Ries komponierte sein op. 25 im Jahr 1808 in einer Zeit großer Not und beängstigender Unsicherheit in Paris. Die Jahre 1802 bis 1805 hatte er bei Beethoven in Wien verbracht; er wurde von Beethoven im Klavierspiel unterrichtet und diente diesem als eine Art Sekretär, der Stimmen kopierte und den Briefwechsel mit den Verlegern führte. Im Herbst 1805 musste Ries Wien verlassen; er sollte als Bürger des französisch besetzten Bonn zum Militärdienst in der napoleonischen Armee eingezogen werden. Zwar wurde er für untauglich befunden, doch nun stellte sich die Frage nach der beruflichen Zukunft mit großer Dringlichkeit. Er blieb einige Zeit in Bonn, vermutlich in seinem Elternhaus, aber er musste sich, wenn er als Pianist und Komponist reüssieren wollte, einem größeren Publikum bekannt machen.
Ferdinand Ries (1784-1837)
Deshalb versuchte Ries, gerade 22jährig, im Frühjahr 1807 sein Glück in Paris. Er blieb bis zum Sommer 1808; doch es gelang ihm nicht, dort Fuß zu fassen. Die Vorliebe des Pariser Publikums galt dem Musiktheater, und die Pforten der Pariser Opernhäuser blieben dem jungen, unbekannten Komponisten naturgemäß verschlossen. Wahrscheinlich um wenigstens in den Salons und in privaten Musikzirkeln Gehör zu finden, verlegte sich Ries vornehmlich auf die Komposition von Duosonaten und Klaviermusik; er schrieb in der kurzen Zeit von nicht einmal anderthalb Jahren acht Violinsonaten, zwei Violoncellosonaten, fünf Klaviersonaten, weiterhin Märsche, Variationen und Fantasien für Klavier. An größer besetzten Werken entstanden nur das Klavierquartett f-Moll op. 13 und das Septett Es-Dur op. 25, letzteres mutmaßlich in der Absicht, seine konzertanten Fähigkeiten wenigstens in einem kammermusikalischen Werk unter Beweis zu stellen. Dass er derart eine - wenn auch kurzlebige Gattungstradition initiierte, dürfte Ries kaum geahnt haben.
Das Septett op. 25 erschien 1812 als »Grand Septuor« in der Firma von Nikolaus Simrock, einem mit der Familie Ries befreundeten Bonner Verleger. Um den Kreis der Interessenten möglichst groß zu halten, publizierte Simrock gleichzeitig eine Fassung für Klavierquintett (in der Besetzung mit Klavier und Streichquartett). Das Werk scheint nach seiner Veröffentlichung beträchtliches Aufsehen erregt zu haben; noch über zwei Jahrzehnte später erinnert sich Ries seinem Bruder Joseph gegenüber, dass das Septett »dazumal in Deutschland sehr häufig gespielt wurde« (Brief vom 16.01.1836)
Ferdinand Ries (Kupferstich von Charles Picart, wohl nach einer eigenen Zeichnung, 1824) - Quelle: Beethoven-Haus Bonn, Sammlung Wegeler, W 161
Eine Rezension der Quintett-Fassung in der angesehenen Allgemeinen musikalischen Zeitung aus dem Jahr 1813 konstatiert, das Werk werde »vielen geübten Spielern eine sehr vortheilhafte Uebung und eine wahrhaft angenehme, belebte und würdige Unterhaltung gewähren«; gleichwohl seien "die Ideen selbst nicht oft wahrhaft originell, und viele erinnern näher, als eigentlich zulässig, an bestimmte Vorbilder«. Insgesamt aber, so resümiert der Verfasser, gewähre es »mehr Genuss und auch mehr Vortheil, als gar manches, das mit mehr Originalität, aber unbeholfen, roh, gesetzwidrig, und doch anspruchsvoll, daher lärmt und stolpert.« Anlage und Ausdehnung des Werkes legen allerdings nahe, dass Ries mit seinem Septett sehr ambitionierte Ziele verfolgte. Die Spieldauer von über einer halben Stunde und die viersätzige Anlage verweisen auf die Symphonie und die klassischen Gattungen der Kammermusik, Streichquartett und Klaviertrio.
Anders als das Klavierseptett hat das Oktett mit Klavier und kombinierter Bläser/Streicherbesetzung keine eigene Gattungstradition hervorgebracht. Dem Werk von Ries war zwar ein Oktett des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen (F-Dur op. 12; gedruckt 1808) vorausgegangen (Louis Ferdinand hat auch ein »Notturno« in Klavierseptett-Besetzung hinterlassen); aber im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts hat es nur vereinzelte Versuche gegeben, an diese Besetzung anzuknüpfen. Die bekannten Oktette von Schubert (D 803; 1824) und von Mendelssohn (op. 20; 1825) gehören anderen Gattungstraditionen an: Während Schubert sich deutlich den von Beethovens Septett op. 20 repräsentierten Typus zum Vorbild nimmt, begründete Mendelssohn mit seinem einflussreichen Werk seinerseits die Gattungstradition des reinen Streicheroktetts.
John E. Ferneley (1782-1860): Lord Henry Bentinck's chestnut hunter 'Firebird', and 'Policy', a foxhound, in a loose box, 1845
Ries komponierte sein Oktett As-Dur op. 128 in den ersten Monaten des Jahres 1816, in einer Zeit, in der er endlich die erstrebte Anerkennung als Komponist und Pianist gefunden hatte. Nach seinem entmutigenden Erfahrungen in Paris war er im August 1808 für ein knappes Jahr zurück nach Wien gegangen, dann verbrachte er ein weiteres Jahr im heimatlichen Bonn. In der zweiten Hälfte des Jahres 1810 brach er zu einer ausgedehnten Konzertreise durch Deutschland, Russland und Skandinavien auf, und im April 1813 war er in London sesshaft geworden; dort blieb er die nächsten elf Jahre. Durch den seit langer Zeit in London lebenden Bonner Landsmann Johann Peter Salomon, einem Lehrer seines Vaters, in Londoner Musikerkreise eingeführt, gelang Ries in London der Durchbruch; er kam als Klavierlehrer in den tonangebenden Londoner Kreisen in Mode und wurde 1815 Mitglied der kurz vor seiner Ankunft gegründeten Philharmonic Society. Das Oktett op. 128 komponierte er für ein Konzert dieser Gesellschaft, wie er dem Leipziger Verleger Carl Friedrich Peters am 22. April 1816 brieflich mitteilte: »dies ist ganz neu, ich habe es für mich geschrieben, um es in unsrem Philharmonischen Concert am 13 May zu spielen.« Ries' Angebot, das Werk in Verlag zu nehmen, hat Peters offensichtlich nicht angenommen; denn das Oktett erschien erst l831 im Leipziger Verlag Probst als op. 128. Wie gewohnt folgte alsbald ein Nachdruck in Paris.
Aus dem Brief an Peters kann man schließen, dass Ries das Werk in der Absicht komponiert hat, dem Londoner Publikum ein neues Glanzstück seiner virtuosen Fertigkeiten vorzuführen. In den Konzerten der Philharmonic Society war es durchaus gängig, Werke, die nach heutigem Verständnis als Kammermusik rubriziert würden, im Rahmen eines Symphonie-Konzertes zu präsentieren; freilich verlangt diese Bestimmung einen besonders konzerthaft-virtuosen Charakter. Und in der Tat, das Ausmaß an vom Pianisten geforderter Virtuosität ist gegenüber dem Septett op. 25 noch gesteigert; man könnte dies Oktett auch als eine Art Kammer-Klavierkonzert bezeichnen.
Quelle: Bert Hagels, im Booklet (stark gekürzt)
TRACKLIST
Ferdinand Ries (1784-1837)
Grand Septuor op. 25 33'18
pour Pianoforte, Clarinette, deux Cors, Violon,
Violoncelle et Contrebasse
[1] Adagio molto 10'01
[2] Trauermarsch 10'37
[3] Scherzo 5'07
[4] Rondo 7'33
Grand Otetto op. 128 22'03
pour Piano, Violon, Alto, Clarinette, Cor, Basson,
Violoncelle el Contrabasse
[5] Allegro 9'40
[6] Andantino 5'52
[7] Rondo. Allegretto 6'31
T.T.: 55'23
Linos-Ensemble
Konstanze Eickhorst, Piano
Winfried Rademacher, Violin - Matthias Buchholz, Viola
Mario Blaumer, Violoncello - Jörg Linowitzki, Double Bass
Rainer Müller-van Recum, Clarinet
Xiao min Han, 1st Horn - Sebastian Jurkiewicz, 2nd Horn
Eberhard Marschall, Bassoon
Recording: Sendesaal des BR, November 2002
Recording Supervisor: Jens Schünemann
Recording Engineer: Peter Urban
Cover Painting: Sarah Ferneley, Sommerliche Flusslandschaft mit
Malerin, Christie's London
(c) & (p) 2005 , DDD
John Ferneley Jun. (1815-1862):
A Lady and a Gentleman setting out riding, in the park of a country house, possibly Barlborough Hall, Derbyshire, visible through an avenue of trees beyond Quelle: Christies.
John E. Ferneley (Senior) (1782-1860) war ein englischer Maler („a celebrated sporting artist“), der sich auf Sportpferde und Jagdszenen spezialisiert hatte. Obwohl seine Gestaltung von Pferden stilisiert war, wird er als einer der größten britischen Pferdekünstler („equine artists“) angesehen, und als solcher höchstens von George Stubbs übertroffen. Mit seiner ersten Frau Sarah (die 1836 starb) hatte er sechs Kinder, drei davon wurden später ebenfalls Maler:
Der älteste Sohn ist John Ferneley Junior (1815-1862). „He seems to have been largely taught by his father who greatly influenced. Although he began working in Melton Mowbray,“ [wo sein Elternhaus lag] „where he is known to have been painting in 1836, he later moved to York, where he is recorded by 1839, most probably attracted by the large number of patrons in the area.“ Das hier abgebildete Reiterpaar wurde am 5.Juni 1998 bei Christies in London für 19.550 Pfund (32.000 Euro) verkauft.
Einen weiteren Sohn nannte der Vater Claude Lorraine (1822-1892), offensichtlich in Verehrung für den berühmten Landschaftsmaler; eine Verehrung, die er übrigens mit Joseph Mallord William Turner teilte. „He often helped out by painting in the background of his fathers pictures. He was also adept at painting copies of his father's paintings at clients' request. Claude was obviously influenced by his father's style and he is most noted for his paintings of hunters.“
Claude Lorraine Ferneley (1822-1892): Dragon and Black Prince in a Landscape 1852 Quelle: Encore Editions
Bleibt noch die Tochter, Sarah Ferneley (1812-1903), deren „Sommerliche Flusslandschaft mit Malerin“ die CD schmückt und als Kunstdruck oder als handgemalte Kopie erhältlich ist. (Von der im Internet allgegenwärtigen Firma, die unter anderem als http://www.art-prints-on-demand.com/, http://www.myartprints.co.uk/ oder http://www.kunstkopie.de/ auftritt.) Das Gemälde wurde für die Coverversion an den Rändern beschnitten. (Original hier) Von Sarah, die in einer Quelle als „Engraver“ bezeichnet wird, habe ich keine weiteren Werke gefunden. Ich weiß daher nicht, ob sie als schwarzes Schaf der Familie gegolten hatte, weil sie keine Pferde mochte…
Mehr zu Ferdinand Ries
Die Ferdinand Ries Gesellschaft veröffentlicht auf ihrer Webseite unter anderem eine ausführliche Biographie und ein Werksverzeichnis.
Bert Hagels, der den Booklettext verfaßt hat, ist der 2. Stellvertretende Vorsitzende dieser Gesellschaft; auf seiner privaten Seite "Musica Oblita" bespricht er das symphonische Werk von Ries, und anderer verkannter Meister jener Zeit.
Das von Ferdinand Ries gemeinsam mit Franz Gerhard Wegeler verfaßte Buch "Biographische Notizen über Ludwig van Beethoven" (Coblenz, bei Bädeker, 1838), ist offensichtlich komplett bei Google-Books online lesbar.
Über die für das Zürcher Kammerorchester geschaffene, die 1. Violine der 2. Sinfonie, 4. Satz von Ferdinand Ries, visualisierende Animation "ZKO Achterbahn" wird an anderer Stelle berichtet.
Ich habe Reviews dieser CD bei allmusic, bei Swap a CD, und bei akuma gefunden. Eine zeitgenössische(d.h. aus dem Erscheinungsjahr stammende) Review geht auch auf das ausführende Linos-Ensemble ein.
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CD Info & Scans (Tracklist, Covers, Booklet, Bonus Pictures), 34 MB
Read the file "Download Links.txt" for links to the Ape+Cue+Log Files
3 Kommentare:
Hallo, ich bin argentinien, ich spiele bratsch, sehr gut blog!!!!
so, diese meine blog
sehen sie bitte!
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Tschuss!!!
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