter. Gleichermaßen verhält sich die scheinbar unverhältnismäßig großfigurige Wiedergabe einer berittenen Repoussoirfigur sowie die eines Reiters rechts im Vordergrund gegenüber der unverhältnismäßig kleinfigurig geratenen Darstellung der Titelszene.
Abb.6: Pieter Bruegel d. Ä., Paulus-Sturz, Detail von Abb. 5.
Die kleinfigurige Menschenansammlung rückt, als weiteres Charakteristikum für die Ausschnitthaftigkeit, das Größenverhältnis von Figur und Landschaftsszenerie zurecht. Dadurch verschiebt sich zugleich der Betrachterstandpunkt: Die ausladende Wirkung der sanft ansteigenden Spirale im Verlauf des breiten Weges in der "Kreuztragung" weicht im Gemälde des Paulus-Sturzes der steilen Windung einer schmalen Furt, die um eine mächtige, vertikalachsiale Felsformation verläuft. Der Standort des Betrachters ist an einem höher gelegenen und an diese felsige Mittelpartie herangerückten Podest angenommen. Die Wiedergabe eines fernsichtigen, belebten Panoramas wird so zum nahsichtigen Ausschnitt eines strukturell modifizierten Landschaftsbereiches.
Der weitreichende Panoramablick und der nahsichtige Ausschnitt eines artverwandt strukturierten, szenischen Kontinuums sind im Werk Pieter Brueghels binnen weniger Jahre in polarisierender Weise entstanden und daher nicht in erster Linie als entgegengesetzte Stationen innerhalb eines Entwicklungsprozesses zu erklären. Beide Darstellungsfassungen reichen in der niederländischen Malerei in die eyckische Epoche zurück, zumal der prinzipielle, auf dem divergierenden Standort basierende Unterschied der Bildkompositionen Hubert und Jan van Eycks von Otto Pächt klar analysiert wurde: Das weitreichende Szenarium Huberts, das zur Entfaltung narrativer Themen geeignet ist, steht im Gegensatz zu Jans Betonung des Ausschnitthaften, wo mit der Verstellung des Blicks durch gegenständliche Motive eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf die dinglichen Eigenschaften der Darstellung gelenkt wird.
Abb.7: Pieter Brueghel d. A, Bauerntanz, um 1568, Öl auf Holz,
114 x 164 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.
Das Phänomen der Spannung zwischen nahsichtigen Motiven im Bildvordergrund und der allmählichen Verkleinerung der Einzelmotive im Dienste der Tiefenwirkung ist auch in den Hubert van Eyck zugeschriebenen Bildwerken so entwicklungsträchtig, daß Otto Pächt an hand von Kreuzigungsdarstellungen einen schrittweisen Prozeß von vielfigurigen Kompositionen mit verschränkten Strukturen hin zur Hervorhebung der Einzelfiguren bei gleichzeitiger Senkung des Horizontes zur Diskussion stellen konnte. Auf diesem Charakteristikum der früheyckischen Malerei basiert letztlich das Spektrum in den angeführten Bildern Brueghels. Somit erklärt sich die Darstellungsauffassung des Paulus-Sturz-Gemäldes als eine Interpretation eines hubertischen Landschaftstypus durch die Sehweise Jan van Eycks.
Das Nachwirken der phantasievollen Figuren- und Gegenstandskombinationen von Hieronymus Bosch in den Bildern Brueghels läßt sich nicht erst in Gemälden wie "De dulle Griet", das "Bild der Sprichwörter" oder das "Austreiben des Faschings durch die Fastenzeit" nachweisen: Bizarre Figuren mit expressiven Körperproportionen und Physiognomien, Posen und Kostümen wirken in ihrer Kreatürlichkeit gleichsam wie schicksalshaft ins weitreichende Ambiente hingestreut. Als Vermittler kann man in diesem Zusammenhang auch die Bosch-Nachfolge in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, also unmittelbar vor dem Wirken Pieter Brueghels des Älteren, in Betracht ziehen. In Hinblick auf den formalen Erfindungsreichtum und die Vielfalt der motivischen Einfälle ist auch hier wieder vor allem ein Hauptwerk der früheyckischen Malerei zu nennen: das Kreuzigungs- und Weltgerichts-Diptychon ("New Yorker Diptychon") vom Hauptmeister des Turiner Gebetbuches, den man sehr wahrscheinlich mit Hubert van Eyck zu identifizieren hat: Hier befindet sich im Verdammtensturz unter dem orthogonal aus der Bildtiefe ragenden, schaurigen geflügelten Totengerippe ein Dickicht von Monstern und Menschenleibern, das an die hoch mittelalterliche Tradition der belebten Ranke erinnert.
Abb.8: Pieter Bruegei d. A, Bauernhochzeit, um 1568, Öl auf Holz, 114 x 164 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.
In zeitlicher Nachbarschaft zu dem bizarren Treiben kleinfiguriger Gruppen in einem weitgespannten urbanen Milieu, das auch in den "Kinderspielen" beobachtet werden kann, stehen nahsichtige, im dörflichen Umfeld angesiedelte bildliche Schilderungen wie der "Bauerntanz" (Abb. 7). Der Horizont ist hier abermals gesenkt, der Standpunkt des Betrachters auf dem Niveau der dargestellten Figuren eng an diese herangerückt. Durch diese Nahsichtigkeit kommen die eigentümlichen Figurationen, die die Figuren charakterisieren, in monumentaler Großfigurigkeit zur Geltung. Sowohl in der Artikulierung der ungelenken Korpulenz, die den tänzerisch-schwingenden Impulsen widerspricht, als auch in den durch ausfahrende Gesten und sonstige Körpertorsionen lebhaften, individuellen Konturen wirken auch hier letztendlich die karikierend-grotesk anmutenden Illustrationen in den Monatsdarstellungen der spätmittelalterlichen Kunst nach. In diesem speziellen Zusammenhang der Akzentverschiebung und Entwicklung neuer Themen gegenüber dem ursprünglichen Kontext ist auf die Umwidmung eines Figurenzitates hinzuweisen, wie dies durch Otto Pächt geschah, als er die mönchsartig gewandeten Pleurants nach Claus Sluters Entwurf für das Grabmal von Herzog Philipp dem Kühnen von Burgund als Archetypus des Mönchs aus dem Moralitätsbildwerk Pieter Brueghels ("Misanthrop") analysierte.
Steht der "Bauerntanz" als individuell entwickelter, drastisch nahsichtiger Abkomme eines spätmittelalterlichen Monatsbildes zur Diskussion, so stellt sich nunmehr die Frage nach der genetischen Herkunft der "Bauernhochzeit" (Abb. 8). Hier hat das offensichtliche Fehlen des Bräutigams bereits zu vielerlei Spekulationen ob des intendierten Bildthemas geführt. Die Feierlichkeit ist im dörflichen Milieu, in einem mit primitiven Mitteln zustande gebrachten "Dekorum" in den Scheuern (=Durchfahrt) eines Heuschobers angesiedelt, die Figuren tragen die Tracht der einfachen Landbewohner. Die Tradition des fürstlich-repräsentativen Hochzeitsbildes scheidet daher als mögliche Anregung aus. Will man ein reines Genrestück grundsätzlich ausschließen, kommt nur eine literarische Vorlage - vornehmlich aus der Heiligen Schrift - in Betracht. Das Thema der Hochzeit zu Kana bietet sich hier an. Tatsächlich existiert aus der Zeit um 1550 eine Kopie der Kanaitischen Hochzeit nach Hieronymus Bosch, wo sowohl in der Struktur der Bildkomposition, als auch im Motivrepertoire die Figurengruppe um den Tisch mit der Braut im Zentrum präfiguriert ist (Abb. 10).
Abb.9: Pieter Bruegel d. A, Bauernhochzeit, Detail von Abb. 8.
Diese ist übrigens in ähnlicher Weise isoliert, wie Christus in den traditionellen Abendmahldarstellungen und somit eine Paraphrase beider Bildthenen im profanen Milieu. In der zeitgenössischen Kopie nach Hieronymus Bosch sind die Tische zueinander winkelig gestellt, sodaß der rechte Tisch zur bildeinwärts verlaufenden perspektivischen Schrägwand parallel arrangiert ist, während der zweite Tisch im Bildhintergrund bildparallel angeordnet ist. Am rechten, schräg bildeinwärts verlaufenden Tisch befindet sich Christus, isoliert wie die Braut bei Brueghel. Christus vollzieht das Wunder in ähnlich stiller Zurückhaltung wie in Albert Ouwaters Bild der Auferweckung des Lazarus; das Motiv der um die Krüge sich mühenden Küchengehilfen befindet sich jedoch in der Mitte im Vordergrund gegen die linke Bildhälfte zu.
Sowohl den bildparallel angeordneten linken Tisch im Hintergrund, als auch die Christus-Gruppe läßt Brueghel weg. Der fragmentierte Bereich des Wundervollzuges ist auf der Bauernhochzeit durch den in betonter Nahsicht gegebenen Küfer im linken Bildvordergrund gegeben. Der in Profilansicht dargestellte Knabe mit durch die Kappe halb verstecktem Gesicht kann als nahsichtiger Abkömmling jener limburgischen Tradition gesehen werden, die im sitzenden Hirten der Kreuztragung einen auffallenden Nachfolger hat. Ein anderer Knabe ist in der Bauernhochzeit als Rückenfigur gegenüber der Braut inmitten anderer Hochzeitsgäste dargestellt und fördert so die Tiefenräumlichkeit innerhalb der Gesamtkomposition.
Die nahsichtig dargestellten Speisenausträger im vorderen Bildmittelgrund sind wohl thematisch Nebenfiguren, tatsächlich jedoch die Hauptakteure im figürlichen Ensemble. Eine Entsprechung finden sie allenfalls noch in der Gruppe der Musikanten im Bildmittelgrund. Demnach ist Bruegels Bauernhochzeit tatsächlich ein zum Genrebild entwickeltes Derivat der "Hochzeit zu Kanaa" von Hieronymus Bosch, wobei - anders als auf den eingangs angeführten Bildwerken - das zentrale ikonographische Motiv, die Verwandlung des Wassers in Wein durch Christus, verschwunden und nur das Ausschenken des Weines als nahsichtig wiedergegebenes Genremotiv im Bild links vorne verblieben ist. Ein Bildthema biblischen Inhalts ist hier in ein milieugerechtes, zeitbezogenes Genrebild verwandelt.
Abb.10: nach Hieronimus Bosch, Die Hochzeit zu Kana,
um 1550, Öl auf Holz, 93 x 72 cm,
Museum Boymansvan-Beuningen, Rotterdam.
Die angeführten Beobachtungen wollen das kreative Genie Pieter Brueghels des Älteren keinesfalls verringern, umso weniger, als eine Vielzahl essentieller bildkünstlerischer Eigenschaften wie Stilcharakteristika, Kolorit und dessen künstlerischer Einsatz zur Schilderung spezifisch atmosphärischer Werte, in diesem Beitrag nicht einmal andeutungsweise behandelt wurden. Die Betrachtung von Brueghels Werk zeigt eine deutliche Weiterentwicklung von Darstellungstendenzen altniederländischer Vorbilder. Diese sind häufig auf den ersten Blick nicht leicht erfaßbar, wodurch sich zum einen in der Handhabung von Bildfaktoren unterschiedlicher Vorlagen die Zugehörigkeit des Künstlers zu der Kunstsprache seines Herkunftstandes, zum anderen der singuläre Status seiner Malkunst zeigt, die sich trotz dieser Abkunft und verschiedener Einflüsse zu einer autonomen persönlichen Bildsprache entwickelte.
Quelle: Arthur Saliger: Zum Bedeutungswandel von Motivzitaten. Altniederländische Rezeptionen im Œuvre Pieter Brueghels des Älteren. In: Belvedere. Zeitschrift für bildende Kunst. ISSN 1025-2223. Heft 1/2000, Seite 6 bis 15
ARTHUR SALIGER war über eineinhalb Jahrzehnte als Konservator der Erzdiözese Wien tätig und leitete das Dom- und Diözesanmuseum. Seit 1989 ist er Kustos der Sammlung mittelalterlicher Kunst an der Österreichischen Galerie Belvedere, wo er u.a. die Ausstellungen über den Meister von Großlobming (1994) und Konrad Laib (1997) konzipierte.
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Die Jagd des 16.Jahrhunderts folgt - einer Liturgie gleich - einem Ritus der in sich ebenso große Bedeutung zu haben scheint wie der Ausgang des Unterfangens: das Erlegen des Wildes. Vokale oder instrumentale Rufe bestimmen das Geschehen; auf Hörnern geblasen oder gerufen und vorwiegend rhythmischer Natur, dienen sie zur Verständigung der Jäger untereinander und mit der Meute. Bellen, Schreie und Hornsignale finden sich so in einer regelrechten Polyphonie zusammen, ähnlich wie in einem gigantischen Quodlibet (oder Fricassée). So hat die Chace (caccia) bereits im 14.Jahrhundert geklungen, als sie sich zu einem vollwertigen Genre der Ars Nova entwickelte.
Die königliche Jagd liegt auch einem Werk Janequins zugrunde. Janequin bedient sich hier des Klangs im Rohzustand, ebenso wie er es mit dem Zwitschern der Vögel (vlg: Le chant des oyseaux), mit dem Stimmengewirr auf der Straße oder Kriegsgeräuschen getan hat (Les cris de Paris). Aus dieser Musik, vertrauter Bestandteil der klanglichen Umgebung eines Höflings seiner Zeit, formt er in der Art der Fricassées (vgl: La fricassée parisien) eine regelrechte musikalische Freske. Einen Eindruck von der Wirkung seiner Werke auf die Menschen jener Zeit vermittelt die Schilderung von Noel Du Fail zum Chanson de la Guerre.
Diese Chasse, die 1528, zur gleichen Zeit wie La Guerre (1555 mit einer fünften Stimme neubearbeitet und hier aufgenommen) und Chant des oyseaux von Attaingnant herausgegeben wurde, erscheint gut 15 Jahre vor dem Caquet des femmes (Weiberklatsch). Dieses Werk erschien zunächst 1545 (?) bei Jacques Moderne in Lyon, bevor es 1555 bei Nicolas Du Chemin in Paris neuverlegt wurde. Der Komponist wird hier, gleichsam mit versteckter Kamera, zum "Voyeur", der mit vergnügter Schamlosigkeit eine Versammlung von Damen belauscht:
Als ich eines Tages müßig Damen sich versammeln sah, kam ich leise näher, näher noch an sie heran, um ihre Reden zu belauschen.
Aus dieser vierstimmigen Einleitung entwickelt Janequin eine fünfstimmige Polyphonie, in der man einen Wortwechsel von Herrin und Magd im häuslichen Rahmen erkennen kann (Janequin zitiert hier u.a. das incipit des Stücks Ma maistresse von Ockeghem). Nach und nach geht dieser Wortwechsel in Schwatzen üher, das 1911 Michel Brenet zu der Bemerkung veranlasste, daß "die Anzüglichkeit dieses Werkes … seine Aufführung in unserer Zeit unmöglich macht" (in: Essai sur les origines de la musique descriptive). Zwar zeigt auch hier die Polyphonie Gemeinsamkeiten mit der Fricassée, allerdings kommt es vor, daß das Geschwätz langsam verebbt, und in solchen Augenblicken einem regelrechten lyrischen Chanson weicht:
"Oh süßes Gut, süße Wonne, wenn tiefe Lieb' das Herz der Liebenden erfüllt!"
Hier zeigt sich ein charakteristischer Zug Janequins: eine Vorliebe für die Mischung der Genres, die schon bald der italienischen Commedia harmonica zum Aufschwung verhelfen sollte. Nicht zufällig findet man, mehr als dreißig Jahre später, bei Alessandro Striggio ein Cicalamento delle Donne al Ducato und eine Caccia (Venedig, 1567).
Janequin hat mehr als jeder andere Komponist Paris zur Hochburg der "goûts réunis", zum Zentrum einer gewaltigen Durchdringung der Kulturen gemacht, in der die tiefgreifenden Veränderungen zum Ausdruck kommen, die das kulturelle Erbe des 15. Jahrhunderts prägen sollten. Janequin hat uns nicht nur die umfangreichen und malerischen Fresken von 1528 hinterlassen, gewissermaßen ein musikalisches Begehen aristokratischer, bürgerlicher oder humanistischer Feste, die oft mehr mit der Gelegenheitsmotette als mit dem höfischen Lied gemein haben. Wir finden in seinem Werk ebenfalls die höfische Welt der Liebesepigramme (Plus ne suys, von C. Marot), die Feste und volkstümlichen Spiele, die in der chanson rustique (Au verd boys; starke Ähnlichkeit mit Févin oder Mouton) oder im bäuerlichen Tanz zum Ausdruck kommen (Ce moys de may, ebenso strukturiert wie ein bransle gay), sowie auch eine Reihe von Gestalten, die geradewegs der Feder Rabelais' entsprungen zu sein scheinen, mit seinen Erzählungen und Wanderbühnen (in den erzählerischen Epigrammen: Frère Thibault, von C. Marot).
Genau wie die höfische Liebe (ferme amour) in Caquet des femmes Eingang findet, kommt es umgekehrt vor, daß das Chanson amoureuse einen volkstümlichen Charakter annimmt und in ihm die Geräusche und Düfte der Natur erklingen. In Va rossignol etwa ist die geflügelte musikalische Gestalt des Philomelos aus der Mythologie zugleich gefiederter Sänger und "Liebesbote", und das Liebeslied wird ganz plötzlich von Flügelschlagen und Voge1zwitschern belebt: sie entspringen, durch die Zauberkraft der Polyphonie, dem Text selbst, eine Abschweifung, deren musikalischer Gehalt nach einem Augenblick der Steigerung, kaum merklich in Lautmalerei übergeht:
Ehenso ist es mit Sur l'aubépin qui est en fleurs, wo Philomelos sich verbirgt, und "tausend Motetten" singt. In dem Stück Ce petit Dieu qui vole (kleiner, fliegender Gott) bewirkt die immer lebhaftere Wiederholung des Wortes "vole" (fliege), zusammen mit der madrigalartigen Hypotypose in den aufsteigenden Linien der Polyphonie den gleichen Effekt. Auf kaum merkliche Weise rückt so der gekünstelte Petrarkismus in den Bildern des innamoramento etwas weiter weg und gewinnt eine leicht humorvolle Färbung. Die Vents hardis et légers (ebenfalls im Zehnten Buch von 1552) sind gleichfalls Liebesboten und tragen das ins Horn geblasene Rückkehrsignal bis hin zur Geliebten: die musikalische Lautmalerei ("trontron") der Jagdhörner (vgl. Du Fouilloux, La Venerie, Poitiers, 1566), von Janequin ebenfalls in der Chasse verwendet, stellt eine Wende in dem Stück dar. Von der klanglichen Assimilierung geht das petrarkische Bild der verkündenden Hörner zur visuellen und erotischen Assoziation über und mündet schließlich in Obszönität:
"Sag ihr, daß mein Horn ihr jeden Wunsch erfüllen wird"
Hier wird verständlich, daß dieser ganz und gar spielerische Sinn für das Wort den alten Polyphonisten und den jungen Ronsard, fast auf dem Höhepunkt seines Ruhms angelangt, einander näherbrachte. 1552 findet man Janequin unter den vier Musikern, die an dem Supplément Musical der "Amours de Cassandre" mitarbeiten. In Petite Nymphe folastre, einem der Stücke, die wir ihm verdanken, stellt er die rhythmische Bewegtheit seiner Polyphonie ganz in den Dienst der zuckersüßen Geziertheit dieses Chanson, von dem er merkwürdigerweise nur den Anfang (8 Verse) bearbeitet. In seinen allerletzten Lebensjahren sollte er - mit zwei Texten, die 1556 in der Nouvelle Continuation des Amours erschienen: Pourquoi tournez vous vos yeux und Bel aubépin verdissant - noch einmal auf Ronsard zurückkommen. Beide Gedichte, jeweils als Ode und Chanson bezeichnet, weisen die gleiche, sehr charakteristische Stropheneinteilung auf, die sich so vorzüglich für den Stil des Chanson en forme de voix de ville eignete, mit Quand ce beau printemps je vois, von Nicolas de la Grotte vertont:
"Schöner Weißdorn, der du blühend dieses Ufer säumst, bis zu den Zweigen umfangen dich die langen Ranken wilden Weins."
Janequin gibt hier nicht der Versuchung nach, dem strophischen Aufbau in den voix de ville zu folgen; allerdings übernimmt er ihr Prinzip, was die einzelnen Strophen anbelangt, die er jeweils in 2 Teile von 3 Versen gliedert. Dabei gelingt ihm das Meisterstück, jeder Strophe einen eigenen Charakter zu verleihen, ohne daß hingegen die allen gemeinsame Metrik aufgegeben würde. Über die verschiedenen Seiten des Musikers hinaus, bäuerlich, poetisch, deskriptiv, expressiv, die alle zur Geltung kommen, zeigen diese beiden Stücke den Versuch, die kaum zu erreichende Durchdringung von Voix de ville und Madrigal zu wagen.
TRACKLIST
Clément Janequin (v.1485-1558)
La Chasse, et autres chansons
(01) Le caquet des femmes 7'11
(02) Va rossignol 2'18
(03) D'un seul soleil 2'52
(04) Bel aubépin verdissant 1'54
(05) [Guillaume Morlaye:] Gaillarde des Dieux (luth) 1:35
(06) J'ay double dueil 2:27
(07) Au verd bois je m'en iray 1'56
(08) Revenés souvent m'amye 1'14
(09) J'ay d'un costé l'honneur 2'36
(10) Ce petit dieu qui vole 2'22
(11) [Adrian Le Roy:] Branle de Bourgogne (luth) 1'06
(12) La Guerre 6'34
(13) L'espoir confus 2'45
(14) Petite nymphe folastre 0'56
(15) Pourquoy tournez vous vos yeux 2'01
(16) C'est à bon droit 1'19
(17) [Guillaume Morlaye:] Fantaisie (luth) 3'00
(18) Sur l'aubépin qui est en fleurs 2'28
(19) Ce moys de may 0'49
(20) Las, si tu as plaisir 2'29
(21) Ventz hardis et légiers 1'40
(22) [Adrian Le Roy:] Branle Gay (luth) 0'48
(23) Plus ne suys 2'04
(24) Frère Thibault 1'29
(25) La Chasse 7'10
Durée totale: 63'54
Ensemble Clément Janequin
Agnès Mellon, soprano (S)
Dominique Visse, haute-contre (HC)
Bruno Boterf, ténor (T)
Philippe Cantor, Josep Cabré, barytons (BA)
Antoine Sicot, basse (B)
Claude Debôves, luth
dir Dominique Visse
Enregistrement août 1987 à l'Eglise Saint-Martin du Méjan, Arles
Direction artistique: Michel Bernard
Prise de son: Jean-Francois Pontefract
Illustration: Pieter Bruegel, Les Chasseurs dans la neige (détail), Kunsthistorisches Museum, Vienne
(P) 1988, 2005
Pieter Bruegel der Ältere: Die Jahreszeiten
Pieter Bruegel, Die Jäger im Schnee (Heimkehr der Jäger), 1565, Öl auf Holz,
118 x 163 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien
Pieter Bruegel der Ältere gilt als der bedeutendste niederländische Künstler des 16.Jahrhunderts. Sein malerisches Œuvre ist mit etwas mehr als 40 Gemälden überschaubar, jedoch zugleich von einer überraschenden thematischen Vielfalt, die von religiösen Stoffen, allegorischen Themen und Genremotiven über Darstellungen mit satirischem Charakter und moralisierender Botschaft bis hin zu reinen Landschaften reicht. Ebenso bedeutend war sein Schaffen als Zeichner und Entwerfer von Vorlagen für Druckgraphik. Zu seiner Zeit hoch geschätzt, fand sein Werk nicht zuletzt in Kopien seiner Söhne Pieter Breughel des Jüngeren (1564-1637/38) und Jan Brueghel des Älteren (1568-1625) weite Verbreitung. Keiner seiner Nachfolger erreichte allerdings die künstlerische Qualität des Meisters.
Über das Leben des Künstlers wissen wir nur wenig. Unsere Kenntnisse speisen sich aus spärlichen Archivalien und Dokumenten, ergänzt durch Angaben seines ersten Biographen Carel van Mander (1548-1606), der in seinem 1604 erschienenen Schilder-Boeck das Leben bedeutender flämischer Maler, darunter auch Bruegels, darstellt. So wertvoll van Manders Bericht ist, so sehr trug er doch auch zur Legendenbildung bei.
Bruegel kam um 1526/30 zur Welt, laut van Mander als Sohn einfacher Bauern. Als Geburtsort nennt der Chronist ein Dorf namens Brueghel in der Nähe von Breda, eine Angabe, die allerdings weder lokalisiert noch verifiziert werden kann. Die erste nachweisliche urkundliche Erwähnung Bruegels bezieht sich auf seinen Eintritt in die Antwerpener Malergilde im Jahr 1551. Als Lehrmeister nennt van Mander den Maler Pieter Coecke van Aelst, dessen Tochter Mayken Brueghel 1563 heiraten sollte. 1552 trat der Künstler eine Italien-Reise an, die ihn über Frankreich nach Rom führte. Zurück in Antwerpen, begann 1555 die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Verleger Hieronymus Cock (um 1510-1570), der zahlreiche druckgraphische Werke nach Entwurfszeichnungen von Bruegel herausgab. Im Jahr seiner Heirat verließ Bruegel Antwerpen und zog nach Brüssel, wo dem Paar 1564 der Sohn Pieter geboren wurde. 1568 folgte der zweite Sohn Jan. Bereits im Jahr darauf, im September 1569, starb Bruegel. […]
Bruegels Werk erwies sich in vielerlei Hinsicht als vorbildhaft für die nachfolgenden Generationen. Wegweisend für die Entwicklung der Landschaftsmalerei im 16. Jahrhundert waren die so genannten Jahreszeiten, eine Folge von ursprünglich wohl sechs Bildern, von denen heute noch fünf erhalten sind. Die Größe der Bilder schwankt zwischen 117 bis 119 cm in der Höhe und 159 bis 163 cm in der Breite. Alle fünf sind mit Ölfarben auf Eichenholz gemalt. Die 1565 entstandenen Gemälde markieren den Beginn der autonomen Landschaftsmalerei. Häufig reproduziert, sind sie auch einem breiten Publikum bekannt. Ihre Darstellungen und Motive geben dem Betrachter auf den ersten Blick keinerlei Rätsel auf. Es handelt sich weder um verschlüsselte allegorische Darstellungen noch um eine Verbildlichung mythologischer oder religiöser Stoffe. Das wohl bekannteste der Bilder zeigt eine Gruppe von Jägern in einer Winterlandschaft. Ein anderes, Der düstere Tag betitelt, führt eine vorfrühlingshafte Landschaft vor Augen, in der Menschen u.a. mit dem Schneiden von Bäumen beschäftigt sind. Der sommerlichen Heu- und der spätsommerlichen Kornernte sind zwei weitere Gemälde gewidmet, während das fünfte eine herbstliche Szenerie zeigt, in der Bauern ihre Herde ins Dorf treiben. Selbst nach mehr als vierhundert Jahren kann der Betrachter die Tätigkeiten der Personen leicht identifizieren. Er kennt aus eigener Anschauung den steten Wechsel der Jahreszeiten und die damit einhergehenden Veränderungen des Klimas und der Vegetation. Und dennoch sind die Bilder Gegenstand kontroverser kunsthistorischer Diskussionen. Handelt es sich bei den Bildern um einen Jahreszeitenzyklus oder um Darstellungen von Monaten, und wenn ja, welcher? Wieviele Bilder umfasste die Reihe ursprünglich? Bruegel selbst hat uns keine Antwort auf diese Fragen gegeben. […]
Pieter Bruegel, Der düstere Tag, 1565, Öl auf Holz, 118 x 163 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien
Die Geschichte des Zyklus
Bruegels Jahreszeiten sind nicht nur von außergewöhnlicher künstlerischer Qualität, auch ihre Geschichte ist bemerkenswert. Vier der Bilder sind vom Künstler signiert und mit römischen Zahlen auf das Jahr 1565 datiert, so dass hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes kein Zweifel herrscht. Lediglich die Heuernte, die am unteren Rand beschnitten ist, weist weder eine eigenhändige Signatur noch eine Datierung auf, doch bestanden über ihre Zugehörigkeit zum Zyklus nie Bedenken. Drei der Bilder (Jäger im Schnee, Der düstere Tag, Heimkehr der Herde) sind heute im Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien, die Heuernte befand sich in der Nationalgalerie Prag, heute wieder im Besitz der Familie Lobkowitz, und die Kornernte im Metropolitan Museum New York. Wie gelangten sie dorthin?
Glücklicherweise kennen wir nicht nur das Entstehungsdatum der Bilder, sondern auch den Auftraggeber und ersten Besitzer. Es handelt sich um den Antwerpener Kaufmann und Bankier Niclaes Jongelinck (1517-1570), der »die wohl bedeutendste Galerie des dritten Viertel des 16. Jahrhunderts« in den Niederlanden besaß. Er nannte eine vor den Toren der Stadt gelegene Villa mit umfangreichem Bilder- und Skulpturenschmuck von programmhaftem Charakter sein eigen. Dies können wir einem Dokument entnehmen, welches bezeugt, dass Jongelinck insgesamt 16 Bilder von Bruegel besaß, darunter Der Turmbau zu Babel I und Die Kreuztragung Christi, beide heute im Kunsthistorischen Museum Wien, sowie Die zwölf Monate. Das erwähnte Dokument besagt, dass Jongelinck die oben genannten Gemälde der Stadt Antwerpen als Bürgschaft für einen gewissen Daniel de Bruyne verpfändete. Es trägt das Datum vom 21. Februar 1565 damaliger Zeitrechnung. Nach dem Stylus Bataviae begann das Jahr im März und endete mit dem Februar, erst 1575 wurde der noch heute gültige gregorianische Kalender auch in den Niederlanden eingeführt. So stammt das Dokument nach gregorianischer Zeitrechnung also vom Februar 1566. Bruegel muss demzufolge Die zwölf Monate zwischen März 1565 und Februar 1566 gemalt haben. Kaum waren sie vollendet, wurden sie schon Teil von Jongelincks Bürgschaft. Mit der ersten Erwähnung der Bruegelschen Bilder beginnt dann auch schon das Rätselraten, denn es ist nicht klar, ob es sich tatsächlich um zwölf Bilder mit Monatsdarstellungen gehandelt hat oder ob Die zwölf Monate vielmehr als Titel einer Serie zu verstehen ist, die auch aus sechs Bildern bestanden haben könnte, da diese Zahl in späteren Dokumenten auftaucht.
Allgemein wurde angenommen, dass die Bilder an die Stadt Antwerpen fielen, da die Schuld von de Bruyne nicht gezahlt werden konnte, jedenfalls tauchen sie nicht im Inventar von Jongelincks Besitz auf, das im Jahr seines Todes 1570 aufgestellt wurde. Die nächste Erwähnung finden sie 1594, als sie in den Besitz der Habsburger übergingen. Dies bezeugt ein Eintrag vom 5. Juli 1594 im Kassa-Buch von Erzherzog Ernst (1553-1595), dem Bruder Kaiser Rudolfs II. (1552-1612) und Statthalter der Niederlande von 1593 bis 1595. Der Sekretär des Erzherzogs Hütter vermerkt in diesem Dokument, dass die Stadt Antwerpen dem Erzherzog »6 taffeln von den 12 monnats Zeiten« zum Geschenk gemacht habe. Ein erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt gewordenes Dokument belegt allerdings, dass die Stadt Antwerpen Die zwölf Monate erst anlässlich des Einzugs des Erzherzogs in Antwerpen von einem Händler namens Hane van Wijke für 1400 Florin gekauft hat, um sie diesem zu schenken. Demzufolge sind die Bilder nicht direkt von Jongelinck in den Besitz der Stadt übergegangen. Fehlt in Hütters Aufstellung die Angabe des Künstlers, so findet sich im Nachlassinventar des Erzherzogs vom 17.Juli 1595 die Bezeichnung »Sechs Taffell, von 12 Monathenn des Jars von Bruegel".
Pieter Bruegel, Die Heuernte, 1565, Öl auf Holz, 118 x 163 cm, Palais Lobkowitz in der Prager Burg
Bis zur nächsten überlieferten Erwähnung der Bilder sollte dann mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen, doch sehr wahrscheinlich gelangten die Bilder nach Erzherzog Ernsts Tod von Brüssel in die Sammlung seines Bruders Rudolf nach Prag, wo sie vermutlich bis 1612 blieben. 1659 tauchen sie schließlich im Inventar der Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662) auf, verfasst nach dessen Rückkehr nach Wien aus den Niederlanden, wo er von 1646 bis 1656 Statthalter gewesen war. Dem Text zufolge waren es nur noch 5 Bilder. Außer in Leopold Wilhelms Inventar wird die Serie, allerdings als sechsteilig, auch in David Teniers' Theatrum Pictorium von 1660 erwähnt. Die Tatsache, dass das Inventar nur fünf Bilder aufzählt, Teniers aber sechs erwähnt, ist, so Demus, wohl dadurch zu erklären, dass man das bereits fehlende Bild durch ein anderes ersetzt hat. Das sechste Bild wird also vermutlich zwischen 1595 und 1659 auf einem der Transporte zwischen Brüssel, Prag und Wien verloren gegangen sein.
Naeh dem Tod Leopold Wilhelms im Jahr 1662 erbte sein Neffe Kaiser Leopold I. (1640-1705) dessen Kunstschätze und damit auch die Bruegelschen Zeiten des Jahres, die von nun an neben zahlreichen anderen Werken Bruegels zur Kaiserlichen Sammlung gehörten. Im 18. Jahrhundert hatte die Serie schließlich ihren ursprünglichen Zusammenhang, den die Zeitgenossen nicht mehr erkannten, verloren. 1783 waren im Belvedere zu Wien laut Mechels Katalog der Neuaufstellung der Kaiserlichen Gemäldegalerie folgende Bilder unter der Bezeichnung Die vier Jahreszeiten ausgestellt: die Kinderspiele als Frühling, die Kornernte als Sommer, die Heimkehr der Herde als Herbst und der Bethlehemitische Kindermord als Winter. Die restlichen zugehörigen Bilder verblieben im Depot, die Heuernte befand sich vermutlich bereits damals schon nicht mehr in der Kaiserlichen Sammlung.
Mit den Napoleonischen Kriegen ging schließlich der Zusammenhalt der Reihe endgültig verloren. 1809 wurde Wien von Napoleons Armee eingenommen, als Beute ein großer Teil der dort befindlichen Kunstwerke nach Paris verschleppt, darunter die Kornernte und vermutlich die Jager im Schnee. Nach Napoleons Niederlage brachte man die meisten Bilder wieder zurück nach Wien, mit Ausnahme der Kornernte. Das Bild kam als Eigentum des französischen General-Gouverneurs in Wien, Graf Antoine-François Andréossy, nach Paris, wo es bis zu dessen Tod 1816 blieb. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Urheber des Gemäldes allerdings nicht mehr bekannt, denn beim Verkauf von Andréossys Besitz wurde es als Werk eines anonymen deutschen Malers aufgelistet. Die Spur des Bildes verliert sich dann bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Belgier Paul Jean Cels hatte es vor 1912 in Paris von einem Mann namens Jacques Antoine Doucet erworben. 1917 bot er es dem Metropolitan Museum in New York zum Kauf an, in der Meinung, es handle sich um ein Werk aus der Schule Pieter Bruegels d. Ä., möglicherweise seines Sohnes Jan Brueghel. Bryson Burroughs, der Kurator für Gemälde am Metropolitan Museum, vermutete jedoch, dass es sich um ein Werk aus der berühmten Serie der Monatsdarstellungen in der Wiener Gemäldegalerie handeln könne, der es in Thema, Format und Größe der Figuren gleichkam. Cels verstarb über den Verkaufsverhandlungen, so dass das Bild erst 1919 in den Besitz des Museums kam. Burroughs' Vermutung sollte sich als richtig erweisen: Bei der Reinigung des Bildes im Jahr 1920 kamen die Signatur Bruegels und das Datum LXV ans Tageslicht.
Die Heuernte verließ die kaiserliche Sammlung zu einem unbekannten Datum, wohl als Geschenk Maria Theresias an ihren Günstling Anton Graf Grassalkowitsch. 1864 vererbte es Prinzessin Leopoldina Grassalkowitsch, geborene Esterházy, an Prinz Ferdinand Lobkowitz. Nun befand es sich als Teil von dessen Familiensammlung im Schloß in Raudnitz in der Nähe von Prag. In der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges geriet das Bild in den Strudel der Zeitgeschichte. Es wurde von Dr. Hans Posse, dem Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, für das geplante Führermuseum in Linz ausgewählt und konfisziert. Nach dem Krieg spürten es die Alliierten in einer alten Salzmine bei Bad Aussee in den Alpen auf und gaben es den rechtmäßigen Besitzern zurück. 1946 deponierte Max Lobkowitz das Bild in der Prager Nationalgalerie, heute befindet es sich wieder in Privatbesitz.
Pieter Bruegel, Die Kornernte, 1565, Öl auf Holz, 118 x 163 cm, Metropolitan Museum of Art, New York
Der »Monatsstreit«
Die Wiederentdeckung des Zusammenhangs der Bilder begann Ende des 19. Jahrhunderts. Im Katalog der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien aus dem Jahr 1907 werden die Herbstliche Gebirgslandschaft, die Frühlingslandschaft und die Winterlandschaft noch zu einer Folge der vier Jahreszeiten gerechnet, »wovon der Sommer verloren gegangen ist«. »Doch ist es«, so heißt es weiter, »möglich, daß es sich um eine unvollständig erhaltene Folge von Monatsdarstellungen handelt.« Im von Gustav Glück 1923 herausgegebenen Katalog der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien hatte sich die Forschungslage durch das Auftauchen der beiden Sommerlandschaften bereits etwas geklärt.
Nun setzte jedoch das ein, was man als »Monatsstreit« bezeichnen kann. Neben Glück waren es van Bastelaer und Hulin de Loo sowie Friedländer, Michel, Jedlicka und Grossmann, gefolgt von Auner, Stechow und Gibson, die die These von zwölf Bildern vertraten. Falls es nur sechs Bilder gewesen seien, blieben, so Grossmann, laut Bürgschaftsdokument weitere acht von Bruegels Hand in Jongelincks Besitz übrig, von denen wir keine Titel kennen. Dies hält er für unwahrscheinlich, da doch die Gemälde von Frans Floris in der Bürgschaftsurkunde alle aufgelistet seien. Auner glaubte, vom Vergleich mit Kalenderillustrationen ausgehend, an den zufällig erhaltenen Rest einer Folge von zwölf Monatsbildern mit den Darstellungen von Januar, Februar, Juli, August und Oktober. Die sechs fehlenden Bilder hielt er für ein Opfer der Plünderung Antwerpens durch spanische Truppen im November 1576. Die Formulierung »6 taffeln von den 12 monnats Zeiten« in Hütters Kassa-Buch nahm er zum Beleg für seine These von ursprünglich 12 Bildern, denn »sonst hätte die Eintragung wohl eher '6 Tafeln mit den zwölf Monatszeiten' gelautet.« Dem hält Demus entgegen, dass die Konstruktion mit »von« das Zeitübliche gewesen sei. Als Argumentation gegen eine Zwölfer-Serie wurde immer wieder angeführt, dass es Bruegel kaum möglich gewesen sei, innerhalb eines knappen Jahres zwölf Bilder solchen Formates zu malen; angemerkt sei dazu allerdings, dass ja der verlorene Teil durchaus schon vor 1565 hätte entstanden sein können. Andererseits könnte auch eine Zwölfer-Serie geplant gewesen sein, die Bruegel aber dann aus unbekannten Gründen nicht fertiggestellt hat. Beides ist jedoch unwahrscheinlich, wie die Betrachtung der Bilder selbst gezeigt hat.
Einig über die Zuweisung an bestimmte Monate waren sich jedoch auch die Vertreter der Zwölfer-These nicht. Basis der Argumentation bildete meist der Vergleich der Bruegelschen Gemälde mit Monatsbildern in niederländischen Stundenbüchern, auf die der Künstler zwar eindeutig zurückgriff, doch stets auf die ihm eigene freie Art. Die Uneinigkeit unter den Befürwortern der Zwölfer-These ist nicht zuletzt Resultat davon, dass Bruegel in den einzelnen Bildern mehr Charakteristika darstellte als einen einzelnen Monat kennzeichnen. Der erste, der die daraus abgeleitete These der Bimensualität, also der Sechserfolge mit jeweils zwei gekoppelten Monaten, vertrat, war 1935 Charles de Tolnay. Er kam zu dem Schluss - wobei auch er Stundenbuchillustrationen als Vergleichsmaterial heranzog -, dass Bruegel immer zwei Monate in einer Darstellung zusammengefasst hat, und zwar Dezember/Januar, Februar/März usw. Die Jäger im Schnee stünden somit am Beginn des Zyklus. Diese These berücksichtigt allerdings weder den damals üblichen Jahresbeginn mit März, noch den in den Stundenbuchillustrationen fest etablierten Beginn des Jahres mit Januar.
Pieter Bruegel, Die Heimkehr der Herde, 1565, Öl auf Holz, 118 x 163 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien
Glück, der sich Anfang der 50er Jahre von der Zwölfer-These distanzierte, schlug daher die traditionelle Paarung von Januar/Februar usw. vor und ließ den Zyklus mit dem Düsteren Tag für März/April beginnen. Die Heuernte weist er Mai/Juni, die Kornernte Juli/August, die Heimkehr der Herde September/Oktober und die Jäger im Schnee Januar/Februar zu, es fehlt seiner Meinung nach also das Bild für November/Dezember. Claessens und Rousseau folgen zwar prinzipiell dieser Monatskoppelung ebenso wie dem Beginn des Jahres mit März, doch ordnen sie zwei der Bilder anders zu als Glück. Sie lassen den Zyklus mit der verloren gegangenen Darstellung Gartenbaukunst für März/April beginnen, gefolgt von der Heuernte für Mai/Juni, der Kornernte fur Juli/August, der Heimkehr der Herde für September/Oktober, den Jägern im Schnee für November/Dezember und als Abschluss Der düstere Tag für Januar/Februar. Wieder eine andere Lösung hält Marijnissen für plausibel. Er lässt den Zyklus ebenfalls mit dem verlorenen Bild beginnen, das bei ihm fur die Monate April/Mai steht; den Abschluss bildet auch hier Der düstere Tag, der nun Februar/März verbildlichen soll.
Wegen des Fehlens eindeutiger Prototypen oder Vergleichsbeispiele wurde Tolnays Lösungsvorschlag immer wieder in Frage gestellt. Tatsächlich ist die Koppelung zweier Monate ungewöhnlich, sie kommt jedoch vor: in der Zeit Bruegels in einer Serie von Marten van Cleve (1527-1581) und nach Bruegel im 17. Jahrhundert in einer Serie Jan van den Hoeckes (1611-1651). Ein weiteres Beispiel konnte schließlich Hans J. van Miegroet in einer Zeichnung des flämischen Malers Pieter Stevens (1567-1624) ausfindig machen. Stevens wurde 1594 Maler am Hofe Rudolfs II. in Prag, wo er bis zu seinem Tod lebte. Setzt man voraus, dass die Bruegelschen Zwölf Monate nach dem Tod Erzherzog Ernsts nach Prag zu seinem Bruder gelangten, so muss Stevens sie gekannt haben. Die von van Miegroet publizierte Zeichnung ist oben mit Februar und März bezeichnet und zeigt eine mit Bruegels Düsterem Tag vergleichbare Szenerie und Komposition. Darstellungen einzelner Monate, aber auch der Jahreszeiten von Stevens Hand sind zwar überliefert, doch eine Koppelung dieser beiden Monate ist auch für ihn ungewöhnlich. Deshalb nimmt van Miegroet an, er habe sich am Vorbild Bruegels orientiert. Damit sieht er nicht nur die These der Sechser-Reihe bestätigt, sondern auch jene der von Tolnay vorgeschlagenen spezifischen Monatskoppelung. Allerdings lässt van Miegroet den Zyklus mit dem Düsteren Tag für Februar und März beginnen.
Bereits 1948 war Novotny zu einer anderen These gekommen, die Demus 1981 untermauerte, indem er feststellte: »All dieser unbefriedigenden Lösungsversuche enthebt allein die Annahme, der Zyklus teile den Jahreslauf in natürlicherer Weise, als es das Schema von Monaten oder Doppel-Monaten vermag, nämlich nach den alten sechs 'Jahreszeiten' oder besser den 'Zeiten des Jahrs'. Schon Coremans (1847) hatte darauf hingewiesen, daß man in älterer Tradition das Jahr auch in sechs Teile teilte, indem man den Vorfrühling (Kleinlente) vom Frühling (Grootlente) und den Herbst als Erntezeit vom Spätherbst (arrière-saison) unterschied. Novotny (1948) hielt neben der Benennung der Bilder nach ihren eingeführten Titeln die allgemeinere Bezeichnung als 'Vorfrühling', 'Frühsommer', 'Hochsommer', 'Herbst' und 'Tiefer Winter' für die beste Lösung. Vossen (1951) weist noch andere Sechser-Zyklen (nicht vor, aber seit Bruegel; wohl zeitgenössisch von M. van Cleve) nach und möchte nicht Jahreszeiten, sondern sechs Jahresteile dargestellt sehen.«
Frans Hogenberg, Die Kirmes von Hoboken, Kupferstich
nach einer Zeichnung von Pieter Bruegel, um 1559, Privatsammlung
Das verschollene Bild
Nach Betrachtung der Bilder selbst scheinen die Argumente von Novotny und Demus am überzeugendsten. Geht man also davon aus, dass der Zyklus aus sechs Bildern bestanden hat, wie mag dann das mutmaßlich sechste ausgesehen haben? Darüber lassen sich leider nur Vermutungen anstellen; wir wissen lediglich, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Frühlingsszene bzw. die Darstellung der Monate April/Mai gehandelt haben muss. Eine vage Vorstellung können uns vielleicht die überlieferten Bilder für die Monate April und Mai in den Stundenbüchern geben. Traditionsgemäß wurden hier nicht die bäuerliche Arbeit, sondern höfisches Liebeswerben und Vergnügungen im Freien dargestellt. In der April-Szene des Breviarium Grimani etwa sehen wir im Vordergrund einen Hochzeitszug eleganter Herrschaften, im Hintergrund wartet am Fluss ein Kahn auf die Gesellschaft. Die Mai-Darstellung zeigt die Maienkönigin zu Pferd in Begleitung von Musikanten und höfischem Gefolge. Auch im Flämischen Kalender ist der April den Vergnügungen und Tändeleien des Adels und des Bürgertums vorbehalten. Zu sehen sind zwei prächtig gekleidete Paare, die in einem umzäunten Garten vor einem Herrenhaus flanieren, während auf der Textseite als Gegensatz eine für diesen Monat typische ländliche Szene dargestellt ist: Ein Hirte treibt seine Schafherde vom Stall auf die Weide. Die Mai-Szene zeigt eine musikalisch begleitete Kahnfahrt, im Hintergrund einen »Maienritt«. […]
Überblickt man Bruegels Gesamtwerk, scheint es kaum vorstellbar, er habe ebensolche höfischen Szenen dargestellt wie seine Vorgänger in den Kalendarien: Es ist die Lebenswelt der Bauern, die ihn interessiert. Nun hat er auch in seinen bekanntesten Bildern eine Bauernhochzeit und bäuerliche Tanzvergnügen wie den Hochzeitstanz im Freien oder den Bauerntanz dargestellt. Warum sollte er also in dem fehlenden Bild nicht eine solche Szene gewählt und somit die in den Kalendarien dem Adel vorbehaltenen Vergnügungen auf das bäuerliche Umfeld übertragen haben? Man könnte sogar vermuten, eines der oben genannten Bilder gehöre möglicherweise zu unserem Zyklus, doch finden sich nirgendwo jahreszeitliche Hinweise auf die Frühlingszeit, die dargestellten Szenen spielen vielmehr im Herbst. Auch wird in diesen Bildern der Landschaft zu wenig Raum gegeben, als dass sie in den Zyklus passten.
Berühmt wurden die bäuerlichen, meist an Kirchweih stattfindenden Vergnügen durch zwei um 1559/61 von Hieronymus Cock herausgegebene Stiche nach Vorlagen von Bruegel: Das Blatt Kirmes am St. Georgstag und Die Kirmes von Hoboken. Geschildert wird das exzessive Treiben an diesen beliebten Festen, die zweimal im Jahr, im Mai und im September stattfanden. Es wäre also durchaus denkbar, dass Bruegel zumindest als kleine Episode Szenen eines derartigen Kirchweihfestes in sein großformatiges Bild integriert hat.
Pieter van der Heyden, Der Frühling, Kupferstich nach einer Zeichnung
von Pieter Bruegel, 1570, The Metropolitan Museum of Art, New York,
Harris Brisbane Dick Fund
Als man im 18. Jahrhundert den Gesamtkontext des Zyklus aus den Augen verloren hatte, kam es, wie eingangs erwähnt, in der Wiener Sammlung zu einer Zusammenstellung einzelner Bilder zu einer Reihe der vier Jahreszeiten, in der die Kornernte als Sommer fungierte, Die Heimkehr der Herde als Herbst,Der Bethlehemitische Kindermord als Winter und die Kinderspiele als Frühling. Obwohl die Szenerie der Kinderspiele offensichtlich in einer freundlichen Jahreszeit angesiedelt ist - im Fluss baden Kinder -, sind in Geschehen und Naturdarstellung keine spezifischen jahreszeitlichen Hinweise gegeben. Andererseits wurde seit alters her die Kindheit als Frühling des Menschen verstanden. Spiele sind darüber hinaus deutlichstes Sinnbild der Kindheit und erscheinen als solche im Übrigen auch in Randillustrationen von Kalendern in Stundenbüchern. Doch fügt sich diese allegorische Sicht nicht in den Kontext unseres Zyklus von Landschaftsdarstellungen, weshalb eine Zugehörigkeit der Kinderspiele auszuschließen ist.
Hinweise auf das verschollene Bild kann uns in eingeschränktem Maße schließlich eine Zeichnung Bruegels geben, die gerade dadurch erstaunt, dass sie die bürgerliche Lebenswelt nicht, wie sonst in seinen Genrebildern üblich, ausspart. Im selben Jahr, in dem er die Jahreszeiten malte, zeichnete er ein Blatt, das den Titel Frühling (De lenten) trägt. Es ist vom Künstler signiert, datiert und darüber hinaus unten am Rand mit den Namen der Frühlingsmonate »Mert«, »April«, »Meij« bezeichnet. Der Frühling diente als Vorzeichnung für einen Stich, der zu der von Cock 1570 herausgegebenen Jahreszeitenserie gehörte. Beim Stich setzte eine Unterschrift den Frühling mit der Jugend gleich. Viel stärker als in den Gemälden des Zyklus bündelt Bruegel in dieser Zeichnung unterschiedliche Szenen, wobei er überraschenderweise sehr stark in der Tradition der Kalenderdarstellungen steht, ohne sich jedoch sklavisch an diese zu halten.
Anstelle der gebräuchlichsten Darstellung für den März - der Feldarbeit, dem Pflügen und Säen auf dem Feld - macht er wie der Talbot-Meister und wie Bening im Da Costa-Stundenbuch und im Flämischen Kalender die Bestellung eines herrschaftlichen Gartens zum Hauptthema: Unter der Aufsicht der Gutsherrin, die wir links mit einem Hut in der Hand erkennen, werden Beete angelegt, geharkt, bepflanzt und gegossen. Rechts im Hintergrund folgt Bruegel erstaunlicherweise ganz der Tradition der Stundenbücher fur den Monat Mai, indem er vor einer Stadtkulisse unter einer pavillonartigen Laube eine vornehme Gesellschaft beim Feiern zeigt. Auch der obligatorische Kahn fehlt nicht. Daneben schließt die Darstellung der Schafschur an, die allerdings meist als typische Tätigkeit für die Sommermonate Juni oder Juli erscheint, etwa im Flämischen Kalender.
Pieter Bruegel, Der Frühling, 1565, Albertina Wien
Im Frühling kontrastiert Bruegel also jahreszeitliche Aktivitäten der Bauern mit den Zerstreuungen der Reichen. So sehr er sich an der Tradition orientiert, so eigenwillig ist jedoch seine Kombination und Gewichtung der einzelnen Motive. Auffällig bleibt, wie wenig Raum der reinen Landschaft zugestanden wird, eine Tatsache, die jedoch auf die Funktion des Blattes zurückzuführen ist. Daher lässt sich von der Zeichnung nur bedingt auf das Aussehen des verschollenen Bildes schließen, denkbar ist jedoch eine Übernahme von Einzelszenen, eingebettet in eine weite Landschaft. […]
Das Rätsel um das sechste Bild hat schließlich sogar die Belletristik inspiriert. Michael Frayn lässt in seinem Kunstkrimi Das verschollene Bild einen britischen Philosophen das vermeintlich sechste verschollene Gemälde des Zyklus entdecken. Zur Frage, warum das Bild lange Zeit verschollen war, entwickelt sein Protagonist Martin Clay eine abenteuerliche These: Bruegel habe in dem Bild eine ketzerische Idee dargestellt, aufgrund der es aus dem Verkehr gezogen worden sei. Er beschreibt das verschollene Werk als weite Flusslandschaft, in der Bauern zur Musik eines Dudelsackpfeifers tanzen. Frayns Geschichte endet übrigens in einer wilden Verfolgungsjagd, der das Bild natürlich zum Opfer fällt ...
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Music and Muses: Interview with Carolina Eyck
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For the second of our interviews in the ‘Music and Muses’ series, German
thereminist Carolina Eyck talks about her passion for improvising and what
making ...
Umzug
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Ich ziehe um! Es wurde einfach zu unübersichtlich. Ich möchte den Versuch
wagen meine drei Blogs, mit ihren ganz unterschiedlichen Themen, zu
vereinen:
Sa...
RIGOLETTO in St. Gallen, 15.IX.2012
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*Rigoletto im Zirkus der Verdammten *
*Anno verdiano in St. Gallen: eine sehr gelungene Neuproduktion von
Rigoletto mit Paolo Gavanelli in der Titelrolle e...
RSS Solutions for Restaurants
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*FeedForAll *helps Restaurant's communicate with customers. Let your
customers know the latest specials or events.
RSS feed uses include:
*Daily Specials...
La Traviata en Bogotá Colombia
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Fotos: crédito a Juan Diego Castillo / Teatro Mayor Julio Mario Santo
Domingo
*Ramón Jacques*
Continúan los eventos con motivo de la decimoquinta tempo...
Hasta siempre, Maestro Brendel
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[image: Alfred Brendel] Feliz inmortalidad, maestro Brendel
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Una nueva estrella refulge en el firmamento de la Música con ma...
Esperando el Oscar: Wicked, el mal reescrito
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Einar Goyo Ponte
Los teóricos de la posmodernidad solían argüir que habíamos llegado al fin
de la historia y con ello al agotamiento de los grandes r...
Concierto para piano No. 3, OP. 37.
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Una anécdota famosa.
Se cuentan muchas anécdotas sobre la capacidad de improvisación de Beethoven
como un pianista consumado. La historia nos dice que...
Schumann: Dichterliebe (remastered)
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Libremente inspirado en *Lyrisches Intermezzo* de Heinrich Heine (Schumann
adaptó los poemas a las necesidades de la música, reordenando y alterando
algu...
AIDA, METropolitan OPERA, Dezembro / December 2022
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(Review in English below)
É a última vez que a monumental encenação clássica da *Aida*, de *Sonja
Frisell*, estará em cena na *Metropolitan Opera*. É uma...
Furia española
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La primera part de la història és més coneguda, i fins i tot ha arribat a
la Viquipèdia: després d'anys dedicant-se a estudiar i glossar Beethoven,
el mus...
Fallece MarÇal Cervera.
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Falleció el pasado 20 de Septiembre.
Tuve el plecer de asistir a sus cursos en Sevilla y recibir algunas de sus
clases . Siempre lo recordaré con afecto p...
Bernstein, vida i obra
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Aprofitant la celebració del centenari del naixement de Leonard Bernstein
aquest 2018, l’editorial Turner ha publicat en castellà Vida y obra de
Leonard Be...
Despedida y mudanza
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¡HASTA LOS MISMÍSIMOS!
Ante los problemas que este blog, abierto en septiembre de 2008, me está
dando últimamente con la subida de MIS FOTOS, y el tiempo q...
Pel·lícules i llibre sobre música
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Avui us comparteixo un blog que m'ha agradat molt! És PELÍCULAS Y LIBROS
SOBRE MÚSICA. Ells mateixos es defineixen: *Películas sobre música clásica.
Pelícu...
Iphigénie en Tauride no S. Carlos
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*Iphigénie en Tauride no S. Carlos*
*Henrique Silveira – Crítico*
*Crítica rápida e curta saiu originalmente no "O Diabo", seguir-se-á, após
o final das ré...
Dos pérdidas recientes: Vickers y Curtis
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En los últimos días se nos han ido dos figuras musicales de importancia,
dos artistas cuyo legado no guarda relación entre sí, pero en los cuales sí
se ob...
Carl Orff: Carmina Burana
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Carmina Burana es una cantata escénica del siglo XX compuesta por Carl Orff
entre 1935 y 1936, utilizando como texto algunos de los poemas medievales
de Ca...
Descans del blog
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Tancat per vacances indefinides.
Desitjo que continueu gaudint de la música.
Gràcies a tots els que m'heu visitat durant aquests anys.
Crítica
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Un menú bien contrastado
11.04.2014
Por *Federico Monjeau*
*Dirigido por Arturo Diemecke, el cuarto concierto del abono de la
Filarmónica presentó un...
Stevie Wonder
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Stevland Hardaway Judkins nació en, Saginaw, Míchigan, el 13 de mayo de
1950,ciego de nacimiento y tercero de una familia de 6 hijos. Hijo de un
pastor ...
Dígraf, de Joan Guinjoan
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Llevábamos mucho tiempo sin traer algo de música contemporánea por aquí, y
eso no está nada bien. Precisamente eso es lo que pensaba el viernes pasado
v...
Der Rosenkavalier al Liceu
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Fotos: Martina Serafin, Sophie Koch, Ofèlia Sala i Peter Rose (a l'imatge
en el paper de Boris).
Abans de res voldria comentar-vos que no us poso les habit...
Chronologies de Pelléas
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Le décor de Jusseaume (pour la création de 1902) de la scène 3 de l'acte I.
Comme j'ai enfin pu mettre la main sur les dates de compositions de
Pelléas, vo...
Threnody of the Loudest
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Click to enlarge. Source: Whisk. A congress of asses convenes in the hall,
They kick up dust, they bray and they brawl. Each wearing finery, yet the
ears b...
Polkas du Nouveau Monde
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Polkas du Nouveau Monde
Pourquoi les innombrables commentaires affirmant que la *Symphonie du
Nouveau Monde* relève de la musique tchèque s’abstiennent-ils ...
Inventions à quatre voix (Come Bach au Lucernaire)
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En prétextant la visite d'une amie new-yorkaise, nous sommes allés au
théâtre du Lucernaire voir le spectacle musical Come Bach, proposé par un
quatuor d...
Les splendeurs musicales sous la cour des Gonzague
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L'ensemble italien Biscantores, sous la direction de Luca Colombo nous
propose, sous le label Arcana (Outhere Music) un enregistrement regroupant
une sélec...
La liste de Silvia Careddu
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C. Debussy Prelude a l’après-midi d’un faune C. Abbado - Berliner
Philharmoniker 2. J. Brahms 4ème Symphonie C. Kleiber - Wiener
Philharmoniker 3....
Ernste Gesänge : les désillusions de Berlin-Est
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Label : Harmonia Mundi
Date de parution : septembre 2013
Durée totale : 54'05
*Hanns Eisler*
*Ernste Gesänge . Lieder mit Klavier . Klaviersonate op. 1 *
*...
Ludwig van, de Mauricio Kagel
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Mil neuf cent soixante dix. Le deux centième anniversaire de Beethoven.
Cela a dû être si intense, en Allemagne du moins, que Mauricio Kagel, qui
résidait...
Master class
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Via le site de la bienen school of music, Une série de master classes à
voir : Menhamem Pressler en musique de chambre, Yefin Bonfman en piano, Stephen
...
Gustav Holst
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Gustav Holst (1874-1934)Con la morte di Handel, avvenuta nel 1759 si
assiste alla progressiva rarefazione di musicisti. Di fronte all'allarmante
fenomeno l...
Addio a Christoph von Dohnányi
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Purtroppo proseguono gli addii: all’antivigilia del suo 96esimo compleanno
si è spento a Monaco di Baviera Christoph von Dohnányi.
https://www.giornaledell...
Centro Studi sul Teatro Musicale
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Nell'ambito del Dipartimento di Studi Umanistici dell'Università di Torino,
nasce il Centro Studi sul Teatro Musicale
1 Agosto 2016, ricordando Maestro
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*19 anni dopo*
*1 A g o s t o 2 0 1 6 *
*ricordando Maestro*
*"Verso la sera". Gessetto su cartoncino di C.Grandis. 2016*
*Tutto passa. Le sofferenze,...
Vignette, caricature, tragedie
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Un po’ di clamore ha fatto nei giorni scorsi nel Regno Unito una caricatura
d’epoca di un grande violinista della fine dell’Ottocento, Leopold Auer,
pubbli...
SORPRESA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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Sorpresa!Ci siamo trasferiti nel nostro nuovo sito.Da oggi ci trovate
all'indirizzo http://www.ilcorrieredellagrisi.eu/...Ci vediamo lì!GG &
friends
The composers of the Kammermusikkammer are ordered by date of birth. With J. S. Bach starts the Klassik (1685), with Beethoven the Romantik (1770), with Schönberg the Neue Musik (1874).
Schumann: Dichterliebe (remastered)
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Libremente inspirado en *Lyrisches Intermezzo* de Heinrich Heine (Schumann
adaptó los poemas a las necesidades de la música, reordenando y alterando
algu...
Turandot: "Tanto amore segreto"
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*Cari amici,*
No trecho musical de hoje, percebemos que não se pode
subestimar o papel de Liù em Turandot e cantá-lo não é uma tarefa f...
Telemann - Kapitansmusik 1744
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Georg Philipp Telemann (1681-1767)
Oratorio - Vereint euch, ihr Burger, und singet mit Freuden TWV 15:15a
Serenata - Freiheit! Gottin, die Segen und Frie...
Bellini: I Puritani (New York 2017)
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*Vincenzo Bellini I Puritani *
Aufzeichnung der Metropolitan Opera vom 18.2.2017
Lord Arturo Talbot | Javier Camarena
Elvira Walton | Diana Damrau
Si...
From the Back Room: Two from Marty Paich
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The cool fellow above is the distinguished pianist-arranger-composer Marty
Paich (1925-95), who issued many fine albums under his own name and as
music di...
VIII Centenaire de Notre Dame de Paris
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André Campra: Psaume "In convertendo Dominus"*
Pierre Desvignes: Te Deum*
Louis Vierne: Marcha triomphale per le Centeneaire de Napoléon I*
Pierre Cocherea...
Der Alte ja vergangen ist
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*‘Festival in Haiti’ *
*Déclaration Paysanne (Meringue)Pétro-Quita (Drum Rhythms)Shango
(Invocation)Pennywhistle FantasieSolé Oh! **(Invocation-Yanv...
A short note / ein kurzer Hinweis
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As there are some hopeful future readers who mailed me more than once, here
is a short note: everyone who has mailed me will stay in the list, but I am
not...
A Musical Couple
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The cellist William Pleeth is probably best remembered for his association
with Edmund Rubbra and as a teacher to Jacqueline du Pré. Alas his wife,
the pi...
Ouvertüre Gala Konzert - 10 sep 2025
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1- Jacques Offenbach (1819-1880) - Orpheus in the Underworld (1858) -
Overture
Live performance by The Arctic Philharmonic Orchestra
conducted by He...
Maria Perrotta Plays Chopin (2015)
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Frédéric Chopin (1 de marzo de 1810, Żelazowa Wola, Polonia - 17 de
octubre de 1849, París, Francia)
Maria Perrotta, Piano
Audio CD
Label: Decca
ASIN:...
Folhas de Graviola - A Cura do Câncer
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*OFERTA MUITO ESPECIAL*01 pacote com 120 folhas de graviola, quantidade
suficiente para até 40 dias de tratamento, sem cobrança de frete, a*penas:*
*.*
* R$...
Genesis - Selling England by the Pound
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*Poesía y belleza del mejor Genesis*
Un nombre no basta para identificar a un grupo y he aquí una prueba: la
discografía de *Genesis *comienza en 1969 ...
RE:Cuartetos Mexicanos Desconocidos Vol. 2
-
El presente volumen de cuartetos para instrumentos de arco -en realidad más
olvidados que desconocidos- fueron a la sazón escritos por una terna de
músic...